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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Jede der beschriebenen Verrichtungen erfodert
gewisse Handgriffe, die in besondern Artikeln um-
ständlicher beschrieben werden. S. Gründen, Ab-
zeichnen, Radiren, Firniß.
Das Besondere aber,
was bey dem eigentlichen Aezen in Acht zu nehmen
ist, wollen wir hier umständlicher beschreiben.

Die Vollkommenheit des Aezens besteht darinn,
daß das Wasser jeden Strich der Radiernadel mit
der Stärke oder Schwäche ausfresse, welche die
Haltung des Ganzen erfodert. Hiezu trägt zwar
schon das Radiren selbst das Vornehmste bey, in-
dem man mit der Nadel einige Striche breiter oder
feiner, stärker oder schwächer in das Kupfer ein-
gräbt: allein das Aezen selbst muß diese Vorsichtig-
keit unterstützen, indem das Schwache flächer, das
Starke tiefer eingeprägt werden muß. Dieses er-
fodert große Vorsichtigkeit bey dem Aezen.

Die Schwierigkeiten, die sich dabey zeigen, kom-
men so wol von dem Aezwasser, als von andern
Umständen her. Selten kann man den Grad der
Schärfe des Wassers vorher bestimmen: dasselbige
Wasser ist schärfer oder schwächer, nach Beschaffen-
heit der Luft und besonders der Wärme derselben.
Bisweilen ist eine halbe Minute der Zeit zu viel,
und schon im Stande alles zu verderben.

Es ist überhaupt nothwendig, daß auf den schwa-
chen Stellen das Wasser eine kürzere Zeit fresse, als
auf den starken. Damit man dieses erhalte, so
läßt man das Wasser erst nur so lange würken, als
etwa zu den schwachen Stellen nöthig ist; alsdenn
läßt man es ablaufen, und dekt dieselben mit einer
fetten Materie, welche die Würkung des Wassers
hemmet, zu: wenn dieses geschehen ist, so kann es
auf die stärkern Stellen wieder aufs neue angegos-
sen werden. Wenn man dieses sorgfältig beobach-
tet, so wird die Tafel ihre gehörige Haltung be-
kommen.

Doch darf man auch die allerkräftigsten Stellen
nicht allzu lange der Würkung des Wassers über-
lassen. Es frißt so wohl in die Breite als in die
Tiefe, so daß durch ein zu langes Fressen die stär-
kern Striche, die nahe an einander liegen, ganz in
einander fließen, welches denn eine üble Würkung
thut. Es ist deswegen nöthig, daß man, ehe die-
ses geschieht, die Würkung des Wassers kenne, und
wenn die Striche noch nicht stark genug sind, daß
man sie durch den Grabstichel hernach kräftiger ma-
che: wie denn überhaupt der Grabstichel den ge-
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äzten Platten allemal sehr zu Hülfe kommen kann.
Der Grabstichel dringt tiefer in das Kupfer als
Aezwasser, seine Striche sind schärfer, und geben
beym Abdruk die Farbe schwärzer. Daher können
durch Vermischung der beyden Gattungen vortheil-
hafte Würkungen hervor gebracht werden.

Das Aezwasser kann gemeines Scheidewasser
seyn, dessen Schärfe durch gemeines Wasser etwas
gemildert worden. Da es aber auch einige Fir-
nisse angreift, so ist es etwas gefährlich. Das be-
ste Wasser zum Aezen wird aus abgezogenem Wein-
eßig, Salmiak, gemeinem Salz und Grünspan ge-
macht. Der Eßig wird in einen wol glasurten,
oder besser in einen porcellainen Topf gegossen, dar-
inn auch die andern Materien, nachdem man sie
klein gestoßen, die beyden ersten jede zu sechs Theilen,
der Grünspan aber zu vieren, geschüttet werden.
Diese Mischung wird bey gutem Feuer ein Paar
mal aufgekocht und wol umgerührt; hernach abge-
klärt und zum Gebrauch aufbehalten. Eine einzige
Probe ist hinreichend, um zu sehen, ob dieses Wasser
zu stark oder zu schwach ist. Jm ersten Fall gießt
man mehr Eßig zu. (*)

(*) S. Di-
ction. de
peinture
par Mr.
l'Abbe
Pernety.
Art. Eau
forte.

