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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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eitel böse Ding. Die Weißheit aber von oben her, ist auffs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, lässet ihr sagen, voll Barmhertzigkeit und guter Früchte, unpartheyisch, ohne Heucheley. Jac. c. 3. v. 13. 14. 15. 16. 17.
II.
Die Fehler einer guten Auslegung: sind von zweyerley Arten; dann einige kommen von der Boßheit, andere von der Narrheit her. Welcher aus Boßheit sündiget, wird ein Verläumder genandt. 1. Ein Verläumder: dichtet andern solche Meinungen an, welche sie doch nicht haben, und verfolget hernacher dieselbe, als wenn sie solche Meinungen führeten. 2. Ein Verläumder: leget einem Autori seine Sachen dergestalt aus, als wenn sein Sinn so und so zu verstehen wäre, welches doch der Autor gantz und gar verleugnet; obgleich derselbe durch augenscheinliche Merckzeichen, seine Intention nicht demonstriren kan. 3. Ein Verläumder: leget seines Gegners Stillschweigen dergestalt aus, als wenn solcher ihme gewonnen gäbe, und seine Meinungen annehme, derowegen er auch hernachmals vorgiebet, daß er triumphiret hätte, und die Unerfahrnen zu bereden suchet, als wenn sein Gegner nicht hätte antworten können. 4. Ein Verläumder: machet Schlüsse aus einem General-Satz eines Autoris, obgleich der Autor ernsthafftig vor solchen Schlüssen einen Abscheu träget. 5. Wann sich nun einer vor dem Laster solcher Verläumdung wohl vorzusehen gedencket, so muß er Fleiß anwenden, daß er vor allen Dingen dergestalt zu Lesung eines Autoris schreite, daß sein Gemüthe von Praejudiciis, Feindschafft und Haß frey und loß seyn, und hernacher, wann die Sache noch zweiffelhafftig ist, eine solche Auslegung mache, dadurch alles zum besten gekehret wird; dabey lasse er sich dieses gesagt seyn, daß zur Entschuldigung und Defension eines Autoris kleine und geringe Raisons gehören und gnung seyn, zu dessen Anklagung und Verdammung aber wichtige Ursachen gehören. Christian Thomasens Einleitung zur Hoff-Philosophie c. 13. von der Klugheit eines andern Meinung zu verstehen, Pag. 268. 269. 270.
III.
1.
Du erstgebohrner Sohn tieffsinniger Gedancken, So die Welt-Weißheit, mir in die Vernunfft geprägt: Ein Diener fordert dich, vor die Gerichtes-Schrancken. Die Klage zielt auff Blut: die wieder dich erregt: Die Druck-Preß hat dich zwar an dieses Licht gebohren. Der Richter-Stuhl zum Kind des Todes auserkohren.
eitel böse Ding. Die Weißheit aber von oben her, ist auffs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, lässet ihr sagen, voll Barmhertzigkeit und guter Früchte, unpartheyisch, ohne Heucheley. Jac. c. 3. v. 13. 14. 15. 16. 17.
II.
Die Fehler einer guten Auslegung: sind von zweyerley Arten; dann einige kommen von der Boßheit, andere von der Narrheit her. Welcher aus Boßheit sündiget, wird ein Verläumder genandt. 1. Ein Verläumder: dichtet andern solche Meinungen an, welche sie doch nicht haben, und verfolget hernacher dieselbe, als wenn sie solche Meinungen führeten. 2. Ein Verläumder: leget einem Autori seine Sachen dergestalt aus, als wenn sein Sinn so und so zu verstehen wäre, welches doch der Autor gantz und gar verleugnet; obgleich derselbe durch augenscheinliche Merckzeichen, seine Intention nicht demonstriren kan. 3. Ein Verläumder: leget seines Gegners Stillschweigen dergestalt aus, als wenn solcher ihme gewonnen gäbe, und seine Meinungen annehme, derowegen er auch hernachmals vorgiebet, daß er triumphiret hätte, und die Unerfahrnen zu bereden suchet, als wenn sein Gegner nicht hätte antworten können. 4. Ein Verläumder: machet Schlüsse aus einem General-Satz eines Autoris, obgleich der Autor ernsthafftig vor solchen Schlüssen einen Abscheu träget. 5. Wann sich nun einer vor dem Laster solcher Verläumdung wohl vorzusehen gedencket, so muß er Fleiß anwenden, daß er vor allen Dingen dergestalt zu Lesung eines Autoris schreite, daß sein Gemüthe von Praejudiciis, Feindschafft und Haß frey und loß seyn, und hernacher, wann die Sache noch zweiffelhafftig ist, eine solche Auslegung mache, dadurch alles zum besten gekehret wird; dabey lasse er sich dieses gesagt seyn, daß zur Entschuldigung und Defension eines Autoris kleine und geringe Raisons gehören und gnung seyn, zu dessen Anklagung und Verdammung aber wichtige Ursachen gehören. Christian Thomasens Einleitung zur Hoff-Philosophie c. 13. von der Klugheit eines andern Meinung zu verstehen, Pag. 268. 269. 270.
