Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

aufs höchste gestiegen. Die Räubereien der Hottentotten unter
ihrem kühnen Führer Hendrik Witbooi hatten einen bedrohlichen
Umfang angenommen. Hendrik, der Sohn von Moses Witbooi, war
ein begabter Hottentotte, der seine Stellung als Schullehrer auf-
gegeben hatte, um einer angeblich göttlichen Mission zu folgen und
sein Volk zum Siege gegen die Hereros zu führen. 600 mit modernen
Gewehren versehene und gut berittene Krieger scharten sich um
ihn und machten das Schutzgebiet unsicher; sie wurden nicht bloß
den Hereros als Viehräuber gefährlich, sondern fügten auch den
weißen Ansiedlern durch Überfälle von Karawanen und Stationen
großen Schaden zu und lehnten die Aufforderung sich zu unter-
werfen mit Rücksicht auf die geringe Macht der damals im Ent-
stehen begriffenen deutschen Schutztruppe ab. In einem 1 1/2 Jahre
dauernden Kriege wurden sie aber gänzlich unterworfen und Hen-
drik Witbooi
zur bedingungslosen Ergebung gezwungen. Er wurde,
weil er bei seinem Volke als Prophet in hohem Ansehen stand und
großen Anhang besaß, von dem Führer der deutschen Schutztruppe,
dem Major Leutwein, begnadigt und versprach Gehorsam, hat sein
Versprechen auch 10 Jahre lang gehalten und die deutsche Truppe
mit seinen Leuten tatkräftig unterstützt, bis er später während
des großen, fast das gesamte Schutzgebiet umfassenden Aufstandes
zum Abfall sich bewogen fand.

Die letzten großen Unruhen von 1903-1907 begannen mit
der Auflehnung der im äußersten Süden der Kolonie ansässigen
Bondelzwaarts-Hottentotten. Während der größte Teil der Schutz-
truppe gegen sie ins Feld zog, benutzten die im nördlichen Teil
des Schutzgebietes
wohnhaften Hereros den günstigen Augenblick
zu einem von langer Hand vorbereiteten, aber streng geheim-
gehaltenen Aufstand, der sich zum opfervollsten Kolonialkrieg ent-
wickelte, den Deutschland bisher geführt hat, und mit der Ver-
nichtung der Hereros endete. Nach ihrer Unterwerfung brach der
Aufstand im Süden unter Marengo aus, und als darauf die Witbooi-
leute von der Schutztruppe desertierten und sich ihm anschlossen,
ja Hendrik Witbooi selbst zu den Waffen griff und in einem regel-
rechten Fehdebrief der deutschen Regierung den Krieg erklärte,
stand das ganze Namaland in hellem Aufstand gegen die deutsche
Herrschaft. Auch dieser wurde niedergeschlagen; und Hendrik
Witbooi
starb an den im Kampfe erhaltenen Wunden, während
Marengo in einem Grenzgefecht mit der Kappolizei getötet wurde.

aufs höchste gestiegen. Die Räubereien der Hottentotten unter
ihrem kühnen Führer Hendrik Witbooi hatten einen bedrohlichen
Umfang angenommen. Hendrik, der Sohn von Moses Witbooi, war
ein begabter Hottentotte, der seine Stellung als Schullehrer auf-
gegeben hatte, um einer angeblich göttlichen Mission zu folgen und
sein Volk zum Siege gegen die Hereros zu führen. 600 mit modernen
Gewehren versehene und gut berittene Krieger scharten sich um
ihn und machten das Schutzgebiet unsicher; sie wurden nicht bloß
den Hereros als Viehräuber gefährlich, sondern fügten auch den
weißen Ansiedlern durch Überfälle von Karawanen und Stationen
großen Schaden zu und lehnten die Aufforderung sich zu unter-
werfen mit Rücksicht auf die geringe Macht der damals im Ent-
stehen begriffenen deutschen Schutztruppe ab. In einem 1 1/2 Jahre
dauernden Kriege wurden sie aber gänzlich unterworfen und Hen-
drik Witbooi
zur bedingungslosen Ergebung gezwungen. Er wurde,
weil er bei seinem Volke als Prophet in hohem Ansehen stand und
großen Anhang besaß, von dem Führer der deutschen Schutztruppe,
dem Major Leutwein, begnadigt und versprach Gehorsam, hat sein
Versprechen auch 10 Jahre lang gehalten und die deutsche Truppe
mit seinen Leuten tatkräftig unterstützt, bis er später während
des großen, fast das gesamte Schutzgebiet umfassenden Aufstandes
zum Abfall sich bewogen fand.

