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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Württembergs Widerspruch.
zenden Salons verbrachte, der in seinen Berichten "die Amönität" des
großen Staatsmannes nie genug zu preisen wußte und gelegentlich ein-
mal die tiefsinnige Sentenz einflocht: "auch hier ist, nach meiner Ansicht,
der Sonnenuntergang ein sehr interessanter Augenblick." Mandelsloh
wagte nicht den Befehl auszuführen. Erst als Metternich förmlich be-
antragte die Beschlüsse der Conferenz in einer Bundes-Supplementarakte
niederzulegen, erst am 4. März erhob der Württemberger den schüchternen
Einwand: dann würde wohl die Zustimmung der europäischen Mächte,
welche die Wiener Congreßakte unterzeichnet, einzuholen sein. Mit Ent-
rüstung verwahrten sich alle Anwesenden wider diese Ansicht, so daß Man-
delsloh seine Bemerkung zurücknehmen mußte. Unterdessen hatte er aus
Stuttgart gemessenen Befehl erhalten, den Antrag Metternich's entschieden
zurückzuweisen, und am 29. März gab er endlich einen Protest zu Proto-
koll, der sich auf die verfassungsmäßigen Rechte des Bundestags berief
und nochmals an den möglichen Einspruch der Garanten der Congreß-
akte erinnerte.

Der Streich war von langer Hand her vorbereitet. Während Man-
delsloh unter seinen Wiener Genossen Anhänger zu werben versuchte,
hatte Wintzingerode nach München geschrieben, wo Lerchenfeld eine Zeit
lang das Unternehmen Württembergs zu unterstützten versuchte. In
Frankfurt trug Wangenheim bei den Bundesgesandten eine Denkschrift um-
her, welche eindringlich vor der Gefahr warnte, daß ein neues Organ in
die Bundesverfassung eingeführt werde; der König selbst reiste nach Wei-
mar um Karl August's Hilfe zu gewinnen und durch seine Schwägerin,
die Erbgroßherzogin Maria Paulowna auf den Czaren einzuwirken.*) Der
unerwartete Schlag rief in Wien zuerst lebhafte Besorgniß hervor;
Manche hielten schon die ganze Arbeit für verloren, da die Schlußakte
nur durch einstimmigen Beschluß angenommen werden konnte. Die beiden
Großmächte aber beschlossen sofort dem Württemberger mit Ernst ent-
gegenzutreten. "Man muß", schrieb Bernstorff, "diesem nach schlecht ver-
steckten Absichten handelnden Monarchen zeigen, daß er als der öffentlich
erklärte Feind des ganzen übrigen Deutschlands dastehen würde;" und
nochmals: "er versucht unseren Verein zu sprengen, das wird zu seiner
Schande endigen; wir lassen ihm nur die Wahl beizutreten oder als
Feind aus dem Bunde auszuscheiden, sonst würde Kapodistrias trium-
phiren!"**)

Und wohl hatte der Preuße Grund zum Unwillen. Nach Allem
was in diesen Monaten unter Württembergs freiwilliger Mitwirkung

*) Zastrow's Bericht, 29. März; Goltz's Bericht, 25. April; Bernstorff's Bericht,
9. April 1820.
**) Bernstorff's Bericht, 27. März; Bernstorff an Ancillon, 27. März, an Harden-
berg, 27. März 1820.

Württembergs Widerſpruch.
zenden Salons verbrachte, der in ſeinen Berichten „die Amönität“ des
großen Staatsmannes nie genug zu preiſen wußte und gelegentlich ein-
mal die tiefſinnige Sentenz einflocht: „auch hier iſt, nach meiner Anſicht,
der Sonnenuntergang ein ſehr intereſſanter Augenblick.“ Mandelsloh
wagte nicht den Befehl auszuführen. Erſt als Metternich förmlich be-
antragte die Beſchlüſſe der Conferenz in einer Bundes-Supplementarakte
niederzulegen, erſt am 4. März erhob der Württemberger den ſchüchternen
Einwand: dann würde wohl die Zuſtimmung der europäiſchen Mächte,
welche die Wiener Congreßakte unterzeichnet, einzuholen ſein. Mit Ent-
rüſtung verwahrten ſich alle Anweſenden wider dieſe Anſicht, ſo daß Man-
delsloh ſeine Bemerkung zurücknehmen mußte. Unterdeſſen hatte er aus
Stuttgart gemeſſenen Befehl erhalten, den Antrag Metternich’s entſchieden
zurückzuweiſen, und am 29. März gab er endlich einen Proteſt zu Proto-
koll, der ſich auf die verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundestags berief
und nochmals an den möglichen Einſpruch der Garanten der Congreß-
akte erinnerte.

