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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Fähigkeiten des Subjekts.
abweichendsten Gebräuche, Einrichtungen und Meinungen herrschen, vereinigt sich
hier eine lebendige Masse von Kenntnissen und Erfahrungen, zuweilen auch von
Vorurtheilen und Meinungen, die anfangs eine ungemeine Gährung in allen Köpfen
erregt, aus welcher aber bei gehöriger Leitung derselben bald ein klarer, reiner und
allgemeiner Geist hervorgeht, der sich allen mittheilt und allen dasselbe Ideal der mög-
lichsten Vollkommenheit darstellt, nur daß jeder durch eigne Ideenverbindung solches
nach seiner Individualität und Lokalität anders modifizirt und zu erreichen strebt.
Ein solches Zusammentreten übertrifft bei weitem den Nutzen des Reisens selbst.

Ist eine Anstalt zu diesem Ruse gelangt, so wird sie nicht bloß Lehrlinge herbei-
ziehn, sondern auch Meister, denen sie Unterhaltung und Vortheil genug gewäh-
ren muß, um sie auf längere Zeit an sich zu halten. Dies thut vorzüglich große
Wirkung auf die noch minder festen, befestigt sie in ihrem Glauben, verstärkt ihr Be-
streben, und wirft ein reizenderes Licht auf das Ideal, welches die Lehre ihnen
hier aufgestellt hat.

Wären Anstalten dieser Art einmal dahin gelangt, so würde sich, von ihnen
aus, die Wissenschaft auf die sicherste Weise über die civilisirte Welt verbreiten; die
Praxis durch solche bald eine bessere Richtung und mehrere Sicherheit bekommen;
veraltete, den Ackerbau durchaus niederdrückende Einrichtungen, durch bessere Ein-
sicht der Regierenden aufgehoben, und so Reichthum über die Fluren und Wohlstand
über die Völker ergossen werden. Hier gebildete und von Liebe für vollkommnere
Landwirthschaft begeisterte Männer würden als Apostel derselben in die Welt aus-
gehen, und den Glauben durch Lehre und Thaten, durch Weissagung und Wunder
verbreiten.

Ueber die Lehre und das Studium der Landwirthschaft vergl. Annalen des
Ackerbaues, I. Bd. 227 S.

Das Kapital.
§. 46.

Nächst der Fähigkeit des die Landwirthschaft betreibenden Subjekts ist das
Kapital die wesentlichste Bedingung des Betriebes; denn der Vortheil und Erfolg
steht bei gleichen Talenten des Betreibenden immer in Verhältniß mit dem dazu ange-

Faͤhigkeiten des Subjekts.
abweichendſten Gebraͤuche, Einrichtungen und Meinungen herrſchen, vereinigt ſich
hier eine lebendige Maſſe von Kenntniſſen und Erfahrungen, zuweilen auch von
Vorurtheilen und Meinungen, die anfangs eine ungemeine Gaͤhrung in allen Koͤpfen
erregt, aus welcher aber bei gehoͤriger Leitung derſelben bald ein klarer, reiner und
allgemeiner Geiſt hervorgeht, der ſich allen mittheilt und allen daſſelbe Ideal der moͤg-
lichſten Vollkommenheit darſtellt, nur daß jeder durch eigne Ideenverbindung ſolches
nach ſeiner Individualitaͤt und Lokalitaͤt anders modifizirt und zu erreichen ſtrebt.
Ein ſolches Zuſammentreten uͤbertrifft bei weitem den Nutzen des Reiſens ſelbſt.

Iſt eine Anſtalt zu dieſem Ruſe gelangt, ſo wird ſie nicht bloß Lehrlinge herbei-
ziehn, ſondern auch Meiſter, denen ſie Unterhaltung und Vortheil genug gewaͤh-
ren muß, um ſie auf laͤngere Zeit an ſich zu halten. Dies thut vorzuͤglich große
Wirkung auf die noch minder feſten, befeſtigt ſie in ihrem Glauben, verſtaͤrkt ihr Be-
ſtreben, und wirft ein reizenderes Licht auf das Ideal, welches die Lehre ihnen
hier aufgeſtellt hat.