Die letzten großen Unruhen von 1903–1907 begannen mit
der Auflehnung der im äußersten Süden der Kolonie ansässigen
Bondelzwaarts-Hottentotten. Während der größte Teil der Schutz-
truppe gegen sie ins Feld zog, benutzten die im nördlichen Teil
des Schutzgebietes
wohnhaften Hereros den günstigen Augenblick
zu einem von langer Hand vorbereiteten, aber streng geheim-
gehaltenen Aufstand, der sich zum opfervollsten Kolonialkrieg ent-
wickelte, den Deutschland bisher geführt hat, und mit der Ver-
nichtung der Hereros endete. Nach ihrer Unterwerfung brach der
Aufstand im Süden unter Marengo aus, und als darauf die Witbooi-
leute von der Schutztruppe desertierten und sich ihm anschlossen,
ja Hendrik Witbooi selbst zu den Waffen griff und in einem regel-
rechten Fehdebrief der deutschen Regierung den Krieg erklärte,
stand das ganze Namaland in hellem Aufstand gegen die deutsche
Herrschaft. Auch dieser wurde niedergeschlagen; und Hendrik
Witbooi
starb an den im Kampfe erhaltenen Wunden, während
Marengo in einem Grenzgefecht mit der Kappolizei getötet wurde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="&#x2014; 71 &#x2014;" corresp="http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN733267742/00000075"/>
aufs höchste gestiegen. Die Räubereien der Hottentotten unter<lb/>
ihrem kühnen Führer <persName>Hendrik Witbooi</persName> hatten einen bedrohlichen<lb/>
Umfang angenommen. <persName>Hendrik</persName>, der Sohn von <persName>Moses Witbooi</persName>, war<lb/>
ein begabter Hottentotte, der seine Stellung als Schullehrer auf-<lb/>
gegeben hatte, um einer angeblich göttlichen Mission zu folgen und<lb/>
sein Volk zum Siege gegen die Hereros zu führen. 600 mit modernen<lb/>
Gewehren versehene und gut berittene Krieger scharten sich um<lb/>
ihn und machten das <placeName>Schutzgebiet</placeName> unsicher; sie wurden nicht bloß<lb/>
den Hereros als Viehräuber gefährlich, sondern fügten auch den<lb/>
weißen Ansiedlern durch Überfälle von Karawanen und Stationen<lb/>
großen Schaden zu und lehnten die Aufforderung sich zu unter-<lb/>
werfen mit Rücksicht auf die geringe Macht der damals im Ent-<lb/>
stehen begriffenen <orgName>deutschen Schutztruppe</orgName> ab. In einem 1 1/2 Jahre<lb/>
dauernden Kriege wurden sie aber gänzlich unterworfen und <persName>Hen-<lb/>
drik Witbooi</persName> zur bedingungslosen Ergebung gezwungen. Er wurde,<lb/>
weil er bei seinem Volke als Prophet in hohem Ansehen stand und<lb/>
großen Anhang besaß, von dem Führer der deutschen Schutztruppe,<lb/>
dem Major <persName>Leutwein</persName>, begnadigt und versprach Gehorsam, hat sein<lb/>
Versprechen auch 10 Jahre lang gehalten und die deutsche Truppe<lb/>
mit seinen Leuten tatkräftig unterstützt, bis er später während<lb/>
des großen, fast das gesamte Schutzgebiet umfassenden Aufstandes<lb/>
zum Abfall sich bewogen fand.</p><lb/>
        <p>Die letzten großen Unruhen von 1903&#x2013;1907 begannen mit<lb/>
der Auflehnung der im <placeName>äußersten Süden der Kolonie</placeName> ansässigen<lb/>
Bondelzwaarts-Hottentotten. Während der größte Teil der Schutz-<lb/>
truppe gegen sie ins Feld zog, benutzten die im <placeName>nördlichen Teil<lb/>
des Schutzgebietes</placeName> wohnhaften Hereros den günstigen Augenblick<lb/>
zu einem von langer Hand vorbereiteten, aber streng geheim-<lb/>
gehaltenen Aufstand, der sich zum opfervollsten Kolonialkrieg ent-<lb/>
wickelte, den <placeName>Deutschland</placeName> bisher geführt hat, und mit der Ver-<lb/>
nichtung der Hereros endete. Nach ihrer Unterwerfung brach der<lb/>
Aufstand im Süden unter <persName>Marengo</persName> aus, und als darauf die Witbooi-<lb/>
