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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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responsorum vertheidiget; und hatte ich contra singulos Ihrer Personen halber keine Diffidenz wieder Sie. Alleine es triebe mich eine andere Ursache darzu, daß ich ohne Sie einiges üblen Affects zu beschuldigen dennoch wenig Vertrauen in dieser Affaire in Sie setzen konte, sondern ein grösser Vertrauen zu den ICtis Wittebergensibus hatte. Denn theils waren die damahligen Zeiten überhaupt so beschaffen, daß zu Wittenberg man anfieng billigere und nicht so rigoröse Urtheile zu fällen, als in denen andern Sächsischen Collegiis, davon ich mit mehrern gehandelt habe in Historia Juris Naturalis cap. 6. §. 8. p. 78. juncto §. 5. & 6. Nun ware ich eines solchen Collegii wegen des schon oben gedachten Articuls 131. der P. H. O. und dessen Auslegung in diesen Proceß gar sehr benöthiget, und kame noch eine Special-Ursache dazu, die in folgenden Umständen bestehet. Dasjenige, was mir Herr D. Schreyer von Untersenckung der Lunge des gefundenen Kindes (davon oben §. 6. gesagt,) lag mir zuförderst im Kopffe, und weil er mir dabey gemeldet hatte, daß diese Meinung propter regnum autoritatis von noch wenigen approbiret wäre, also bemühete ich mich zuförderst bey denen Herren Medicis zuvernehmen, ob ich nicht von Medicinischen Facultäten ein Responsum für meine Clientin erhalten könte. Der noch itzo lebende berühmte Professor und Senior in der Medicinischen Facultät, Herr D. Rivinus nebst den seeligen Herrn D. Langen waren die ersten, mit denen ich mich, als meinen guten Freunden von Jugend auf, besprachte; die versprachen mir nun zwar Ihres Orts Ihren Beystand, wie auch die von Ihnen mir dißfals ertheilte Attestata unten bey denen Defensionibus bekräfftigen werden; Sie machten mir aber schlechte Hoffnung, daß ich von der Medicinischen Facultät zu Leipzig dißfalls ein favorable Responsum erhalten würde, und also würden mir Ihre Attestata als junger Leute, und die damahls entweder noch gar nicht membra Facultatis, oder doch von den untersten waren, wenig nutzen. Nichts desto weniger machte ich mir noch einige Hoffnung darauff, weil die schon damahls sehr berühmten Leute Herr D. Bohne und Herr D. Ertmüller die Renommee hatten, daß Sie sich an das praejudicium autoritatis nicht bänden, sondern viel gute und nützliche Warheiten, die von denen neuern Medicis in und ausser Deutschland vorgetragen worden, in Leipzig fortpflantzten, auch selbst neue Warheiten zu erfinden sich bemüheten. Ich wagte es also, und gieng zu zweyen von denen vornehmsten membris, deren einer hauptsächlich der alten, der andte aber in etwas der neuen Doctrin ergeben war, und meldete Ihnen den casum, bate Sie auch um Ihre vota in den von der Facultät zu verlangenden responso. Der erste schlug

responsorum vertheidiget; und hatte ich contra singulos Ihrer Personen halber keine Diffidenz wieder Sie. Alleine es triebe mich eine andere Ursache darzu, daß ich ohne Sie einiges üblen Affects zu beschuldigen dennoch wenig Vertrauen in dieser Affaire in Sie setzen konte, sondern ein grösser Vertrauen zu den ICtis Wittebergensibus hatte. Denn theils waren die damahligen Zeiten überhaupt so beschaffen, daß zu Wittenberg man anfieng billigere und nicht so rigoröse Urtheile zu fällen, als in denen andern Sächsischen Collegiis, davon ich mit mehrern gehandelt habe in Historia Juris Naturalis cap. 6. §. 8. p. 78. juncto §. 5. & 6. Nun ware ich eines solchen Collegii wegen des schon oben gedachten Articuls 131. der P. H. O. und dessen Auslegung in diesen Proceß gar sehr benöthiget, und kame noch eine Special-Ursache dazu, die in folgenden Umständen bestehet. Dasjenige, was mir Herr D. Schreyer von Untersenckung der Lunge des gefundenen Kindes (davon oben §. 6. gesagt,) lag mir zuförderst im Kopffe, und weil er mir dabey gemeldet hatte, daß diese Meinung propter regnum autoritatis von noch wenigen approbiret wäre, also bemühete ich mich zuförderst bey denen Herren Medicis zuvernehmen, ob ich nicht von Medicinischen Facultäten ein Responsum für meine Clientin erhalten könte. Der noch itzo lebende berühmte Professor und Senior in der Medicinischen Facultät, Herr D. Rivinus nebst den seeligen Herrn D. Langen waren die ersten, mit denen ich mich, als meinen guten Freunden von Jugend auf, besprachte; die versprachen mir nun zwar Ihres Orts Ihren Beystand, wie auch die von Ihnen mir dißfals ertheilte Attestata unten bey denen Defensionibus bekräfftigen werden; Sie machten mir aber schlechte Hoffnung, daß ich von der Medicinischen Facultät zu Leipzig dißfalls ein favorable Responsum erhalten würde, und also würden mir Ihre Attestata als junger Leute, und die damahls entweder noch gar nicht membra Facultatis, oder doch von den untersten waren, wenig nutzen. Nichts desto weniger machte ich mir noch einige Hoffnung darauff, weil die schon damahls sehr berühmten Leute Herr D. Bohne und Herr D. Ertmüller die Renommee hatten, daß Sie sich an das praejudicium autoritatis nicht bänden, sondern viel gute und nützliche Warheiten, die von denen neuern Medicis in und ausser Deutschland vorgetragen worden, in Leipzig fortpflantzten, auch selbst neue Warheiten zu erfinden sich bemüheten. Ich wagte es also, und gieng zu zweyen von denen vornehmsten membris, deren einer hauptsächlich der alten, der andte aber in etwas der neuen Doctrin ergeben war, und meldete Ihnen den casum, bate Sie auch um Ihre vota in den von der Facultät zu verlangenden responso. Der erste schlug

