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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Geschmack der gewöhnlichen Rechtsgelahrheit eingenommene auch sonstseine Seele GOtt und den Leib der Erden empfehle die Unser aller Mutter ist. gute Gemüther, sich vielmehr über mich ärgern und dencken dörfften: Es müsse doch wohl etwas daran seyn, daß man Thomasio eine heimliche Atheisterey schuld gegeben, weil er die Gottseeligen Formuln in Testamenten nicht leiden könte, sondern noch in seinem Alter darüber scoptisire. Derowegen wird es nöthig seyn, daß ich kürtzlich zeige, wie mir bey der Anmerckung des vorigen Paragraphi nie in die Gedancken kommen zu scoptisiren, sondern daß ich solches mit guter Raison gethan, auch hierinnen andre berühmte JCtos zum Vorgängern gehabt. Denn es hat schon längst vor mir jemand seine Gedancken hiervon also eröffnet: Es ist Herkommens, spricht er, daß man in Verfertigung des letzten Willens zuförderst vor seine Seele und Leib sorget: Für die Seele, indem man dieselbe GOtt befiehlet, und Ihn andächtig anrufft, daß Er zu seiner Zeit ihm eine seelige Abscheidung der Seele von dem Leibe vergönnen, und die Seele in seine Hände nehmen wolle; welche Clausul zwar nicht vor überflüßig zu halten, so ferne man den Testator als einen Christen betrachtet, als welchem oblieget, seine Seele täglich in die Hände seines Heylandes auf das andächtigste zu empfehlen; aber in Ansehen des Testaments ist dieselbe nichts destoweniger allerdings überflüßig, und ist dabey zu wünschen, daß diese Formul aus einer wahrhafften Andacht des Testamentmachers, und nicht aus dem gewöhnlichen Stilo der Notarien herrührete. Es werden viele Dinge in dergleichen menschlichen Handlungen gar gottseelig gebraucht, welche doch einen Mißbrauch des Namens GOttes mit sich führen, wenn sie nicht aus Andacht geschehen. Was den Leib betrifft, so braucht der Testator insgemein die Formul, daß er seinen Leib der allgemeinen Mutter der Erde befehle. Aber was ist dieses anders, als daß der Testator hiermit bekennet daß er ein irrdischgesinneter Mensch (terrae filius) gewesen. Denn sonst würde er wohl auch seinen Leib GOtt empfohlen haben, indem ja der grosse GOtt versprochen, daß er unsere Gebeine bewahren wolle, damit derer keines verlohren werde. Was hastu nun hier wieder zu sagen?

§. III. Ach spricht du, halt ein, du offenbahrer Spötter, derNeuer Einwurff unzeitiger Eyfferer. du selbst in den angeführten Worten den Nahmen GOttes mißbrauchst, und mit deinem terrae filio gantz zur Unzeit aufgezogen kömmst. Wol-

Geschmack der gewöhnlichen Rechtsgelahrheit eingenommene auch sonstseine Seele GOtt und den Leib der Erden empfehle die Unser aller Mutter ist. gute Gemüther, sich vielmehr über mich ärgern und dencken dörfften: Es müsse doch wohl etwas daran seyn, daß man Thomasio eine heimliche Atheisterey schuld gegeben, weil er die Gottseeligen Formuln in Testamenten nicht leiden könte, sondern noch in seinem Alter darüber scoptisire. Derowegen wird es nöthig seyn, daß ich kürtzlich zeige, wie mir bey der Anmerckung des vorigen Paragraphi nie in die Gedancken kommen zu scoptisiren, sondern daß ich solches mit guter Raison gethan, auch hierinnen andre berühmte JCtos zum Vorgängern gehabt. Denn es hat schon längst vor mir jemand seine Gedancken hiervon also eröffnet: Es ist Herkommens, spricht er, daß man in Verfertigung des letzten Willens zuförderst vor seine Seele und Leib sorget: Für die Seele, indem man dieselbe GOtt befiehlet, und Ihn andächtig anrufft, daß Er zu seiner Zeit ihm eine seelige Abscheidung der Seele von dem Leibe vergönnen, und die Seele in seine Hände nehmen wolle; welche Clausul zwar nicht vor überflüßig zu halten, so ferne man den Testator als einen Christen betrachtet, als welchem oblieget, seine Seele täglich in die Hände seines Heylandes auf das andächtigste zu empfehlen; aber in Ansehen des Testaments ist dieselbe nichts destoweniger allerdings überflüßig, und ist dabey zu wünschen, daß diese Formul aus einer wahrhafften Andacht des Testamentmachers, und nicht aus dem gewöhnlichen Stilo der Notarien herrührete. Es werden viele Dinge in dergleichen menschlichen Handlungen gar gottseelig gebraucht, welche doch einen Mißbrauch des Namens GOttes mit sich führen, wenn sie nicht aus Andacht geschehen. Was den Leib betrifft, so braucht der Testator insgemein die Formul, daß er seinen Leib der allgemeinen Mutter der Erde befehle. Aber was ist dieses anders, als daß der Testator hiermit bekennet daß er ein irrdischgesinneter Mensch (terrae filius) gewesen. Denn sonst würde er wohl auch seinen Leib GOtt empfohlen haben, indem ja der grosse GOtt versprochen, daß er unsere Gebeine bewahren wolle, damit derer keines verlohren werde. Was hastu nun hier wieder zu sagen?

