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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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heiligen Tage ist er gebohren, und an die¬
sem merkwürdigen Geburtstage ist er auch
wieder von der Erde hinweggegangen. Er
war und blieb sein Lebelang ein Jüngling,
und aus allen seinen Werken spricht ein
milder, kindlicher Geist. Sein letztes großes
Gemählde war die Transfiguration, Christi
Verklärung, worin er sich seine eigne Apo¬
theose gemahlt hat. Oben die Herrlichkeit
des Erlösers, allgemeine Liebe in seinen
Blicken, unter ihm der Glaube der Apostel,
umgeben von dem übrigen Menschenleben,
mit allem Elende, das darin einheimisch ist,
Unglückliche, die dem Erlöser zur Heilung
gebracht werden, und Zweifel, Hoffnung
und Zutrauen in den Umstehenden. Ra¬
fael's Sarg stand in der Mahlerstube, und
sein letztes vollendetes Gemählde daneben,
seine eigne Verklärung. Der Finger ruhte
nun auf immer, der diese Bilder in Leben

heiligen Tage iſt er gebohren, und an die¬
ſem merkwürdigen Geburtstage iſt er auch
wieder von der Erde hinweggegangen. Er
war und blieb ſein Lebelang ein Jüngling,
und aus allen ſeinen Werken ſpricht ein
milder, kindlicher Geiſt. Sein letztes großes
Gemählde war die Transfiguration, Chriſti
Verklärung, worin er ſich ſeine eigne Apo¬
theoſe gemahlt hat. Oben die Herrlichkeit
des Erlöſers, allgemeine Liebe in ſeinen
Blicken, unter ihm der Glaube der Apoſtel,
umgeben von dem übrigen Menſchenleben,
mit allem Elende, das darin einheimiſch iſt,
Unglückliche, die dem Erlöſer zur Heilung
gebracht werden, und Zweifel, Hoffnung
und Zutrauen in den Umſtehenden. Ra¬
fael's Sarg ſtand in der Mahlerſtube, und
ſein letztes vollendetes Gemählde daneben,
ſeine eigne Verklärung. Der Finger ruhte
nun auf immer, der dieſe Bilder in Leben

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[38/0046] heiligen Tage iſt er gebohren, und an die¬ ſem merkwürdigen Geburtstage iſt er auch wieder von der Erde hinweggegangen. Er war und blieb ſein Lebelang ein Jüngling, und aus allen ſeinen Werken ſpricht ein milder, kindlicher Geiſt. Sein letztes großes Gemählde war die Transfiguration, Chriſti Verklärung, worin er ſich ſeine eigne Apo¬ theoſe gemahlt hat. Oben die Herrlichkeit des Erlöſers, allgemeine Liebe in ſeinen Blicken, unter ihm der Glaube der Apoſtel, umgeben von dem übrigen Menſchenleben, mit allem Elende, das darin einheimiſch iſt, Unglückliche, die dem Erlöſer zur Heilung gebracht werden, und Zweifel, Hoffnung und Zutrauen in den Umſtehenden. Ra¬ fael's Sarg ſtand in der Mahlerſtube, und ſein letztes vollendetes Gemählde daneben, ſeine eigne Verklärung. Der Finger ruhte nun auf immer, der dieſe Bilder in Leben

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/46>, abgerufen am 28.03.2024.