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[26/0042] responsorum vertheidiget; und hatte ich contra singulos Ihrer Personen halber keine Diffidenz wieder Sie. Alleine es triebe mich eine andere Ursache darzu, daß ich ohne Sie einiges üblen Affects zu beschuldigen dennoch wenig Vertrauen in dieser Affaire in Sie setzen konte, sondern ein grösser Vertrauen zu den ICtis Wittebergensibus hatte. Denn theils waren die damahligen Zeiten überhaupt so beschaffen, daß zu Wittenberg man anfieng billigere und nicht so rigoröse Urtheile zu fällen, als in denen andern Sächsischen Collegiis, davon ich mit mehrern gehandelt habe in Historia Juris Naturalis cap. 6. §. 8. p. 78. juncto §. 5. & 6. Nun ware ich eines solchen Collegii wegen des schon oben gedachten Articuls 131. der P. H. O. und dessen Auslegung in diesen Proceß gar sehr benöthiget, und kame noch eine Special-Ursache dazu, die in folgenden Umständen bestehet. Dasjenige, was mir Herr D. Schreyer von Untersenckung der Lunge des gefundenen Kindes (davon oben §. 6. gesagt,) lag mir zuförderst im Kopffe, und weil er mir dabey gemeldet hatte, daß diese Meinung propter regnum autoritatis von noch wenigen approbiret wäre, also bemühete ich mich zuförderst bey denen Herren Medicis zuvernehmen, ob ich nicht von Medicinischen Facultäten ein Responsum für meine Clientin erhalten könte. Der noch itzo lebende berühmte Professor und Senior in der Medicinischen Facultät, Herr D. Rivinus nebst den seeligen Herrn D. Langen waren die ersten, mit denen ich mich, als meinen guten Freunden von Jugend auf, besprachte; die versprachen mir nun zwar Ihres Orts Ihren Beystand, wie auch die von Ihnen mir dißfals ertheilte Attestata unten bey denen Defensionibus bekräfftigen werden; Sie machten mir aber schlechte Hoffnung, daß ich von der Medicinischen Facultät zu Leipzig dißfalls ein favorable Responsum erhalten würde, und also würden mir Ihre Attestata als junger Leute, und die damahls entweder noch gar nicht membra Facultatis, oder doch von den untersten waren, wenig nutzen. Nichts desto weniger machte ich mir noch einige Hoffnung darauff, weil die schon damahls sehr berühmten Leute Herr D. Bohne und Herr D. Ertmüller die Renommee hatten, daß Sie sich an das praejudicium autoritatis nicht bänden, sondern viel gute und nützliche Warheiten, die von denen neuern Medicis in und ausser Deutschland vorgetragen worden, in Leipzig fortpflantzten, auch selbst neue Warheiten zu erfinden sich bemüheten. Ich wagte es also, und gieng zu zweyen von denen vornehmsten membris, deren einer hauptsächlich der alten, der andte aber in etwas der neuen Doctrin ergeben war, und meldete Ihnen den casum, bate Sie auch um Ihre vota in den von der Facultät zu verlangenden responso. Der erste schlug

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/42>, abgerufen am 29.03.2024.