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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Kapital.
§. 55.

Das Betriebskapital giebt oft einen Ertrag, den man häufig übersieht, indem
solcher nicht baar in die Kasse zurückkommt, sondern unmittelbar zum Grundkapitale
geschlagen, oder zur Verbesserung des Gutswerths angelegt wird. Wird Geld oder
Arbeit direkte auf Meliorationen verwandt, so fällt es zwar bei genauerer Rechnungs-
führung wohl in die Augen; weniger aber, wenn man durch Aufopferung eines
Theils des Ertrages die Kraft des Bodens vermehrt, indem man statt einer verkäuf-
lichen Frucht, die den Boden erschöpft, eine andere baut, die seine Kraft nicht nur
erhält, sondern auch durch Umwandlung in Dünger beträchtlich vermehrt. Weil
aber hierdurch das Betriebskapital zum Vortheile des Grundkapitals vorerst vermin-
dert wird, so muß jenes um so höher seyn oder beständigen Zufluß erhalten.

Hierin liegt eigentlich der Grund, warum man sagt, daß bei dem Uebergange
zu einem bessern Ackersystem, insbesondere auf erschöpftem Boden, immer Verlust
sey. Es ist aber kein Verlust, sondern eine Anlage in das Grundkapital, die, mit
gehöriger Ueberlegung gemacht, allemal einen großen Gewinn giebt. Jedoch kann
sie das Betriebskapital, wenn es zu schwach angelegt ist, und keine Zuschüsse erhält,
leicht erschöpfen. Solche Verbesserungen vermehren in der Regel den Kredit nicht
gleich, und deshalb ist mancher dadurch banquerott geworden, dessen Kredit schon
vorher zu sehr gespannt war, wenn er im Uebrigen gleich richtig verfuhr. Der Feh-
ler lag nur darin, daß er etwas Größeres unternahm, als wozu sein Betriebs-
kapital reichte.

So werden aus Mangel dieses Kapitals fast alle große Verbesserungen gehin-
dert, um so mehr, je größer die Güter sind. Die Unvermögendern können es nicht
finden, weil der Kapitalist in der Verwendung auf Verbesserungen keine Sicherheit
findet. Die reichern Gutsbesitzer glauben es nicht zu können, weil sie sich zu einem
Aufwande gewissermaßen verpflichtet halten, der ihre Rente mindestens konsumirt.
Sie denken nur auf den jährlichen baaren Geld-Ertrag, und wollen diesen in keinem
Jahre geschmälert haben, gleich als lebten sie von Leibrenten, und ginge sie das
Kapital nichts an. Noch andre wollen es nicht, weil sie vom Einkommen und Ka-
pitale einen einseitigen Begriff haben, und sich darunter nur baares Geld, was
zinsbar belegt werden kann, denken. Daher geldgeizige Wirthe in der Regel immer
schlechte Wirthe sind, und es am deutlichsten beweisen, daß Geiz die Wurzel
alles Uebels sey.


Das Kapital.
§. 55.

Das Betriebskapital giebt oft einen Ertrag, den man haͤufig uͤberſieht, indem
ſolcher nicht baar in die Kaſſe zuruͤckkommt, ſondern unmittelbar zum Grundkapitale
geſchlagen, oder zur Verbeſſerung des Gutswerths angelegt wird. Wird Geld oder
Arbeit direkte auf Meliorationen verwandt, ſo faͤllt es zwar bei genauerer Rechnungs-
fuͤhrung wohl in die Augen; weniger aber, wenn man durch Aufopferung eines
Theils des Ertrages die Kraft des Bodens vermehrt, indem man ſtatt einer verkaͤuf-
lichen Frucht, die den Boden erſchoͤpft, eine andere baut, die ſeine Kraft nicht nur
erhaͤlt, ſondern auch durch Umwandlung in Duͤnger betraͤchtlich vermehrt. Weil
aber hierdurch das Betriebskapital zum Vortheile des Grundkapitals vorerſt vermin-
dert wird, ſo muß jenes um ſo hoͤher ſeyn oder beſtaͤndigen Zufluß erhalten.

Hierin liegt eigentlich der Grund, warum man ſagt, daß bei dem Uebergange
zu einem beſſern Ackerſyſtem, insbeſondere auf erſchoͤpftem Boden, immer Verluſt
ſey. Es iſt aber kein Verluſt, ſondern eine Anlage in das Grundkapital, die, mit
gehoͤriger Ueberlegung gemacht, allemal einen großen Gewinn giebt. Jedoch kann
ſie das Betriebskapital, wenn es zu ſchwach angelegt iſt, und keine Zuſchuͤſſe erhaͤlt,
leicht erſchoͤpfen. Solche Verbeſſerungen vermehren in der Regel den Kredit nicht
gleich, und deshalb iſt mancher dadurch banquerott geworden, deſſen Kredit ſchon
vorher zu ſehr geſpannt war, wenn er im Uebrigen gleich richtig verfuhr. Der Feh-
ler lag nur darin, daß er etwas Groͤßeres unternahm, als wozu ſein Betriebs-
kapital reichte.