Der Streich war von langer Hand her vorbereitet. Während Man-
delsloh unter ſeinen Wiener Genoſſen Anhänger zu werben verſuchte,
hatte Wintzingerode nach München geſchrieben, wo Lerchenfeld eine Zeit
lang das Unternehmen Württembergs zu unterſtützten verſuchte. In
Frankfurt trug Wangenheim bei den Bundesgeſandten eine Denkſchrift um-
her, welche eindringlich vor der Gefahr warnte, daß ein neues Organ in
die Bundesverfaſſung eingeführt werde; der König ſelbſt reiſte nach Wei-
mar um Karl Auguſt’s Hilfe zu gewinnen und durch ſeine Schwägerin,
die Erbgroßherzogin Maria Paulowna auf den Czaren einzuwirken.*) Der
unerwartete Schlag rief in Wien zuerſt lebhafte Beſorgniß hervor;
Manche hielten ſchon die ganze Arbeit für verloren, da die Schlußakte
nur durch einſtimmigen Beſchluß angenommen werden konnte. Die beiden
Großmächte aber beſchloſſen ſofort dem Württemberger mit Ernſt ent-
gegenzutreten. „Man muß“, ſchrieb Bernſtorff, „dieſem nach ſchlecht ver-
ſteckten Abſichten handelnden Monarchen zeigen, daß er als der öffentlich
erklärte Feind des ganzen übrigen Deutſchlands daſtehen würde;“ und
nochmals: „er verſucht unſeren Verein zu ſprengen, das wird zu ſeiner
Schande endigen; wir laſſen ihm nur die Wahl beizutreten oder als
Feind aus dem Bunde auszuſcheiden, ſonſt würde Kapodiſtrias trium-
phiren!“**)

Und wohl hatte der Preuße Grund zum Unwillen. Nach Allem
was in dieſen Monaten unter Württembergs freiwilliger Mitwirkung

*) Zaſtrow’s Bericht, 29. März; Goltz’s Bericht, 25. April; Bernſtorff’s Bericht,
9. April 1820.
**) Bernſtorff’s Bericht, 27. März; Bernſtorff an Ancillon, 27. März, an Harden-
berg, 27. März 1820.
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[25/0041] Württembergs Widerſpruch. zenden Salons verbrachte, der in ſeinen Berichten „die Amönität“ des großen Staatsmannes nie genug zu preiſen wußte und gelegentlich ein- mal die tiefſinnige Sentenz einflocht: „auch hier iſt, nach meiner Anſicht, der Sonnenuntergang ein ſehr intereſſanter Augenblick.“ Mandelsloh wagte nicht den Befehl auszuführen. Erſt als Metternich förmlich be- antragte die Beſchlüſſe der Conferenz in einer Bundes-Supplementarakte niederzulegen, erſt am 4. März erhob der Württemberger den ſchüchternen Einwand: dann würde wohl die Zuſtimmung der europäiſchen Mächte, welche die Wiener Congreßakte unterzeichnet, einzuholen ſein. Mit Ent- rüſtung verwahrten ſich alle Anweſenden wider dieſe Anſicht, ſo daß Man- delsloh ſeine Bemerkung zurücknehmen mußte. Unterdeſſen hatte er aus Stuttgart gemeſſenen Befehl erhalten, den Antrag Metternich’s entſchieden zurückzuweiſen, und am 29. März gab er endlich einen Proteſt zu Proto- koll, der ſich auf die verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundestags berief und nochmals an den möglichen Einſpruch der Garanten der Congreß- akte erinnerte. Der Streich war von langer Hand her vorbereitet. Während Man- delsloh unter ſeinen Wiener Genoſſen Anhänger zu werben verſuchte, hatte Wintzingerode nach München geſchrieben, wo Lerchenfeld eine Zeit lang das Unternehmen Württembergs zu unterſtützten verſuchte. In Frankfurt trug Wangenheim bei den Bundesgeſandten eine Denkſchrift um- her, welche eindringlich vor der Gefahr warnte, daß ein neues Organ in die Bundesverfaſſung eingeführt werde; der König ſelbſt reiſte nach Wei- mar um Karl Auguſt’s Hilfe zu gewinnen und durch ſeine Schwägerin, die Erbgroßherzogin Maria Paulowna auf den Czaren einzuwirken. *) Der unerwartete Schlag rief in Wien zuerſt lebhafte Beſorgniß hervor; Manche hielten ſchon die ganze Arbeit für verloren, da die Schlußakte nur durch einſtimmigen Beſchluß angenommen werden konnte. Die beiden Großmächte aber beſchloſſen ſofort dem Württemberger mit Ernſt ent- gegenzutreten. „Man muß“, ſchrieb Bernſtorff, „dieſem nach ſchlecht ver- ſteckten Abſichten handelnden Monarchen zeigen, daß er als der öffentlich erklärte Feind des ganzen übrigen Deutſchlands daſtehen würde;“ und nochmals: „er verſucht unſeren Verein zu ſprengen, das wird zu ſeiner Schande endigen; wir laſſen ihm nur die Wahl beizutreten oder als Feind aus dem Bunde auszuſcheiden, ſonſt würde Kapodiſtrias trium- phiren!“ **) Und wohl hatte der Preuße Grund zum Unwillen. Nach Allem was in dieſen Monaten unter Württembergs freiwilliger Mitwirkung *) Zaſtrow’s Bericht, 29. März; Goltz’s Bericht, 25. April; Bernſtorff’s Bericht, 9. April 1820. **) Bernſtorff’s Bericht, 27. März; Bernſtorff an Ancillon, 27. März, an Harden- berg, 27. März 1820.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/41>, abgerufen am 28.03.2024.