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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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barn, ohnerachtet sie keine Prise genommen, nur bloß von etlichen in der Lufft verzettelten unsichtbaren atomis desselben zum Niesen bewegt werden. Zum wenigsten kan ich versichern, daß für meine Person in diesen beyden Schriften ich die geringste Vernunfft- und Rechtsgründe nicht angemerckt habe, geschweige denn, daß ich deren welche, die unumstößlich wären, angetroffen hätte, auch also gantz nichts gemerckt, daß dieselbigen das Conclusum meiner Facultät, oder meine Ausarbeitung des Conclusi solte überwunden haben. Ja ich getraute mir wohl mit dem Herrn Quaerenten zu wetten, daß er bey keinem einigen Rechts-Collegio in Europa, ja nicht einmahl in Asia, Africa und America mit diesen Poetischen Schrifften, wenn er anders die Meditationes selbst beyleget, was ausrichten, und einige approbation seines Verfahrens erhalten werde.

§. XXXIV. Und wenn ich anders seine Meinung recht verstanden,Neues Argument von dem wenigen judicio des Herrn Autoris. daß er durch diese Poetische Schrifften mich gleichsam convinciren wollen, daß er ein fröliches Temperament habe, und daß man ihm unrecht gethan, wenn man ihm so wenig Ambition und Iudicium zugetrauet; so muß ich abermahls bekennen, daß ich vielmehr hierdurch forciret worden, ein neues Argument seines wenigen Judicii ihm und allen unpartheyischen Lesern für Augen zu legen. 1. Giebt es ja Poeten von allerhand Temperamenten, und folgt also nicht: dieser Mensch macht einen saubern Verß, ergo ist er frölich, oder hat ein herrlich Judicium, so wenig als es folget: diefer Mensch kan keine Verse machen, ergo ist er nicht frölich, oder hat kein judicium. 2. Ob diese seine Poetische Schrifften eben eine sonderbare Fröligkeit andeuten, wird sich weisen, wenn ich selbige werde beydrücken lassen. Itzo sage ich nur zum voraus, ich habe selbige darinnen nicht finden können. 3. Spricht er, er intendire auch dieses nicht, sondern es bezeugeten nur diese Poemata, daß er kein sauertöpfischer Melancholicus sey; so gebe ich ihm zwar völlig recht; aber es giebt sich auf diese Art ein neuer defectus judicii an: denn wenn und wo habe ich ihn denn einen sauertöpffischen Melancholicum genennet; mein Responsum gedencket deutlich seines etwa habenden melancholico-sanguinischen Temperaments, das ist eines Temperaments, das bald traurig, bald frölich ist: dergleichen Leute aber sind caeteris paribus nicht ungeschickt, hämische und anzügliche zugleich aber nicht unanmuthige und ungezwungene Verse zu machen, wenn sie nur etwas Fleiß anwenden wollen, und nicht aus commodität, (welche die gemeinen Leute, Faulheit oder Unachtsamkeit zu nennen pflegen) dann und wann einen und andern mercklichen Schnitzer mit unterlauffen lassen: ob aber dergleichen Leute befugt seyn, diese ihre

barn, ohnerachtet sie keine Prise genommen, nur bloß von etlichen in der Lufft verzettelten unsichtbaren atomis desselben zum Niesen bewegt werden. Zum wenigsten kan ich versichern, daß für meine Person in diesen beyden Schriften ich die geringste Vernunfft- und Rechtsgründe nicht angemerckt habe, geschweige denn, daß ich deren welche, die unumstößlich wären, angetroffen hätte, auch also gantz nichts gemerckt, daß dieselbigen das Conclusum meiner Facultät, oder meine Ausarbeitung des Conclusi solte überwunden haben. Ja ich getraute mir wohl mit dem Herrn Quaerenten zu wetten, daß er bey keinem einigen Rechts-Collegio in Europa, ja nicht einmahl in Asia, Africa und America mit diesen Poetischen Schrifften, wenn er anders die Meditationes selbst beyleget, was ausrichten, und einige approbation seines Verfahrens erhalten werde.

