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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul

Jch bekam selbst vor einiger Zeit Anlaß, einen sol-
chen Vers-Brief auf die Hochzeit eines werthgeschätz-
ten Freundes zu verfertigen: Der Titul war also ab-
gefasset:

Herr
Doctor N.
soll
diß Brieffgen selbst
erbrechen,
Ein andrer
möchte sich vielleicht
ins Siegel
stechen.

Der Jnhalt lautete folgender massen:

Mein Herr, er ladet mich zu seiner Hochzeit ein;
Jch würd' auch gantz gewiß mit Lust sein Gäflgen seyn,
Wenn mich die Arbeit nur von hier aus Leipzig liesse,
Und ich mich nicht so sehr an weite Reisen stieße.
So kan ich ihn denn nicht in seinem Krantze sehn:
Doch soll um diese Zeit bey mir auch was geschehn;
Jch will sein Hochzeit-Fest in Leipzig celebriren,
Er wird die Krafft davon in seinem Hertzen spüren.
Jn meinem Stübgen soll die Freude vor sich gehn,
Der Freunde Compagnie soll mir zur Seite stehn.
Jn solcher Assemblee wird man diß Liedgen singen,
Es wird ein zarter Wind den Schall nach - - bringen.
1.
Verliebter Freund!
Wo ist sein tapfrer Geist?
Der nichts von Lieben hör'te,
Den keine Venus stör'te,
Der ietzt ein anders weist.
Er hat uns was gesagt, das er nicht so gemeynt.
Verliebter Freund!

2. Ge-
Das IV. Capitul

Jch bekam ſelbſt vor einiger Zeit Anlaß, einen ſol-
chen Vers-Brief auf die Hochzeit eines werthgeſchaͤtz-
ten Freundes zu verfertigen: Der Titul war alſo ab-
gefaſſet:

Herr
Doctor N.
ſoll
diß Brieffgen ſelbſt
erbrechen,
Ein andrer
moͤchte ſich vielleicht
ins Siegel
ſtechen.

Der Jnhalt lautete folgender maſſen:

Mein Herr, er ladet mich zu ſeiner Hochzeit ein;
Jch wuͤrd’ auch gantz gewiß mit Luſt ſein Gaͤflgen ſeyn,
Wenn mich die Arbeit nur von hier aus Leipzig lieſſe,
Und ich mich nicht ſo ſehr an weite Reiſen ſtieße.
So kan ich ihn denn nicht in ſeinem Krantze ſehn:
Doch ſoll um dieſe Zeit bey mir auch was geſchehn;
Jch will ſein Hochzeit-Feſt in Leipzig celebriren,
Er wird die Krafft davon in ſeinem Hertzen ſpuͤren.
Jn meinem Stuͤbgen ſoll die Freude vor ſich gehn,
Der Freunde Compagnie ſoll mir zur Seite ſtehn.
Jn ſolcher Aſſemblée wird man diß Liedgen ſingen,
Es wird ein zarter Wind den Schall nach ‒ ‒ bringen.
1.
Verliebter Freund!
Wo iſt ſein tapfrer Geiſt?
Der nichts von Lieben hoͤr’te,
Den keine Venus ſtoͤr’te,
Der ietzt ein anders weiſt.
Er hat uns was geſagt, das er nicht ſo gemeynt.
Verliebter Freund!

2. Ge-
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[80/0084] Das IV. Capitul Jch bekam ſelbſt vor einiger Zeit Anlaß, einen ſol- chen Vers-Brief auf die Hochzeit eines werthgeſchaͤtz- ten Freundes zu verfertigen: Der Titul war alſo ab- gefaſſet: Herr Doctor N. ſoll diß Brieffgen ſelbſt erbrechen, Ein andrer moͤchte ſich vielleicht ins Siegel ſtechen. Der Jnhalt lautete folgender maſſen: Mein Herr, er ladet mich zu ſeiner Hochzeit ein; Jch wuͤrd’ auch gantz gewiß mit Luſt ſein Gaͤflgen ſeyn, Wenn mich die Arbeit nur von hier aus Leipzig lieſſe, Und ich mich nicht ſo ſehr an weite Reiſen ſtieße. So kan ich ihn denn nicht in ſeinem Krantze ſehn: Doch ſoll um dieſe Zeit bey mir auch was geſchehn; Jch will ſein Hochzeit-Feſt in Leipzig celebriren, Er wird die Krafft davon in ſeinem Hertzen ſpuͤren. Jn meinem Stuͤbgen ſoll die Freude vor ſich gehn, Der Freunde Compagnie ſoll mir zur Seite ſtehn. Jn ſolcher Aſſemblée wird man diß Liedgen ſingen, Es wird ein zarter Wind den Schall nach ‒ ‒ bringen. 1. Verliebter Freund! Wo iſt ſein tapfrer Geiſt? Der nichts von Lieben hoͤr’te, Den keine Venus ſtoͤr’te, Der ietzt ein anders weiſt. Er hat uns was geſagt, das er nicht ſo gemeynt. Verliebter Freund! 2. Ge-

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/84>, abgerufen am 28.03.2024.