Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

Bild:
<< vorherige Seite


Meine Herren

ES ist kein Zweiffel/ und schon von
vielen angemercket worden/ daß wenn un-
sere Vorfahren die alten Teutschen anitzo
auferstehen und in Teutschland kommen
solten/ ihnen im geringsten nicht düncken
würde/ daß sie in ihren Vaterlande und bey
ihren Landsleuten wären/ sondern sie wür-
den sich vielmehr einbilden/ daß sie in einem
frembden Lande bey unbekanten und gantz andern Menschen sich
auf hielten; so grosse Enderungen sind/ ich will nicht sagen/ in
tausend/ sondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fürge-
gangen/ unter welchen nicht die geringste ist/ daß da für diesem die
Frantzosen bey denen Teutschen in keine sonderliche Hochachtung
kommen/ heut zu Tage alles bey uns Frantzösisch seyn muß. Fran-
tzösische Kleider/ Frantzösische Speisen/ Frantzösischer Haußrath/
Frantzösische Sprachen/ Frantzösische Sitten/ Frantzösische
Sünden ja gar Frantzösische Kranckheiten sind durchgehends im
Schwange. Solten wir uns nun nicht billig schämen (so wir ja
nichts anders bedencken wolten) daß wenn unsere Vorfahren ei-
nen Blick in die ietzige Welt thun solten/ sie an statt ihres gleichen
in Teutschland anzutreffen dasselbige mit teutschen Frantz-Män-
nern besetzet finden würden/ welche von denen uralten Gebräu-
then so gar abgewichen sind/ daß von selbigen fast nicht das ge-

ringste
A 2


Meine Herren

ES iſt kein Zweiffel/ und ſchon von
vielen angemercket worden/ daß wenn un-
ſere Vorfahren die alten Teutſchen anitzo
auferſtehen und in Teutſchland kommen
ſolten/ ihnen im geringſten nicht duͤncken
wuͤrde/ daß ſie in ihren Vaterlande und bey
ihren Landsleuten waͤren/ ſondern ſie wuͤr-
den ſich vielmehr einbilden/ daß ſie in einem
frembden Lande bey unbekanten und gantz andern Menſchen ſich
auf hielten; ſo groſſe Enderungen ſind/ ich will nicht ſagen/ in
tauſend/ ſondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fuͤrge-
gangen/ unter welchen nicht die geringſte iſt/ daß da fuͤr dieſem die
Frantzoſen bey denen Teutſchen in keine ſonderliche Hochachtung
kom̄en/ heut zu Tage alles bey uns Frantzoͤſiſch ſeyn muß. Fran-
tzoͤſiſche Kleider/ Frantzoͤſiſche Speiſen/ Frantzoͤſiſcher Haußrath/
Frantzoͤſiſche Sprachen/ Frantzoͤſiſche Sitten/ Frantzoͤſiſche
Suͤnden ja gar Frantzoͤſiſche Kranckheiten ſind durchgehends im
Schwange. Solten wir uns nun nicht billig ſchaͤmen (ſo wir ja
nichts anders bedencken wolten) daß wenn unſere Vorfahren ei-
nen Blick in die ietzige Welt thun ſolten/ ſie an ſtatt ihres gleichen
in Teutſchland anzutreffen daſſelbige mit teutſchen Frantz-Maͤn-
nern beſetzet finden wuͤrden/ welche von denen uralten Gebraͤu-
then ſo gar abgewichen ſind/ daß von ſelbigen faſt nicht das ge-

