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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Fähigkeiten des Subjekts.
und seiner Mannigfaltigkeiten gewohnt waren, haben diese aus Ueberdruß oder an-
deren Ursachen verlassen und sich der Landwirthschaft widmen wollen; aber sie fanden
die Pflichten und Entbehrungen bald zu schwer für sich, und gaben ihr Unternehmen
ganz oder theilweise auf, nicht ohne schmerzlichen Verlust. Unter denen, die in
Städten höher ausgebildet waren, habe ich nur solche ihrem Vorsatze getreu und in
der Ausführung glücklich befunden, die sich der Neigung, in der Natur zu leben,
was bei dem Gebildeten ohne gründliche Kenntniß derselben nicht geschehen kann,
ganz hingaben.

§. 38.

Erwerbung
der Kennt-
nisse.
Der Mann, der jene Talente, mit dieser Neigung verbunden, in sich wahr-
nimmt; der Jüngling, der die Anlage dazu äußert, wird sich mit großem Erfolge
der Landwirthschaft widmen, und das höhere Ziel darin erreichen, wenn er sich eine
vollständige Kenntniß davon erwirbt. Es frägt sich also, wie diese am sichersten
erworben werde.

§. 39.

Man erwirbt sie ohne Zweifel am leichtesten und natürlichsten, wenn ein bloß
sinnlicher und mechanischer Unterricht und Uebung oder eigentliche Erziehung zur
Landwirthschaft dem wissenschaftlichen Unterricht vorhergeht. Dennoch haben wir der
Beispiele sehr viele, daß, bei einer der landwirthschaftlichen ganz entgegengesetzten
Erziehung und vormaligen Beschäftigung, sich Männer von entschiedenem Talent
und Neigung, vermöge eines ganz wissenschaftlichen Unterrichts, zu großen Land-
wirthen gebildet, und sogar vor ältern einsichtsvollen Landwirthen in kurzer Zeit den
Vorsprung gewonnen haben. Die Wissenschaft eröffnete ihnen Ansichten, welche die
Rutine übersah, und schärfte ihre Augen, dasjenige klar und bestimmt zu erkennen,
wobei sich lange Uebung mit dunklerm Gefühle begnügt hatte.

Mehrentheils haben sie zwar bei einzelnen Theilen anfangs Fehler begangen
und Lehrgeld zahlen müssen, woran aber das Mangelhafte des bisherig wissenschaft-
lichen Unterrichts nur Schuld war.

§. 40.

Erziehung zur
Landwirth-
schaft.
Bei gleichen Talenten und gleichem wissenschaftlichen Unterricht muß jedoch der-
jenige immer den Vorzug haben, welcher ohne Vernachläßigung der übrigen Ausbil-
dung in der ersten Jugend schon der Erziehung zum Landwirth genossen hat. Diese
Erziehung erhalte der Jüngling von funfzehn Jahren in einer sehr betriebsamen, aus

mannig-

Faͤhigkeiten des Subjekts.
und ſeiner Mannigfaltigkeiten gewohnt waren, haben dieſe aus Ueberdruß oder an-
deren Urſachen verlaſſen und ſich der Landwirthſchaft widmen wollen; aber ſie fanden
die Pflichten und Entbehrungen bald zu ſchwer fuͤr ſich, und gaben ihr Unternehmen
ganz oder theilweiſe auf, nicht ohne ſchmerzlichen Verluſt. Unter denen, die in
Staͤdten hoͤher ausgebildet waren, habe ich nur ſolche ihrem Vorſatze getreu und in
der Ausfuͤhrung gluͤcklich befunden, die ſich der Neigung, in der Natur zu leben,
was bei dem Gebildeten ohne gruͤndliche Kenntniß derſelben nicht geſchehen kann,
ganz hingaben.

§. 38.

Erwerbung
der Kennt-
niſſe.
Der Mann, der jene Talente, mit dieſer Neigung verbunden, in ſich wahr-
nimmt; der Juͤngling, der die Anlage dazu aͤußert, wird ſich mit großem Erfolge
der Landwirthſchaft widmen, und das hoͤhere Ziel darin erreichen, wenn er ſich eine
vollſtaͤndige Kenntniß davon erwirbt. Es fraͤgt ſich alſo, wie dieſe am ſicherſten
erworben werde.

§. 39.