III.
1.
Du erstgebohrner Sohn tieffsinniger Gedancken, So die Welt-Weißheit, mir in die Vernunfft geprägt: Ein Diener fordert dich, vor die Gerichtes-Schrancken. Die Klage zielt auff Blut: die wieder dich erregt: Die Druck-Preß hat dich zwar an dieses Licht gebohren. Der Richter-Stuhl zum Kind des Todes auserkohren.
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[313/0329] eitel böse Ding. Die Weißheit aber von oben her, ist auffs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, lässet ihr sagen, voll Barmhertzigkeit und guter Früchte, unpartheyisch, ohne Heucheley. Jac. c. 3. v. 13. 14. 15. 16. 17. II. Die Fehler einer guten Auslegung: sind von zweyerley Arten; dann einige kommen von der Boßheit, andere von der Narrheit her. Welcher aus Boßheit sündiget, wird ein Verläumder genandt. 1. Ein Verläumder: dichtet andern solche Meinungen an, welche sie doch nicht haben, und verfolget hernacher dieselbe, als wenn sie solche Meinungen führeten. 2. Ein Verläumder: leget einem Autori seine Sachen dergestalt aus, als wenn sein Sinn so und so zu verstehen wäre, welches doch der Autor gantz und gar verleugnet; obgleich derselbe durch augenscheinliche Merckzeichen, seine Intention nicht demonstriren kan. 3. Ein Verläumder: leget seines Gegners Stillschweigen dergestalt aus, als wenn solcher ihme gewonnen gäbe, und seine Meinungen annehme, derowegen er auch hernachmals vorgiebet, daß er triumphiret hätte, und die Unerfahrnen zu bereden suchet, als wenn sein Gegner nicht hätte antworten können. 4. Ein Verläumder: machet Schlüsse aus einem General-Satz eines Autoris, obgleich der Autor ernsthafftig vor solchen Schlüssen einen Abscheu träget. 5. Wann sich nun einer vor dem Laster solcher Verläumdung wohl vorzusehen gedencket, so muß er Fleiß anwenden, daß er vor allen Dingen dergestalt zu Lesung eines Autoris schreite, daß sein Gemüthe von Praejudiciis, Feindschafft und Haß frey und loß seyn, und hernacher, wann die Sache noch zweiffelhafftig ist, eine solche Auslegung mache, dadurch alles zum besten gekehret wird; dabey lasse er sich dieses gesagt seyn, daß zur Entschuldigung und Defension eines Autoris kleine und geringe Raisons gehören und gnung seyn, zu dessen Anklagung und Verdammung aber wichtige Ursachen gehören. Christian Thomasens Einleitung zur Hoff-Philosophie c. 13. von der Klugheit eines andern Meinung zu verstehen, Pag. 268. 269. 270. III. 1. Du erstgebohrner Sohn tieffsinniger Gedancken, So die Welt-Weißheit, mir in die Vernunfft geprägt: Ein Diener fordert dich, vor die Gerichtes-Schrancken. Die Klage zielt auff Blut: die wieder dich erregt: Die Druck-Preß hat dich zwar an dieses Licht gebohren. Der Richter-Stuhl zum Kind des Todes auserkohren.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/329>, abgerufen am 29.03.2024.