ringſte
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0005" n="3"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Meine Herren</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t kein Zweiffel/ und &#x017F;chon von<lb/>
vielen angemercket worden/ daß wenn un-<lb/>
&#x017F;ere Vorfahren die alten Teut&#x017F;chen anitzo<lb/>
aufer&#x017F;tehen und in Teut&#x017F;chland kommen<lb/>
&#x017F;olten/ ihnen im gering&#x017F;ten nicht du&#x0364;ncken<lb/>
wu&#x0364;rde/ daß &#x017F;ie in ihren Vaterlande und bey<lb/>
ihren Landsleuten wa&#x0364;ren/ &#x017F;ondern &#x017F;ie wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ich vielmehr einbilden/ daß &#x017F;ie in einem<lb/>
frembden Lande bey unbekanten und gantz andern Men&#x017F;chen &#x017F;ich<lb/>
auf hielten; &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Enderungen &#x017F;ind/ ich will nicht &#x017F;agen/ in<lb/>
tau&#x017F;end/ &#x017F;ondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fu&#x0364;rge-<lb/>
gangen/ unter welchen nicht die gering&#x017F;te i&#x017F;t/ daß da fu&#x0364;r die&#x017F;em die<lb/>
Frantzo&#x017F;en bey denen Teut&#x017F;chen in keine &#x017F;onderliche Hochachtung<lb/>
kom&#x0304;en/ heut zu Tage alles bey uns Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch &#x017F;eyn muß. Fran-<lb/>
tzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Kleider/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Spei&#x017F;en/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Haußrath/<lb/>
Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Sprachen/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Sitten/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Su&#x0364;nden ja gar Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Kranckheiten &#x017F;ind durchgehends im<lb/>
Schwange. Solten wir uns nun nicht billig &#x017F;cha&#x0364;men (&#x017F;o wir ja<lb/>
nichts anders bedencken wolten) daß wenn un&#x017F;ere Vorfahren ei-<lb/>
nen Blick in die ietzige Welt thun &#x017F;olten/ &#x017F;ie an &#x017F;tatt ihres gleichen<lb/>
in Teut&#x017F;chland anzutreffen da&#x017F;&#x017F;elbige mit teut&#x017F;chen Frantz-Ma&#x0364;n-<lb/>
nern be&#x017F;etzet finden wu&#x0364;rden/ welche von denen uralten Gebra&#x0364;u-<lb/>
then &#x017F;o gar abgewichen &#x017F;ind/ daß von &#x017F;elbigen fa&#x017F;t nicht das ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ring&#x017F;te</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0005] Meine Herren ES iſt kein Zweiffel/ und ſchon von vielen angemercket worden/ daß wenn un- ſere Vorfahren die alten Teutſchen anitzo auferſtehen und in Teutſchland kommen ſolten/ ihnen im geringſten nicht duͤncken wuͤrde/ daß ſie in ihren Vaterlande und bey ihren Landsleuten waͤren/ ſondern ſie wuͤr- den ſich vielmehr einbilden/ daß ſie in einem frembden Lande bey unbekanten und gantz andern Menſchen ſich auf hielten; ſo groſſe Enderungen ſind/ ich will nicht ſagen/ in tauſend/ ſondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fuͤrge- gangen/ unter welchen nicht die geringſte iſt/ daß da fuͤr dieſem die Frantzoſen bey denen Teutſchen in keine ſonderliche Hochachtung kom̄en/ heut zu Tage alles bey uns Frantzoͤſiſch ſeyn muß. Fran- tzoͤſiſche Kleider/ Frantzoͤſiſche Speiſen/ Frantzoͤſiſcher Haußrath/ Frantzoͤſiſche Sprachen/ Frantzoͤſiſche Sitten/ Frantzoͤſiſche Suͤnden ja gar Frantzoͤſiſche Kranckheiten ſind durchgehends im Schwange. Solten wir uns nun nicht billig ſchaͤmen (ſo wir ja nichts anders bedencken wolten) daß wenn unſere Vorfahren ei- nen Blick in die ietzige Welt thun ſolten/ ſie an ſtatt ihres gleichen in Teutſchland anzutreffen daſſelbige mit teutſchen Frantz-Maͤn- nern beſetzet finden wuͤrden/ welche von denen uralten Gebraͤu- then ſo gar abgewichen ſind/ daß von ſelbigen faſt nicht das ge- ringſte A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/5
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/5>, abgerufen am 28.03.2024.