leute von der Schutztruppe desertierten und sich ihm anschlossen,<lb/>
ja <persName>Hendrik Witbooi</persName> selbst zu den Waffen griff und in einem regel-<lb/>
rechten Fehdebrief der <orgName>deutschen Regierung</orgName> den Krieg erklärte,<lb/>
stand das ganze <placeName>Namaland</placeName> in hellem Aufstand gegen die deutsche<lb/>
Herrschaft. Auch dieser wurde niedergeschlagen; und <persName>Hendrik<lb/>
Witbooi</persName> starb an den im Kampfe erhaltenen Wunden, während<lb/><persName>Marengo</persName> in einem Grenzgefecht mit der Kappolizei getötet wurde.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[— 71 —/0075] aufs höchste gestiegen. Die Räubereien der Hottentotten unter ihrem kühnen Führer Hendrik Witbooi hatten einen bedrohlichen Umfang angenommen. Hendrik, der Sohn von Moses Witbooi, war ein begabter Hottentotte, der seine Stellung als Schullehrer auf- gegeben hatte, um einer angeblich göttlichen Mission zu folgen und sein Volk zum Siege gegen die Hereros zu führen. 600 mit modernen Gewehren versehene und gut berittene Krieger scharten sich um ihn und machten das Schutzgebiet unsicher; sie wurden nicht bloß den Hereros als Viehräuber gefährlich, sondern fügten auch den weißen Ansiedlern durch Überfälle von Karawanen und Stationen großen Schaden zu und lehnten die Aufforderung sich zu unter- werfen mit Rücksicht auf die geringe Macht der damals im Ent- stehen begriffenen deutschen Schutztruppe ab. In einem 1 1/2 Jahre dauernden Kriege wurden sie aber gänzlich unterworfen und Hen- drik Witbooi zur bedingungslosen Ergebung gezwungen. Er wurde, weil er bei seinem Volke als Prophet in hohem Ansehen stand und großen Anhang besaß, von dem Führer der deutschen Schutztruppe, dem Major Leutwein, begnadigt und versprach Gehorsam, hat sein Versprechen auch 10 Jahre lang gehalten und die deutsche Truppe mit seinen Leuten tatkräftig unterstützt, bis er später während des großen, fast das gesamte Schutzgebiet umfassenden Aufstandes zum Abfall sich bewogen fand. Die letzten großen Unruhen von 1903–1907 begannen mit der Auflehnung der im äußersten Süden der Kolonie ansässigen Bondelzwaarts-Hottentotten. Während der größte Teil der Schutz- truppe gegen sie ins Feld zog, benutzten die im nördlichen Teil des Schutzgebietes wohnhaften Hereros den günstigen Augenblick zu einem von langer Hand vorbereiteten, aber streng geheim- gehaltenen Aufstand, der sich zum opfervollsten Kolonialkrieg ent- wickelte, den Deutschland bisher geführt hat, und mit der Ver- nichtung der Hereros endete. Nach ihrer Unterwerfung brach der Aufstand im Süden unter Marengo aus, und als darauf die Witbooi- leute von der Schutztruppe desertierten und sich ihm anschlossen, ja Hendrik Witbooi selbst zu den Waffen griff und in einem regel- rechten Fehdebrief der deutschen Regierung den Krieg erklärte, stand das ganze Namaland in hellem Aufstand gegen die deutsche Herrschaft. Auch dieser wurde niedergeschlagen; und Hendrik Witbooi starb an den im Kampfe erhaltenen Wunden, während Marengo in einem Grenzgefecht mit der Kappolizei getötet wurde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-07-21T13:10:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Maret Keller, Christian Wachter, Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-21T13:10:17Z)
CLARIN-D: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: ignoriert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/75
Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 71 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/75>, abgerufen am 18.04.2024.