Die Aezkunst ist neuer, als die Kunst, mit dem
Grabstichel in Kupfer zu stechen. Einige schreiben
die Erfindung derselben dem Albrecht Dürer zu.
Die Sache ist aber ungewiß. Einer der ersten, die
sich darinn hervor gethan haben, ist Simon Eri-
sius,
ein Holländer. Er führte die Nadel mit
großer Fertigkeit, und kam dem Feinen des Grab-
stichels sehr nahe. Abraham Bosse hat in
einem besondern Werke die Handgriffe dieser Kunst
beschrieben. (*) Eine umständliche Beschreibung(*) La Ma-
niere de
graver a
l'eau forte
& au burin
par Abrah.
Bosse, re-
vaue &
augmentee
par Mr.
Cochin le
fils.

derselben findet man auch in dem französischen Di-
ctionaire encyclopedique.

Diese Erfindung ist bey nahe noch wichtiger als
die Kunst, mit dem Grabstichel zu stechen. Jn der
Zeit, da eine Tafel durch diese letztere Art fertig
wird, kann man bey nahe hundert geäzte Tafeln
verfertigen. Dadurch wird also die Ausbreitung
der Kunst sehr erleichtert. Und da jeder, der gut
zeichnen kann, in kurzer Zeit die Aezkunst vollkom-
men lernt, so sind die Maler selbst im Stande, ihre
Werke in Kupfer zu bringen, die denn unstreitig
mehr von dem ursprünglichen Geist und der Origi-
nalvollkommenheit behalten, als wenn sie von an-
dern ängstlich nachgemacht werden. Dergleichen
von den Malern selbst geäzte Stüke werden von

Kennern
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Aez

Jede der beſchriebenen Verrichtungen erfodert
gewiſſe Handgriffe, die in beſondern Artikeln um-
ſtaͤndlicher beſchrieben werden. S. Gruͤnden, Ab-
zeichnen, Radiren, Firniß.
Das Beſondere aber,
was bey dem eigentlichen Aezen in Acht zu nehmen
iſt, wollen wir hier umſtaͤndlicher beſchreiben.

Die Vollkommenheit des Aezens beſteht darinn,
daß das Waſſer jeden Strich der Radiernadel mit
der Staͤrke oder Schwaͤche ausfreſſe, welche die
Haltung des Ganzen erfodert. Hiezu traͤgt zwar
ſchon das Radiren ſelbſt das Vornehmſte bey, in-
dem man mit der Nadel einige Striche breiter oder
feiner, ſtaͤrker oder ſchwaͤcher in das Kupfer ein-
graͤbt: allein das Aezen ſelbſt muß dieſe Vorſichtig-
keit unterſtuͤtzen, indem das Schwache flaͤcher, das
Starke tiefer eingepraͤgt werden muß. Dieſes er-
fodert große Vorſichtigkeit bey dem Aezen.

Die Schwierigkeiten, die ſich dabey zeigen, kom-
men ſo wol von dem Aezwaſſer, als von andern
Umſtaͤnden her. Selten kann man den Grad der
Schaͤrfe des Waſſers vorher beſtimmen: daſſelbige
Waſſer iſt ſchaͤrfer oder ſchwaͤcher, nach Beſchaffen-
heit der Luft und beſonders der Waͤrme derſelben.
Bisweilen iſt eine halbe Minute der Zeit zu viel,
und ſchon im Stande alles zu verderben.

