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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Künstlern, das Höchste und Vollkommenste
zu erreichen, sondern sie begnügen sich, der
kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr
hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬
sammenhange abzulauschen, und glauben
dann, wenn sie ihr Machwerk in kahler
Unbedeutsamkeit stehen lassen, was Rechtes
gethan zu haben. So ist Euer gepriese¬
ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden,
Schoorel, obgleich er in Italien gewesen
ist, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬
dient zu den Mahlern gezählt zu werden.

Ihr kennt sie nicht, rief Franz unwillig
aus, oder verkennt sie mit Vorsatz. Soll
denn ein Mann allein die Kunst und alle
Trefflichkeit, erschöpft und beendigt haben,
so daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach
dem Kranze greifen darf? Wie beengt und
klein müßte dann das himmlische Gebiet
seyn, wenn es ein einziger Geist durch¬

Künſtlern, das Höchſte und Vollkommenſte
zu erreichen, ſondern ſie begnügen ſich, der
kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr
hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬
ſammenhange abzulauſchen, und glauben
dann, wenn ſie ihr Machwerk in kahler
Unbedeutſamkeit ſtehen laſſen, was Rechtes
gethan zu haben. So iſt Euer geprieſe¬
ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden,
Schoorel, obgleich er in Italien geweſen
iſt, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬
dient zu den Mahlern gezählt zu werden.

Ihr kennt ſie nicht, rief Franz unwillig
aus, oder verkennt ſie mit Vorſatz. Soll
denn ein Mann allein die Kunſt und alle
Trefflichkeit, erſchöpft und beendigt haben,
ſo daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach
dem Kranze greifen darf? Wie beengt und
klein müßte dann das himmliſche Gebiet
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[34/0042] Künſtlern, das Höchſte und Vollkommenſte zu erreichen, ſondern ſie begnügen ſich, der kalten dürftigen Natur nahe zu kommen, ihr hin und wieder einen Zug außer dem Zu¬ ſammenhange abzulauſchen, und glauben dann, wenn ſie ihr Machwerk in kahler Unbedeutſamkeit ſtehen laſſen, was Rechtes gethan zu haben. So iſt Euer geprieſe¬ ner Albert Dürer, Euer Lukas von Leyden, Schoorel, obgleich er in Italien geweſen iſt, ja kaum der Schweizer Holbein ver¬ dient zu den Mahlern gezählt zu werden. Ihr kennt ſie nicht, rief Franz unwillig aus, oder verkennt ſie mit Vorſatz. Soll denn ein Mann allein die Kunſt und alle Trefflichkeit, erſchöpft und beendigt haben, ſo daß mit ihm, nach ihm kein andrer nach dem Kranze greifen darf? Wie beengt und klein müßte dann das himmliſche Gebiet ſeyn, wenn es ein einziger Geiſt durch¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/42>, abgerufen am 16.04.2024.