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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Auf eine fast magische Weise, zauberisch
oder himmlisch (denn ich weiß nicht, wie ich
es nennen soll) ist meine Phantasie mit dem
Engelsbilde angefüllt, von dem ich Dir
schon so oft gesprochen habe. Es ist wun¬
derbar. Die Gestalt, die Blicke, der Zug
des Mundes, alles steht deutlich vor mir
und doch wieder nicht deutlich, denn es
dämmert dann wie eine ungewisse, vorüber¬
schwebende Erscheinung vor meiner Seele,
daß ich es festhalten möchte, und Sinnen
und Erinnerung brünstig ausstrecke, um es
wirklich und wahrlich zu gewahren und zu mei¬
nem Eigenthum zu machen So ist es mir
oft seitdem gegangen, wenn ich die Schönheit
einer Landschaft so recht innigst empfinden
wollte, oder die Größe eines Gedankens,
oder den Glauben an Gott. Es kömmt und
geht; bald Dämmerung, bald Mondschein,
nur auf Augenblicke wie helles Tageslicht.

Auf eine faſt magiſche Weiſe, zauberiſch
oder himmliſch (denn ich weiß nicht, wie ich
es nennen ſoll) iſt meine Phantaſie mit dem
Engelsbilde angefüllt, von dem ich Dir
ſchon ſo oft geſprochen habe. Es iſt wun¬
derbar. Die Geſtalt, die Blicke, der Zug
des Mundes, alles ſteht deutlich vor mir
und doch wieder nicht deutlich, denn es
dämmert dann wie eine ungewiſſe, vorüber¬
ſchwebende Erſcheinung vor meiner Seele,
daß ich es feſthalten möchte, und Sinnen
und Erinnerung brünſtig ausſtrecke, um es
wirklich und wahrlich zu gewahren und zu mei¬
nem Eigenthum zu machen So iſt es mir
oft ſeitdem gegangen, wenn ich die Schönheit
einer Landſchaft ſo recht innigſt empfinden
wollte, oder die Größe eines Gedankens,
oder den Glauben an Gott. Es kömmt und
geht; bald Dämmerung, bald Mondſchein,
nur auf Augenblicke wie helles Tageslicht.

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[13/0021] Auf eine faſt magiſche Weiſe, zauberiſch oder himmliſch (denn ich weiß nicht, wie ich es nennen ſoll) iſt meine Phantaſie mit dem Engelsbilde angefüllt, von dem ich Dir ſchon ſo oft geſprochen habe. Es iſt wun¬ derbar. Die Geſtalt, die Blicke, der Zug des Mundes, alles ſteht deutlich vor mir und doch wieder nicht deutlich, denn es dämmert dann wie eine ungewiſſe, vorüber¬ ſchwebende Erſcheinung vor meiner Seele, daß ich es feſthalten möchte, und Sinnen und Erinnerung brünſtig ausſtrecke, um es wirklich und wahrlich zu gewahren und zu mei¬ nem Eigenthum zu machen So iſt es mir oft ſeitdem gegangen, wenn ich die Schönheit einer Landſchaft ſo recht innigſt empfinden wollte, oder die Größe eines Gedankens, oder den Glauben an Gott. Es kömmt und geht; bald Dämmerung, bald Mondſchein, nur auf Augenblicke wie helles Tageslicht.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/21>, abgerufen am 19.04.2024.