Es iſt uͤberhaupt nothwendig, daß auf den ſchwa-
chen Stellen das Waſſer eine kuͤrzere Zeit freſſe, als
auf den ſtarken. Damit man dieſes erhalte, ſo
laͤßt man das Waſſer erſt nur ſo lange wuͤrken, als
etwa zu den ſchwachen Stellen noͤthig iſt; alsdenn
laͤßt man es ablaufen, und dekt dieſelben mit einer
fetten Materie, welche die Wuͤrkung des Waſſers
hemmet, zu: wenn dieſes geſchehen iſt, ſo kann es
auf die ſtaͤrkern Stellen wieder aufs neue angegoſ-
ſen werden. Wenn man dieſes ſorgfaͤltig beobach-
tet, ſo wird die Tafel ihre gehoͤrige Haltung be-
kommen.

Doch darf man auch die allerkraͤftigſten Stellen
nicht allzu lange der Wuͤrkung des Waſſers uͤber-
laſſen. Es frißt ſo wohl in die Breite als in die
Tiefe, ſo daß durch ein zu langes Freſſen die ſtaͤr-
kern Striche, die nahe an einander liegen, ganz in
einander fließen, welches denn eine uͤble Wuͤrkung
thut. Es iſt deswegen noͤthig, daß man, ehe die-
ſes geſchieht, die Wuͤrkung des Waſſers kenne, und
wenn die Striche noch nicht ſtark genug ſind, daß
man ſie durch den Grabſtichel hernach kraͤftiger ma-
che: wie denn uͤberhaupt der Grabſtichel den ge-
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aͤzten Platten allemal ſehr zu Huͤlfe kommen kann.
Der Grabſtichel dringt tiefer in das Kupfer als
Aezwaſſer, ſeine Striche ſind ſchaͤrfer, und geben
beym Abdruk die Farbe ſchwaͤrzer. Daher koͤnnen
durch Vermiſchung der beyden Gattungen vortheil-
hafte Wuͤrkungen hervor gebracht werden.

Das Aezwaſſer kann gemeines Scheidewaſſer
ſeyn, deſſen Schaͤrfe durch gemeines Waſſer etwas
gemildert worden. Da es aber auch einige Fir-
niſſe angreift, ſo iſt es etwas gefaͤhrlich. Das be-
ſte Waſſer zum Aezen wird aus abgezogenem Wein-
eßig, Salmiak, gemeinem Salz und Gruͤnſpan ge-
macht. Der Eßig wird in einen wol glaſurten,
oder beſſer in einen porcellainen Topf gegoſſen, dar-
inn auch die andern Materien, nachdem man ſie
klein geſtoßen, die beyden erſten jede zu ſechs Theilen,
der Gruͤnſpan aber zu vieren, geſchuͤttet werden.
Dieſe Miſchung wird bey gutem Feuer ein Paar
mal aufgekocht und wol umgeruͤhrt; hernach abge-
klaͤrt und zum Gebrauch aufbehalten. Eine einzige
Probe iſt hinreichend, um zu ſehen, ob dieſes Waſſer
zu ſtark oder zu ſchwach iſt. Jm erſten Fall gießt
man mehr Eßig zu. (*)

(*) S. Di-
ction. de
peinture
par Mr.
l’Abbé
Pernety.
Art. Eau
forte.

Die Aezkunſt iſt neuer, als die Kunſt, mit dem
Grabſtichel in Kupfer zu ſtechen. Einige ſchreiben
die Erfindung derſelben dem Albrecht Duͤrer zu.
Die Sache iſt aber ungewiß. Einer der erſten, die
ſich darinn hervor gethan haben, iſt Simon Eri-
ſius,
ein Hollaͤnder. Er fuͤhrte die Nadel mit
großer Fertigkeit, und kam dem Feinen des Grab-
ſtichels ſehr nahe. Abraham Boſſe hat in
einem beſondern Werke die Handgriffe dieſer Kunſt
beſchrieben. (*) Eine umſtaͤndliche Beſchreibung(*) La Ma-
nière de
graver à
l’eau forte
& au burin
par Abrah.
Boſſe, re-
vûe &
augmentée
par Mr.
Cochin le
fils.

derſelben findet man auch in dem franzoͤſiſchen Di-
ctionaire encyclopedique.