Man erwirbt ſie ohne Zweifel am leichteſten und natuͤrlichſten, wenn ein bloß
ſinnlicher und mechaniſcher Unterricht und Uebung oder eigentliche Erziehung zur
Landwirthſchaft dem wiſſenſchaftlichen Unterricht vorhergeht. Dennoch haben wir der
Beiſpiele ſehr viele, daß, bei einer der landwirthſchaftlichen ganz entgegengeſetzten
Erziehung und vormaligen Beſchaͤftigung, ſich Maͤnner von entſchiedenem Talent
und Neigung, vermoͤge eines ganz wiſſenſchaftlichen Unterrichts, zu großen Land-
wirthen gebildet, und ſogar vor aͤltern einſichtsvollen Landwirthen in kurzer Zeit den
Vorſprung gewonnen haben. Die Wiſſenſchaft eroͤffnete ihnen Anſichten, welche die
Rutine uͤberſah, und ſchaͤrfte ihre Augen, dasjenige klar und beſtimmt zu erkennen,
wobei ſich lange Uebung mit dunklerm Gefuͤhle begnuͤgt hatte.

Mehrentheils haben ſie zwar bei einzelnen Theilen anfangs Fehler begangen
und Lehrgeld zahlen muͤſſen, woran aber das Mangelhafte des bisherig wiſſenſchaft-
lichen Unterrichts nur Schuld war.

§. 40.

Erziehung zur
Landwirth-
ſchaft.
Bei gleichen Talenten und gleichem wiſſenſchaftlichen Unterricht muß jedoch der-
jenige immer den Vorzug haben, welcher ohne Vernachlaͤßigung der uͤbrigen Ausbil-
dung in der erſten Jugend ſchon der Erziehung zum Landwirth genoſſen hat. Dieſe
Erziehung erhalte der Juͤngling von funfzehn Jahren in einer ſehr betriebſamen, aus

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[16/0046] Faͤhigkeiten des Subjekts. und ſeiner Mannigfaltigkeiten gewohnt waren, haben dieſe aus Ueberdruß oder an- deren Urſachen verlaſſen und ſich der Landwirthſchaft widmen wollen; aber ſie fanden die Pflichten und Entbehrungen bald zu ſchwer fuͤr ſich, und gaben ihr Unternehmen ganz oder theilweiſe auf, nicht ohne ſchmerzlichen Verluſt. Unter denen, die in Staͤdten hoͤher ausgebildet waren, habe ich nur ſolche ihrem Vorſatze getreu und in der Ausfuͤhrung gluͤcklich befunden, die ſich der Neigung, in der Natur zu leben, was bei dem Gebildeten ohne gruͤndliche Kenntniß derſelben nicht geſchehen kann, ganz hingaben. §. 38. Der Mann, der jene Talente, mit dieſer Neigung verbunden, in ſich wahr- nimmt; der Juͤngling, der die Anlage dazu aͤußert, wird ſich mit großem Erfolge der Landwirthſchaft widmen, und das hoͤhere Ziel darin erreichen, wenn er ſich eine vollſtaͤndige Kenntniß davon erwirbt. Es fraͤgt ſich alſo, wie dieſe am ſicherſten erworben werde. Erwerbung der Kennt- niſſe. §. 39. Man erwirbt ſie ohne Zweifel am leichteſten und natuͤrlichſten, wenn ein bloß ſinnlicher und mechaniſcher Unterricht und Uebung oder eigentliche Erziehung zur Landwirthſchaft dem wiſſenſchaftlichen Unterricht vorhergeht. Dennoch haben wir der Beiſpiele ſehr viele, daß, bei einer der landwirthſchaftlichen ganz entgegengeſetzten Erziehung und vormaligen Beſchaͤftigung, ſich Maͤnner von entſchiedenem Talent und Neigung, vermoͤge eines ganz wiſſenſchaftlichen Unterrichts, zu großen Land- wirthen gebildet, und ſogar vor aͤltern einſichtsvollen Landwirthen in kurzer Zeit den Vorſprung gewonnen haben. Die Wiſſenſchaft eroͤffnete ihnen Anſichten, welche die Rutine uͤberſah, und ſchaͤrfte ihre Augen, dasjenige klar und beſtimmt zu erkennen, wobei ſich lange Uebung mit dunklerm Gefuͤhle begnuͤgt hatte. Mehrentheils haben ſie zwar bei einzelnen Theilen anfangs Fehler begangen und Lehrgeld zahlen muͤſſen, woran aber das Mangelhafte des bisherig wiſſenſchaft- lichen Unterrichts nur Schuld war. §. 40. Bei gleichen Talenten und gleichem wiſſenſchaftlichen Unterricht muß jedoch der- jenige immer den Vorzug haben, welcher ohne Vernachlaͤßigung der uͤbrigen Ausbil- dung in der erſten Jugend ſchon der Erziehung zum Landwirth genoſſen hat. Dieſe Erziehung erhalte der Juͤngling von funfzehn Jahren in einer ſehr betriebſamen, aus mannig- Erziehung zur Landwirth- ſchaft.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/46>, abgerufen am 28.03.2024.