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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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nicht, auch wohl schwerlich zu hoffen hätte, daß Anna mit dem Reinigungs-Eyd loß kommen solte, sondern daß es noch sehr viel Fleiß und Nachdencken brauchen würde, biß man die Sache (Ehrlicher und Christlicher Weise ohne die Richter zu corrumpiren, und ohne Rabulistischer Streiche sich zu bedienen) dahin würde bringen können, daß Inquisita mit der territione verbali loß käme. Denn ob gleich die in denen Amts-actis zusammen gesuchte Dinge zu elidiren eben so schwer nicht seyn würde; so ware mir doch der rigor des 13. Artickels der P. H. O. sehr in Wege, und würde ich alle vires ingenii darzu anwenden müssen, wenn ich denselben von gegenwärtigen casu mit Nachdruck ableinen wolte.

Nachricht von dem, was mit des todten Kindes Lunge probiret worden, und was daraus zu praesumiren.

§. VI. Als ich nun diesen meinen Schluß, so bald ich in Leipzig wieder angekommen war, der stupratae Vater und dessen Freunde entdeckte, und Ihnen dißfalls klaren Wein einschenckte, auch Ihnen freystellete, ob Sie gedächten, einen andern Advocaten zu bekommen, von dem Sie sich bessern success zu versichern hätten; Sie aber mich nochmahlen ersuchten, die Sache über mich zu nehmen, meldeten Sie mir zugleich, daß der Medicus von Z. Herr D. Schreyer, der das gefundene Kind mit hätte besichtigen helffen, denselben Tag in Leipzig auf die Michaelis-Messe kommen wäre, daß Sie mit Ihm gesprochen hätten, und Er ein Verlangen trüge, mit ihren Advocato zu reden. Ich gieng alsbald hin zu Ihm, und erfuhr nicht alleine von Ihm unterschiedene Umstände, die bey der Besichtigung wären vorgegangen, daraus neue indicia von der Partheyligkeit des Amtmanns zu nehmen waren, die dergestalt beschaffen, daß Sie auch denen Anwesenden Herren Medicis waren in die Augen gefallen, sondern er erzehlte mir auch unter andern, daß er bey dieser Besichtigung Gelegenheit gehabt hätte, etwas zu probiren, das von denen Herrn Medicis als was besonderes und sehr merckwürdiges nur vor weniger Zeit wäre angemercket worden; Es wäre bekant, daß die Lungen wegen der darinnen verborgenen Lufft in dem Wasser nicht untersäncken; weil nun die Kinder in Mutterleibe keinen Othem hohlten, sondern der Mensch erst nach der Geburth durch das Othem hohlen Lufft in die Lunge brächte, so wären etliche von denen Neuern Medicis auf die Gedancken kommen; Daß wenn eine Mutter, so Ihr Kind heimlich bekommen, vorgäbe, Ihr Kind wäre todt auf die Welt kommen, und man befände doch, daß bey der Besichtigung die Lunge dieses Kindes oben schwämme, dieses so dann eine starcke Anzeige wäre, daß das Kind lebendig auf die Welt sey gekommen, und hinwiederum würde das Vorgeben der Mutter, daß Sie ein todtes Kind gebohren, warscheinlich gemacht, wenn des todten Kindes Lunge in Wasser untersäncke. Nun hätte er bey der Besichtigung des Kindes

nicht, auch wohl schwerlich zu hoffen hätte, daß Anna mit dem Reinigungs-Eyd loß kommen solte, sondern daß es noch sehr viel Fleiß und Nachdencken brauchen würde, biß man die Sache (Ehrlicher und Christlicher Weise ohne die Richter zu corrumpiren, und ohne Rabulistischer Streiche sich zu bedienen) dahin würde bringen können, daß Inquisita mit der territione verbali loß käme. Denn ob gleich die in denen Amts-actis zusammen gesuchte Dinge zu elidiren eben so schwer nicht seyn würde; so ware mir doch der rigor des 13. Artickels der P. H. O. sehr in Wege, und würde ich alle vires ingenii darzu anwenden müssen, wenn ich denselben von gegenwärtigen casu mit Nachdruck ableinen wolte.

Nachricht von dem, was mit des todten Kindes Lunge probiret worden, und was daraus zu praesumiren.