Dieſe Erfindung iſt bey nahe noch wichtiger als
die Kunſt, mit dem Grabſtichel zu ſtechen. Jn der
Zeit, da eine Tafel durch dieſe letztere Art fertig
wird, kann man bey nahe hundert geaͤzte Tafeln
verfertigen. Dadurch wird alſo die Ausbreitung
der Kunſt ſehr erleichtert. Und da jeder, der gut
zeichnen kann, in kurzer Zeit die Aezkunſt vollkom-
men lernt, ſo ſind die Maler ſelbſt im Stande, ihre
Werke in Kupfer zu bringen, die denn unſtreitig
mehr von dem urſpruͤnglichen Geiſt und der Origi-
nalvollkommenheit behalten, als wenn ſie von an-
dern aͤngſtlich nachgemacht werden. Dergleichen
von den Malern ſelbſt geaͤzte Stuͤke werden von

Kennern
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[24/0036] Aez Aez Jede der beſchriebenen Verrichtungen erfodert gewiſſe Handgriffe, die in beſondern Artikeln um- ſtaͤndlicher beſchrieben werden. S. Gruͤnden, Ab- zeichnen, Radiren, Firniß. Das Beſondere aber, was bey dem eigentlichen Aezen in Acht zu nehmen iſt, wollen wir hier umſtaͤndlicher beſchreiben. Die Vollkommenheit des Aezens beſteht darinn, daß das Waſſer jeden Strich der Radiernadel mit der Staͤrke oder Schwaͤche ausfreſſe, welche die Haltung des Ganzen erfodert. Hiezu traͤgt zwar ſchon das Radiren ſelbſt das Vornehmſte bey, in- dem man mit der Nadel einige Striche breiter oder feiner, ſtaͤrker oder ſchwaͤcher in das Kupfer ein- graͤbt: allein das Aezen ſelbſt muß dieſe Vorſichtig- keit unterſtuͤtzen, indem das Schwache flaͤcher, das Starke tiefer eingepraͤgt werden muß. Dieſes er- fodert große Vorſichtigkeit bey dem Aezen. Die Schwierigkeiten, die ſich dabey zeigen, kom- men ſo wol von dem Aezwaſſer, als von andern Umſtaͤnden her. Selten kann man den Grad der Schaͤrfe des Waſſers vorher beſtimmen: daſſelbige Waſſer iſt ſchaͤrfer oder ſchwaͤcher, nach Beſchaffen- heit der Luft und beſonders der Waͤrme derſelben. Bisweilen iſt eine halbe Minute der Zeit zu viel, und ſchon im Stande alles zu verderben. Es iſt uͤberhaupt nothwendig, daß auf den ſchwa- chen Stellen das Waſſer eine kuͤrzere Zeit freſſe, als auf den ſtarken. Damit man dieſes erhalte, ſo laͤßt man das Waſſer erſt nur ſo lange wuͤrken, als etwa zu den ſchwachen Stellen noͤthig iſt; alsdenn laͤßt man es ablaufen, und dekt dieſelben mit einer fetten Materie, welche die Wuͤrkung des Waſſers hemmet, zu: wenn dieſes geſchehen iſt, ſo kann es auf die ſtaͤrkern Stellen wieder aufs neue angegoſ- ſen werden. Wenn man dieſes ſorgfaͤltig beobach- tet, ſo wird die Tafel ihre gehoͤrige Haltung be- kommen. Doch darf man auch die allerkraͤftigſten Stellen nicht allzu lange der Wuͤrkung des Waſſers uͤber- laſſen. Es frißt ſo wohl in die Breite als in die Tiefe, ſo daß durch ein zu langes Freſſen die ſtaͤr- kern Striche, die nahe an einander liegen, ganz in einander fließen, welches