So werden aus Mangel dieſes Kapitals faſt alle große Verbeſſerungen gehin-
dert, um ſo mehr, je groͤßer die Guͤter ſind. Die Unvermoͤgendern koͤnnen es nicht
finden, weil der Kapitaliſt in der Verwendung auf Verbeſſerungen keine Sicherheit
findet. Die reichern Gutsbeſitzer glauben es nicht zu koͤnnen, weil ſie ſich zu einem
Aufwande gewiſſermaßen verpflichtet halten, der ihre Rente mindeſtens konſumirt.
Sie denken nur auf den jaͤhrlichen baaren Geld-Ertrag, und wollen dieſen in keinem
Jahre geſchmaͤlert haben, gleich als lebten ſie von Leibrenten, und ginge ſie das
Kapital nichts an. Noch andre wollen es nicht, weil ſie vom Einkommen und Ka-
pitale einen einſeitigen Begriff haben, und ſich darunter nur baares Geld, was
zinsbar belegt werden kann, denken. Daher geldgeizige Wirthe in der Regel immer
ſchlechte Wirthe ſind, und es am deutlichſten beweiſen, daß Geiz die Wurzel
alles Uebels ſey.


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[29/0059] Das Kapital. §. 55. Das Betriebskapital giebt oft einen Ertrag, den man haͤufig uͤberſieht, indem ſolcher nicht baar in die Kaſſe zuruͤckkommt, ſondern unmittelbar zum Grundkapitale geſchlagen, oder zur Verbeſſerung des Gutswerths angelegt wird. Wird Geld oder Arbeit direkte auf Meliorationen verwandt, ſo faͤllt es zwar bei genauerer Rechnungs- fuͤhrung wohl in die Augen; weniger aber, wenn man durch Aufopferung eines Theils des Ertrages die Kraft des Bodens vermehrt, indem man ſtatt einer verkaͤuf- lichen Frucht, die den Boden erſchoͤpft, eine andere baut, die ſeine Kraft nicht nur erhaͤlt, ſondern auch durch Umwandlung in Duͤnger betraͤchtlich vermehrt. Weil aber hierdurch das Betriebskapital zum Vortheile des Grundkapitals vorerſt vermin- dert wird, ſo muß jenes um ſo hoͤher ſeyn oder beſtaͤndigen Zufluß erhalten. Hierin liegt eigentlich der Grund, warum man ſagt, daß bei dem Uebergange zu einem beſſern Ackerſyſtem, insbeſondere auf erſchoͤpftem Boden, immer Verluſt ſey. Es iſt aber kein Verluſt, ſondern eine Anlage in das Grundkapital, die, mit gehoͤriger Ueberlegung gemacht, allemal einen großen Gewinn giebt. Jedoch kann ſie das Betriebskapital, wenn es zu ſchwach angelegt iſt, und keine Zuſchuͤſſe erhaͤlt, leicht erſchoͤpfen. Solche Verbeſſerungen vermehren in der Regel den Kredit nicht gleich, und deshalb iſt mancher dadurch banquerott geworden, deſſen Kredit ſchon vorher zu ſehr geſpannt war, wenn er im Uebrigen gleich richtig verfuhr. Der Feh- ler lag nur darin, daß er etwas Groͤßeres unternahm, als wozu ſein Betriebs- kapital reichte. So werden aus Mangel dieſes Kapitals faſt alle große Verbeſſerungen gehin- dert, um ſo mehr, je groͤßer die Guͤter ſind. Die Unvermoͤgendern koͤnnen es nicht finden, weil der Kapitaliſt in der Verwendung auf Verbeſſerungen keine Sicherheit findet. Die reichern Gutsbeſitzer glauben es nicht zu koͤnnen, weil ſie ſich zu einem Aufwande gewiſſermaßen verpflichtet halten, der ihre Rente mindeſtens konſumirt. Sie denken nur auf den jaͤhrlichen baaren Geld-Ertrag, und wollen dieſen in keinem Jahre geſchmaͤlert haben, gleich als lebten ſie von Leibrenten, und ginge ſie das Kapital nichts an. Noch andre wollen es nicht, weil ſie vom Einkommen und Ka- pitale einen einſeitigen Begriff haben, und ſich darunter nur baares Geld, was zinsbar belegt werden kann, denken. Daher geldgeizige Wirthe in der Regel immer ſchlechte Wirthe ſind, und es am deutlichſten beweiſen, daß Geiz die Wurzel alles Uebels ſey.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/59>, abgerufen am 19.04.2024.