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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul
eine Frauens-Person ein kleines Kind auf dem Arme
liegen hatte, und zwar einen Fecher in der Hand führete,
die Augen aber gantz frey behielt und solche auf das
Kind werffen kunte. Uber diesem Bilde stunden fol-
gende Worte: Es ist alles gantz verstellt. Die
Verse drüber lauteten also:

Wilst du, verstelltes Bild, die Kinder-Lust verstecken?
Begehret sich ein Kind auf deinen Arm zu strecken,
So muß der Fecher her: Doch sind die Augen frey,
Wer glaubt, daß Kinder Lust in dir erstorben sey.
So pflegt es halb-ältliche Jugend zu machen,
Sie sieht nicht, und sieht doch nach kindischen Sachen.
29. Was ist nach den Emblematischen Ver-
sen zu betrachten?

Die Spräch-Gedichte, da einige Personen
mit einander redend eingeführet werden, es mag seyn,
in was vor Fällen es will. Solche Personen nun
können entweder erdichtet, oder wahrhafftig seyn.
Das Gespräche selbst kan so eingerichtet werden,
daß eine Person eine gantze Strophe, oder nur eine
Zeile und halbe Zeile rede. Fast lauter gantze Stro-
phen kamen auf eine Person, in demjenigen artigen
Gespräche, welches dem Durchl. Printzen Eugenio
von Savoyen und dem in Cremona gefangenen Duc
de Villeroy
vor einiger Zeit angedichtet worden. Weil
nun dasselbe gar curieus und lustig (ob es gleich etwas
reiner seyn könte und solte) ist, und zeiget, wie schwer die
Teutsche Sprache den Frantzosen zu reden vorkommt,
wird es dem munteren Leser nicht mißfallen, wenn sich
solches gantze Gespräche allhier praesentiret.

Villeroy

Das IV. Capitul
eine Frauens-Perſon ein kleines Kind auf dem Arme
liegen hatte, und zwar einen Fecher in der Hand fuͤhrete,
die Augen aber gantz frey behielt und ſolche auf das
Kind werffen kunte. Uber dieſem Bilde ſtunden fol-
gende Worte: Es iſt alles gantz verſtellt. Die
Verſe druͤber lauteten alſo:

Wilſt du, verſtelltes Bild, die Kinder-Luſt verſtecken?
Begehret ſich ein Kind auf deinen Arm zu ſtrecken,
So muß der Fecher her: Doch ſind die Augen frey,
Wer glaubt, daß Kinder Luſt in dir erſtorben ſey.
So pflegt es halb-aͤltliche Jugend zu machen,
Sie ſieht nicht, und ſieht doch nach kindiſchen Sachen.
29. Was iſt nach den Emblematiſchen Ver-
ſen zu betrachten?

Die Spraͤch-Gedichte, da einige Perſonen
mit einander redend eingefuͤhret werden, es mag ſeyn,
in was vor Faͤllen es will. Solche Perſonen nun
koͤnnen entweder erdichtet, oder wahrhafftig ſeyn.
Das Geſpraͤche ſelbſt kan ſo eingerichtet werden,
daß eine Perſon eine gantze Strophe, oder nur eine
Zeile und halbe Zeile rede. Faſt lauter gantze Stro-
phen kamen auf eine Perſon, in demjenigen artigen
Geſpraͤche, welches dem Durchl. Printzen Eugenio
von Savoyen und dem in Cremona gefangenen Duc
de Villeroy
vor einiger Zeit angedichtet worden. Weil
nun daſſelbe gar curieus und luſtig (ob es gleich etwas
reiner ſeyn koͤnte und ſolte) iſt, und zeiget, wie ſchwer die
Teutſche Sprache den Frantzoſen zu reden vorkommt,
wird es dem munteren Leſer nicht mißfallen, wenn ſich
ſolches gantze Geſpraͤche allhier præſentiret.

Villeroy
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[86/0090] Das IV. Capitul eine Frauens-Perſon ein kleines Kind auf dem Arme liegen hatte, und zwar einen Fecher in der Hand fuͤhrete, die Augen aber gantz frey behielt und ſolche auf das Kind werffen kunte. Uber dieſem Bilde ſtunden fol- gende Worte: Es iſt alles gantz verſtellt. Die Verſe druͤber lauteten alſo: Wilſt du, verſtelltes Bild, die Kinder-Luſt verſtecken? Begehret ſich ein Kind auf deinen Arm zu ſtrecken, So muß der Fecher her: Doch ſind die Augen frey, Wer glaubt, daß Kinder Luſt in dir erſtorben ſey. So pflegt es halb-aͤltliche Jugend zu machen, Sie ſieht nicht, und ſieht doch nach kindiſchen Sachen. 29. Was iſt nach den Emblematiſchen Ver- ſen zu betrachten? Die Spraͤch-Gedichte, da einige Perſonen mit einander redend eingefuͤhret werden, es mag ſeyn, in was vor Faͤllen es will. Solche Perſonen nun koͤnnen entweder erdichtet, oder wahrhafftig ſeyn. Das Geſpraͤche ſelbſt kan ſo eingerichtet werden, daß eine Perſon eine gantze Strophe, oder nur eine Zeile und halbe Zeile rede. Faſt lauter gantze Stro- phen kamen auf eine Perſon, in demjenigen artigen Geſpraͤche, welches dem Durchl. Printzen Eugenio von Savoyen und dem in Cremona gefangenen Duc de Villeroy vor einiger Zeit angedichtet worden. Weil nun daſſelbe gar curieus und luſtig (ob es gleich etwas reiner ſeyn koͤnte und ſolte) iſt, und zeiget, wie ſchwer die Teutſche Sprache den Frantzoſen zu reden vorkommt, wird es dem munteren Leſer nicht mißfallen, wenn ſich ſolches gantze Geſpraͤche allhier præſentiret. Villeroy

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/90>, abgerufen am 28.03.2024.