§. III. Ach spricht du, halt ein, du offenbahrer Spötter, derNeuer Einwurff unzeitiger Eyfferer. du selbst in den angeführten Worten den Nahmen GOttes mißbrauchst, und mit deinem terrae filio gantz zur Unzeit aufgezogen kömmst. Wol-

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[305/0313] Geschmack der gewöhnlichen Rechtsgelahrheit eingenommene auch sonst gute Gemüther, sich vielmehr über mich ärgern und dencken dörfften: Es müsse doch wohl etwas daran seyn, daß man Thomasio eine heimliche Atheisterey schuld gegeben, weil er die Gottseeligen Formuln in Testamenten nicht leiden könte, sondern noch in seinem Alter darüber scoptisire. Derowegen wird es nöthig seyn, daß ich kürtzlich zeige, wie mir bey der Anmerckung des vorigen Paragraphi nie in die Gedancken kommen zu scoptisiren, sondern daß ich solches mit guter Raison gethan, auch hierinnen andre berühmte JCtos zum Vorgängern gehabt. Denn es hat schon längst vor mir jemand seine Gedancken hiervon also eröffnet: Es ist Herkommens, spricht er, daß man in Verfertigung des letzten Willens zuförderst vor seine Seele und Leib sorget: Für die Seele, indem man dieselbe GOtt befiehlet, und Ihn andächtig anrufft, daß Er zu seiner Zeit ihm eine seelige Abscheidung der Seele von dem Leibe vergönnen, und die Seele in seine Hände nehmen wolle; welche Clausul zwar nicht vor überflüßig zu halten, so ferne man den Testator als einen Christen betrachtet, als welchem oblieget, seine Seele täglich in die Hände seines Heylandes auf das andächtigste zu empfehlen; aber in Ansehen des Testaments ist dieselbe nichts destoweniger allerdings überflüßig, und ist dabey zu wünschen, daß diese Formul aus einer wahrhafften Andacht des Testamentmachers, und nicht aus dem gewöhnlichen Stilo der Notarien herrührete. Es werden viele Dinge in dergleichen menschlichen Handlungen gar gottseelig gebraucht, welche doch einen Mißbrauch des Namens GOttes mit sich führen, wenn sie nicht aus Andacht geschehen. Was den Leib betrifft, so braucht der Testator insgemein die Formul, daß er seinen Leib der allgemeinen Mutter der Erde befehle. Aber was ist dieses anders, als daß der Testator hiermit bekennet daß er ein irrdischgesinneter Mensch (terrae filius) gewesen. Denn sonst würde er wohl auch seinen Leib GOtt empfohlen haben, indem ja der grosse GOtt versprochen, daß er unsere Gebeine bewahren wolle, damit derer keines verlohren werde. Was hastu nun hier wieder zu sagen? seine Seele GOtt und den Leib der Erden empfehle die Unser aller Mutter ist. §. III. Ach spricht du, halt ein, du offenbahrer Spötter, der du selbst in den angeführten Worten den Nahmen GOttes mißbrauchst, und mit deinem terrae filio gantz zur Unzeit aufgezogen kömmst. Wol- Neuer Einwurff unzeitiger Eyfferer.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/313>, abgerufen am 28.03.2024.