§. XXXIV. Und wenn ich anders seine Meinung recht verstanden,Neues Argument von dem wenigen judicio des Herrn Autoris. daß er durch diese Poetische Schrifften mich gleichsam convinciren wollen, daß er ein fröliches Temperament habe, und daß man ihm unrecht gethan, wenn man ihm so wenig Ambition und Iudicium zugetrauet; so muß ich abermahls bekennen, daß ich vielmehr hierdurch forciret worden, ein neues Argument seines wenigen Judicii ihm und allen unpartheyischen Lesern für Augen zu legen. 1. Giebt es ja Poeten von allerhand Temperamenten, und folgt also nicht: dieser Mensch macht einen saubern Verß, ergo ist er frölich, oder hat ein herrlich Judicium, so wenig als es folget: diefer Mensch kan keine Verse machen, ergo ist er nicht frölich, oder hat kein judicium. 2. Ob diese seine Poetische Schrifften eben eine sonderbare Fröligkeit andeuten, wird sich weisen, wenn ich selbige werde beydrücken lassen. Itzo sage ich nur zum voraus, ich habe selbige darinnen nicht finden können. 3. Spricht er, er intendire auch dieses nicht, sondern es bezeugeten nur diese Poemata, daß er kein sauertöpfischer Melancholicus sey; so gebe ich ihm zwar völlig recht; aber es giebt sich auf diese Art ein neuer defectus judicii an: denn wenn und wo habe ich ihn denn einen sauertöpffischen Melancholicum genennet; mein Responsum gedencket deutlich seines etwa habenden melancholico-sanguinischen Temperaments, das ist eines Temperaments, das bald traurig, bald frölich ist: dergleichen Leute aber sind caeteris paribus nicht ungeschickt, hämische und anzügliche zugleich aber nicht unanmuthige und ungezwungene Verse zu machen, wenn sie nur etwas Fleiß anwenden wollen, und nicht aus commodität, (welche die gemeinen Leute, Faulheit oder Unachtsamkeit zu nennen pflegen) dann und wann einen und andern mercklichen Schnitzer mit unterlauffen lassen: ob aber dergleichen Leute befugt seyn, diese ihre

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[311/0327] barn, ohnerachtet sie keine Prise genommen, nur bloß von etlichen in der Lufft verzettelten unsichtbaren atomis desselben zum Niesen bewegt werden. Zum wenigsten kan ich versichern, daß für meine Person in diesen beyden Schriften ich die geringste Vernunfft- und Rechtsgründe nicht angemerckt habe, geschweige denn, daß ich deren welche, die unumstößlich wären, angetroffen hätte, auch also gantz nichts gemerckt, daß dieselbigen das Conclusum meiner Facultät, oder meine Ausarbeitung des Conclusi solte überwunden haben. Ja ich getraute mir wohl mit dem Herrn Quaerenten zu wetten, daß er bey keinem einigen Rechts-Collegio in Europa, ja nicht einmahl in Asia, Africa und America mit diesen Poetischen Schrifften, wenn er anders die Meditationes selbst beyleget, was ausrichten, und einige approbation seines Verfahrens erhalten werde. §. XXXIV. Und wenn ich anders seine Meinung recht verstanden, daß er durch diese Poetische Schrifften mich gleichsam convinciren wollen, daß er ein fröliches Temperament habe, und daß man ihm unrecht gethan, wenn man ihm so wenig Ambition und Iudicium zugetrauet; so muß ich abermahls bekennen, daß ich vielmehr hierdurch forciret worden, ein neues Argument seines wenigen Judicii ihm und allen unpartheyischen Lesern für Augen zu legen. 1. Giebt es ja Poeten von allerhand Temperamenten, und folgt also nicht: dieser Mensch macht einen saubern Verß, ergo ist er frölich, oder hat ein herrlich Judicium, so wenig als es folget: diefer Mensch kan keine Verse machen, ergo ist er nicht frölich, oder hat kein judicium. 2. Ob diese seine Poetische Schrifften eben eine sonderbare Fröligkeit andeuten, wird sich weisen, wenn ich selbige werde beydrücken lassen. Itzo sage ich nur zum voraus, ich habe selbige darinnen nicht finden können. 3. Spricht er, er intendire auch dieses nicht, sondern es bezeugeten nur diese Poemata, daß er kein sauertöpfischer Melancholicus sey; so gebe ich ihm zwar völlig recht; aber es giebt sich auf diese Art ein neuer defectus judicii an: denn wenn und wo habe ich ihn denn einen sauertöpffischen Melancholicum genennet; mein Responsum gedencket deutlich seines etwa habenden melancholico-sanguinischen Temperaments, das ist eines Temperaments, das bald traurig, bald frölich ist: dergleichen Leute aber sind caeteris paribus nicht ungeschickt, hämische und anzügliche zugleich aber nicht unanmuthige und ungezwungene Verse zu machen, wenn sie nur etwas Fleiß anwenden wollen, und nicht aus commodität, (welche die gemeinen Leute, Faulheit oder Unachtsamkeit zu nennen pflegen) dann und wann einen und andern mercklichen Schnitzer mit unterlauffen lassen: ob aber dergleichen Leute befugt seyn, diese ihre Neues Argument von dem wenigen judicio des Herrn Autoris.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/327>, abgerufen am 29.03.2024.