§. VI. Als ich nun diesen meinen Schluß, so bald ich in Leipzig wieder angekommen war, der stupratae Vater und dessen Freunde entdeckte, und Ihnen dißfalls klaren Wein einschenckte, auch Ihnen freystellete, ob Sie gedächten, einen andern Advocaten zu bekommen, von dem Sie sich bessern success zu versichern hätten; Sie aber mich nochmahlen ersuchten, die Sache über mich zu nehmen, meldeten Sie mir zugleich, daß der Medicus von Z. Herr D. Schreyer, der das gefundene Kind mit hätte besichtigen helffen, denselben Tag in Leipzig auf die Michaelis-Messe kommen wäre, daß Sie mit Ihm gesprochen hätten, und Er ein Verlangen trüge, mit ihren Advocato zu reden. Ich gieng alsbald hin zu Ihm, und erfuhr nicht alleine von Ihm unterschiedene Umstände, die bey der Besichtigung wären vorgegangen, daraus neue indicia von der Partheyligkeit des Amtmanns zu nehmen waren, die dergestalt beschaffen, daß Sie auch denen Anwesenden Herren Medicis waren in die Augen gefallen, sondern er erzehlte mir auch unter andern, daß er bey dieser Besichtigung Gelegenheit gehabt hätte, etwas zu probiren, das von denen Herrn Medicis als was besonderes und sehr merckwürdiges nur vor weniger Zeit wäre angemercket worden; Es wäre bekant, daß die Lungen wegen der darinnen verborgenen Lufft in dem Wasser nicht untersäncken; weil nun die Kinder in Mutterleibe keinen Othem hohlten, sondern der Mensch erst nach der Geburth durch das Othem hohlen Lufft in die Lunge brächte, so wären etliche von denen Neuern Medicis auf die Gedancken kommen; Daß wenn eine Mutter, so Ihr Kind heimlich bekommen, vorgäbe, Ihr Kind wäre todt auf die Welt kommen, und man befände doch, daß bey der Besichtigung die Lunge dieses Kindes oben schwämme, dieses so dann eine starcke Anzeige wäre, daß das Kind lebendig auf die Welt sey gekommen, und hinwiederum würde das Vorgeben der Mutter, daß Sie ein todtes Kind gebohren, warscheinlich gemacht, wenn des todten Kindes Lunge in Wasser untersäncke. Nun hätte er bey der Besichtigung des Kindes

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[16/0032] nicht, auch wohl schwerlich zu hoffen hätte, daß Anna mit dem Reinigungs-Eyd loß kommen solte, sondern daß es noch sehr viel Fleiß und Nachdencken brauchen würde, biß man die Sache (Ehrlicher und Christlicher Weise ohne die Richter zu corrumpiren, und ohne Rabulistischer Streiche sich zu bedienen) dahin würde bringen können, daß Inquisita mit der territione verbali loß käme. Denn ob gleich die in denen Amts-actis zusammen gesuchte Dinge zu elidiren eben so schwer nicht seyn würde; so ware mir doch der rigor des 13. Artickels der P. H. O. sehr in Wege, und würde ich alle vires ingenii darzu anwenden müssen, wenn ich denselben von gegenwärtigen casu mit Nachdruck ableinen wolte. §. VI. Als ich nun diesen meinen Schluß, so bald ich in Leipzig wieder angekommen war, der stupratae Vater und dessen Freunde entdeckte, und Ihnen dißfalls klaren Wein einschenckte, auch Ihnen freystellete, ob Sie gedächten, einen andern Advocaten zu bekommen, von dem Sie sich bessern success zu versichern hätten; Sie aber mich nochmahlen ersuchten, die Sache über mich zu nehmen, meldeten Sie mir zugleich, daß der Medicus von Z. Herr D. Schreyer, der das gefundene Kind mit hätte besichtigen helffen, denselben Tag in Leipzig auf die Michaelis-Messe kommen wäre, daß Sie mit Ihm gesprochen hätten, und Er ein Verlangen trüge, mit ihren Advocato zu reden. Ich gieng alsbald hin zu Ihm, und erfuhr nicht alleine von Ihm unterschiedene Umstände, die bey der Besichtigung wären vorgegangen, daraus neue indicia von der Partheyligkeit des Amtmanns zu nehmen waren, die dergestalt beschaffen, daß Sie auch denen Anwesenden Herren Medicis waren in die Augen gefallen, sondern er erzehlte mir auch unter andern, daß er bey dieser Besichtigung Gelegenheit gehabt hätte, etwas zu probiren, das von denen Herrn Medicis als was besonderes und sehr merckwürdiges nur vor weniger Zeit wäre angemercket worden; Es wäre bekant, daß die Lungen wegen der darinnen verborgenen Lufft in dem Wasser nicht untersäncken; weil nun die Kinder in Mutterleibe keinen Othem hohlten, sondern der Mensch erst nach der Geburth durch das Othem hohlen Lufft in die Lunge brächte, so wären etliche von denen Neuern Medicis auf die Gedancken kommen; Daß wenn eine Mutter, so Ihr Kind heimlich bekommen, vorgäbe, Ihr Kind wäre todt auf die Welt kommen, und man befände doch, daß bey der Besichtigung die Lunge dieses Kindes oben schwämme, dieses so dann eine starcke Anzeige wäre, daß das Kind lebendig auf die Welt sey gekommen, und hinwiederum würde das Vorgeben der Mutter, daß Sie ein todtes Kind gebohren, warscheinlich gemacht, wenn des todten Kindes Lunge in Wasser untersäncke. Nun hätte er bey der Besichtigung des Kindes

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/32>, abgerufen am 28.03.2024.