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Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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aus seinen Fugen und brachte den langen und schweren Balken, der unsere ganze Stube ausfüllt, hierher. Sieh nur, geliebte Clara, welche soliden, trefflichen Menschen unsre Vorfahren waren. Betrachte diese eichene Masse vom allerschönsten und körnigsten Holze, so glatt polirt und gefirnißt. Das wird uns ein ganz andres Feuer geben, als unser bisheriges elendes Kiefern- und Weidengeflecht.

Aber, Heinrich, rief Clara und schlug die Hände zusammen -- das Haus verderben!

Kein Mensch kommt zu uns, sagte Heinrich, wir kennen unsere Treppe und gehen selber nicht einmal auf und ab, also ist sie höchstens für unsere alte Christine da, die sich doch unendlich verwundern würde, wenn man zu ihr sagen wollte: Sieh, altes Kind, es soll einer der schönsten Eichenstämme im ganzen Forst, mannsdick, gefällt werden, vom Zimmermann und nachher vom Tischler kunstreich bearbeitet, damit du, Alte, die Stufen hinaufgehend, dich auf diesen herrlichen Eichenstamm stützen kannst. Sie müßte ja laut auflachen, die Christine. Nein, ein solches Treppengeländer ist wieder eine von des Lebens ganz unnützen Ueberflüssigkeiten; der Wald ist zu uns gekommen, da er gemerkt hat, daß wir ihn so höchst nothwendig brauchten. Ich bin ein Zauberer; nur einige Hiebe mit diesem magischen Beil, und es ergab sich dieser herrliche Stamm in meine Macht. Das kommt Alles von der Civilisation; hätte man hier immer, wie in

aus seinen Fugen und brachte den langen und schweren Balken, der unsere ganze Stube ausfüllt, hierher. Sieh nur, geliebte Clara, welche soliden, trefflichen Menschen unsre Vorfahren waren. Betrachte diese eichene Masse vom allerschönsten und körnigsten Holze, so glatt polirt und gefirnißt. Das wird uns ein ganz andres Feuer geben, als unser bisheriges elendes Kiefern- und Weidengeflecht.

Aber, Heinrich, rief Clara und schlug die Hände zusammen — das Haus verderben!

Kein Mensch kommt zu uns, sagte Heinrich, wir kennen unsere Treppe und gehen selber nicht einmal auf und ab, also ist sie höchstens für unsere alte Christine da, die sich doch unendlich verwundern würde, wenn man zu ihr sagen wollte: Sieh, altes Kind, es soll einer der schönsten Eichenstämme im ganzen Forst, mannsdick, gefällt werden, vom Zimmermann und nachher vom Tischler kunstreich bearbeitet, damit du, Alte, die Stufen hinaufgehend, dich auf diesen herrlichen Eichenstamm stützen kannst. Sie müßte ja laut auflachen, die Christine. Nein, ein solches Treppengeländer ist wieder eine von des Lebens ganz unnützen Ueberflüssigkeiten; der Wald ist zu uns gekommen, da er gemerkt hat, daß wir ihn so höchst nothwendig brauchten. Ich bin ein Zauberer; nur einige Hiebe mit diesem magischen Beil, und es ergab sich dieser herrliche Stamm in meine Macht. Das kommt Alles von der Civilisation; hätte man hier immer, wie in

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[0035] aus seinen Fugen und brachte den langen und schweren Balken, der unsere ganze Stube ausfüllt, hierher. Sieh nur, geliebte Clara, welche soliden, trefflichen Menschen unsre Vorfahren waren. Betrachte diese eichene Masse vom allerschönsten und körnigsten Holze, so glatt polirt und gefirnißt. Das wird uns ein ganz andres Feuer geben, als unser bisheriges elendes Kiefern- und Weidengeflecht. Aber, Heinrich, rief Clara und schlug die Hände zusammen — das Haus verderben! Kein Mensch kommt zu uns, sagte Heinrich, wir kennen unsere Treppe und gehen selber nicht einmal auf und ab, also ist sie höchstens für unsere alte Christine da, die sich doch unendlich verwundern würde, wenn man zu ihr sagen wollte: Sieh, altes Kind, es soll einer der schönsten Eichenstämme im ganzen Forst, mannsdick, gefällt werden, vom Zimmermann und nachher vom Tischler kunstreich bearbeitet, damit du, Alte, die Stufen hinaufgehend, dich auf diesen herrlichen Eichenstamm stützen kannst. Sie müßte ja laut auflachen, die Christine. Nein, ein solches Treppengeländer ist wieder eine von des Lebens ganz unnützen Ueberflüssigkeiten; der Wald ist zu uns gekommen, da er gemerkt hat, daß wir ihn so höchst nothwendig brauchten. Ich bin ein Zauberer; nur einige Hiebe mit diesem magischen Beil, und es ergab sich dieser herrliche Stamm in meine Macht. Das kommt Alles von der Civilisation; hätte man hier immer, wie in

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/35>, abgerufen am 23.04.2024.