denn eine uͤble Wuͤrkung thut. Es iſt deswegen noͤthig, daß man, ehe die- ſes geſchieht, die Wuͤrkung des Waſſers kenne, und wenn die Striche noch nicht ſtark genug ſind, daß man ſie durch den Grabſtichel hernach kraͤftiger ma- che: wie denn uͤberhaupt der Grabſtichel den ge- aͤzten Platten allemal ſehr zu Huͤlfe kommen kann. Der Grabſtichel dringt tiefer in das Kupfer als Aezwaſſer, ſeine Striche ſind ſchaͤrfer, und geben beym Abdruk die Farbe ſchwaͤrzer. Daher koͤnnen durch Vermiſchung der beyden Gattungen vortheil- hafte Wuͤrkungen hervor gebracht werden. Das Aezwaſſer kann gemeines Scheidewaſſer ſeyn, deſſen Schaͤrfe durch gemeines Waſſer etwas gemildert worden. Da es aber auch einige Fir- niſſe angreift, ſo iſt es etwas gefaͤhrlich. Das be- ſte Waſſer zum Aezen wird aus abgezogenem Wein- eßig, Salmiak, gemeinem Salz und Gruͤnſpan ge- macht. Der Eßig wird in einen wol glaſurten, oder beſſer in einen porcellainen Topf gegoſſen, dar- inn auch die andern Materien, nachdem man ſie klein geſtoßen, die beyden erſten jede zu ſechs Theilen, der Gruͤnſpan aber zu vieren, geſchuͤttet werden. Dieſe Miſchung wird bey gutem Feuer ein Paar mal aufgekocht und wol umgeruͤhrt; hernach abge- klaͤrt und zum Gebrauch aufbehalten. Eine einzige Probe iſt hinreichend, um zu ſehen, ob dieſes Waſſer zu ſtark oder zu ſchwach iſt. Jm erſten Fall gießt man mehr Eßig zu. (*) Die Aezkunſt iſt neuer, als die Kunſt, mit dem Grabſtichel in Kupfer zu ſtechen. Einige ſchreiben die Erfindung derſelben dem Albrecht Duͤrer zu. Die Sache iſt aber ungewiß. Einer der erſten, die ſich darinn hervor gethan haben, iſt Simon Eri- ſius, ein Hollaͤnder. Er fuͤhrte die Nadel mit großer Fertigkeit, und kam dem Feinen des Grab- ſtichels ſehr nahe. Abraham Boſſe hat in einem beſondern Werke die Handgriffe dieſer Kunſt beſchrieben. (*) Eine umſtaͤndliche Beſchreibung derſelben findet man auch in dem franzoͤſiſchen Di- ctionaire encyclopedique. (*) La Ma- nière de graver à l’eau forte & au burin par Abrah. Boſſe, re- vûe & augmentée par Mr. Cochin le fils. Dieſe Erfindung iſt bey nahe noch wichtiger als die Kunſt, mit dem Grabſtichel zu ſtechen. Jn der Zeit, da eine Tafel durch dieſe letztere Art fertig wird, kann man bey nahe hundert geaͤzte Tafeln verfertigen. Dadurch wird alſo die Ausbreitung der Kunſt ſehr erleichtert. Und da jeder, der gut zeichnen kann, in kurzer Zeit die Aezkunſt vollkom- men lernt, ſo ſind die Maler ſelbſt im Stande, ihre Werke in Kupfer zu bringen, die denn unſtreitig mehr von dem urſpruͤnglichen Geiſt und der Origi- nalvollkommenheit behalten, als wenn ſie von an- dern aͤngſtlich nachgemacht werden. Dergleichen von den Malern ſelbſt geaͤzte Stuͤke werden von Kennern

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/36>, abgerufen am 18.04.2024.