Waͤren Anſtalten dieſer Art einmal dahin gelangt, ſo wuͤrde ſich, von ihnen
aus, die Wiſſenſchaft auf die ſicherſte Weiſe uͤber die civiliſirte Welt verbreiten; die
Praxis durch ſolche bald eine beſſere Richtung und mehrere Sicherheit bekommen;
veraltete, den Ackerbau durchaus niederdruͤckende Einrichtungen, durch beſſere Ein-
ſicht der Regierenden aufgehoben, und ſo Reichthum uͤber die Fluren und Wohlſtand
uͤber die Voͤlker ergoſſen werden. Hier gebildete und von Liebe fuͤr vollkommnere
Landwirthſchaft begeiſterte Maͤnner wuͤrden als Apoſtel derſelben in die Welt aus-
gehen, und den Glauben durch Lehre und Thaten, durch Weiſſagung und Wunder
verbreiten.

Ueber die Lehre und das Studium der Landwirthſchaft vergl. Annalen des
Ackerbaues, I. Bd. 227 S.

Das Kapital.
§. 46.

Naͤchſt der Faͤhigkeit des die Landwirthſchaft betreibenden Subjekts iſt das
Kapital die weſentlichſte Bedingung des Betriebes; denn der Vortheil und Erfolg
ſteht bei gleichen Talenten des Betreibenden immer in Verhaͤltniß mit dem dazu ange-

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[23/0053] Faͤhigkeiten des Subjekts. abweichendſten Gebraͤuche, Einrichtungen und Meinungen herrſchen, vereinigt ſich hier eine lebendige Maſſe von Kenntniſſen und Erfahrungen, zuweilen auch von Vorurtheilen und Meinungen, die anfangs eine ungemeine Gaͤhrung in allen Koͤpfen erregt, aus welcher aber bei gehoͤriger Leitung derſelben bald ein klarer, reiner und allgemeiner Geiſt hervorgeht, der ſich allen mittheilt und allen daſſelbe Ideal der moͤg- lichſten Vollkommenheit darſtellt, nur daß jeder durch eigne Ideenverbindung ſolches nach ſeiner Individualitaͤt und Lokalitaͤt anders modifizirt und zu erreichen ſtrebt. Ein ſolches Zuſammentreten uͤbertrifft bei weitem den Nutzen des Reiſens ſelbſt. Iſt eine Anſtalt zu dieſem Ruſe gelangt, ſo wird ſie nicht bloß Lehrlinge herbei- ziehn, ſondern auch Meiſter, denen ſie Unterhaltung und Vortheil genug gewaͤh- ren muß, um ſie auf laͤngere Zeit an ſich zu halten. Dies thut vorzuͤglich große Wirkung auf die noch minder feſten, befeſtigt ſie in ihrem Glauben, verſtaͤrkt ihr Be- ſtreben, und wirft ein reizenderes Licht auf das Ideal, welches die Lehre ihnen hier aufgeſtellt hat. Waͤren Anſtalten dieſer Art einmal dahin gelangt, ſo wuͤrde ſich, von ihnen aus, die Wiſſenſchaft auf die ſicherſte Weiſe uͤber die civiliſirte Welt verbreiten; die Praxis durch ſolche bald eine beſſere Richtung und mehrere Sicherheit bekommen; veraltete, den Ackerbau durchaus niederdruͤckende Einrichtungen, durch beſſere Ein- ſicht der Regierenden aufgehoben, und ſo Reichthum uͤber die Fluren und Wohlſtand uͤber die Voͤlker ergoſſen werden. Hier gebildete und von Liebe fuͤr vollkommnere Landwirthſchaft begeiſterte Maͤnner wuͤrden als Apoſtel derſelben in die Welt aus- gehen, und den Glauben durch Lehre und Thaten, durch Weiſſagung und Wunder verbreiten. Ueber die Lehre und das Studium der Landwirthſchaft vergl. Annalen des Ackerbaues, I. Bd. 227 S. Das Kapital. §. 46. Naͤchſt der Faͤhigkeit des die Landwirthſchaft betreibenden Subjekts iſt das Kapital die weſentlichſte Bedingung des Betriebes; denn der Vortheil und Erfolg ſteht bei gleichen Talenten des Betreibenden immer in Verhaͤltniß mit dem dazu ange-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/53>, abgerufen am 28.03.2024.