Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

sind, noch vielleicht je statt fanden. Daß Herbert auch
äußerlich seinem Freunde zum festen Anhalt gedient, ihn,
wie auch manchen Andern, nach Kräften durch Geld¬
mittel unterstützt, in welcher Hinsicht die großartigste
Unbefangenheit zwischen ihnen waltete, darf hiebei nur
als Nebensache anzumerken seyn. War Erhard aus
freiem Geisteswirken, wie es ihm vorgeschwebt und zum
Theil schon wirklich geworden, zur strengen Ausübung
einer besonderen bürgerlichen Thätigkeit herabgedrängt,
die er bei ihren reichen geistigen Bestandtheilen doch
nur hinnehmen, nicht mit seinem höchsten Berufe für
eins halten konnte, so war die Wendung, welche die
Geschichte seines Herzens nahm, nicht günstiger. In
seinem idealen Streben vorübergehend gestört, aber dar¬
um weder der höchsten Ansprüche desselben ledig, noch
selbst ihre erscheinenden Gestalten entbehrend, knüpfte er
ein Band, welches seinen augenblicklichen Neigungen
zwar genügen, aber jene nicht auslöschen, noch zu
ihnen zurückführen konnte. Hier war der Knoten von
Erhards Schicksal unauflöslich geschürzt, durch abwei¬
chende Art und Richtung ein weiter Raum des inneren
Zwiespalts eröffnet, und dem Betrachter dürfte bei die¬
sem Beispiele vielleicht wie bei manchem andern der
nachdenkliche Ausspruch einleuchten, daß für Männer,
die irgend einem Höchsten unbedingt leben wollen, ein
solches Band überhaupt nicht statt finden dürfe, da ein
durchaus entsprechendes im einzelnen Fall kaum gehofft

ſind, noch vielleicht je ſtatt fanden. Daß Herbert auch
aͤußerlich ſeinem Freunde zum feſten Anhalt gedient, ihn,
wie auch manchen Andern, nach Kraͤften durch Geld¬
mittel unterſtuͤtzt, in welcher Hinſicht die großartigſte
Unbefangenheit zwiſchen ihnen waltete, darf hiebei nur
als Nebenſache anzumerken ſeyn. War Erhard aus
freiem Geiſteswirken, wie es ihm vorgeſchwebt und zum
Theil ſchon wirklich geworden, zur ſtrengen Ausuͤbung
einer beſonderen buͤrgerlichen Thaͤtigkeit herabgedraͤngt,
die er bei ihren reichen geiſtigen Beſtandtheilen doch
nur hinnehmen, nicht mit ſeinem hoͤchſten Berufe fuͤr
eins halten konnte, ſo war die Wendung, welche die
Geſchichte ſeines Herzens nahm, nicht guͤnſtiger. In
ſeinem idealen Streben voruͤbergehend geſtoͤrt, aber dar¬
um weder der hoͤchſten Anſpruͤche deſſelben ledig, noch
ſelbſt ihre erſcheinenden Geſtalten entbehrend, knuͤpfte er
ein Band, welches ſeinen augenblicklichen Neigungen
zwar genuͤgen, aber jene nicht ausloͤſchen, noch zu
ihnen zuruͤckfuͤhren konnte. Hier war der Knoten von
Erhards Schickſal unaufloͤslich geſchuͤrzt, durch abwei¬
chende Art und Richtung ein weiter Raum des inneren
Zwieſpalts eroͤffnet, und dem Betrachter duͤrfte bei die¬
ſem Beiſpiele vielleicht wie bei manchem andern der
nachdenkliche Ausſpruch einleuchten, daß fuͤr Maͤnner,
die irgend einem Hoͤchſten unbedingt leben wollen, ein
ſolches Band uͤberhaupt nicht ſtatt finden duͤrfe, da ein
durchaus entſprechendes im einzelnen Fall kaum gehofft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0309" n="295"/>
&#x017F;ind, noch vielleicht je &#x017F;tatt fanden. Daß Herbert auch<lb/>
a&#x0364;ußerlich &#x017F;einem Freunde zum fe&#x017F;ten Anhalt gedient, ihn,<lb/>
wie auch manchen Andern, nach Kra&#x0364;ften durch Geld¬<lb/>
mittel unter&#x017F;tu&#x0364;tzt, in welcher Hin&#x017F;icht die großartig&#x017F;te<lb/>
Unbefangenheit zwi&#x017F;chen ihnen waltete, darf hiebei nur<lb/>
als Neben&#x017F;ache anzumerken &#x017F;eyn. War Erhard aus<lb/>
freiem Gei&#x017F;teswirken, wie es ihm vorge&#x017F;chwebt und zum<lb/>
Theil &#x017F;chon wirklich geworden, zur &#x017F;trengen Ausu&#x0364;bung<lb/>
einer be&#x017F;onderen bu&#x0364;rgerlichen Tha&#x0364;tigkeit herabgedra&#x0364;ngt,<lb/>
die er bei ihren reichen gei&#x017F;tigen Be&#x017F;tandtheilen doch<lb/>
nur hinnehmen, nicht mit &#x017F;einem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Berufe fu&#x0364;r<lb/>
eins halten konnte, &#x017F;o war die Wendung, welche die<lb/>
Ge&#x017F;chichte &#x017F;eines Herzens nahm, nicht gu&#x0364;n&#x017F;tiger. In<lb/>
&#x017F;einem idealen Streben voru&#x0364;bergehend ge&#x017F;to&#x0364;rt, aber dar¬<lb/>
um weder der ho&#x0364;ch&#x017F;ten An&#x017F;pru&#x0364;che de&#x017F;&#x017F;elben ledig, noch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ihre er&#x017F;cheinenden Ge&#x017F;talten entbehrend, knu&#x0364;pfte er<lb/>
ein Band, welches &#x017F;einen augenblicklichen Neigungen<lb/>
zwar genu&#x0364;gen, aber jene nicht auslo&#x0364;&#x017F;chen, noch zu<lb/>
ihnen zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren konnte. Hier war der Knoten von<lb/>
Erhards Schick&#x017F;al unauflo&#x0364;slich ge&#x017F;chu&#x0364;rzt, durch abwei¬<lb/>
chende Art und Richtung ein weiter Raum des inneren<lb/>
Zwie&#x017F;palts ero&#x0364;ffnet, und dem Betrachter du&#x0364;rfte bei die¬<lb/>
&#x017F;em Bei&#x017F;piele vielleicht wie bei manchem andern der<lb/>
nachdenkliche Aus&#x017F;pruch einleuchten, daß fu&#x0364;r Ma&#x0364;nner,<lb/>
die irgend einem Ho&#x0364;ch&#x017F;ten unbedingt leben wollen, ein<lb/>
&#x017F;olches Band u&#x0364;berhaupt nicht &#x017F;tatt finden du&#x0364;rfe, da ein<lb/>
durchaus ent&#x017F;prechendes im einzelnen Fall kaum gehofft<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0309] ſind, noch vielleicht je ſtatt fanden. Daß Herbert auch aͤußerlich ſeinem Freunde zum feſten Anhalt gedient, ihn, wie auch manchen Andern, nach Kraͤften durch Geld¬ mittel unterſtuͤtzt, in welcher Hinſicht die großartigſte Unbefangenheit zwiſchen ihnen waltete, darf hiebei nur als Nebenſache anzumerken ſeyn. War Erhard aus freiem Geiſteswirken, wie es ihm vorgeſchwebt und zum Theil ſchon wirklich geworden, zur ſtrengen Ausuͤbung einer beſonderen buͤrgerlichen Thaͤtigkeit herabgedraͤngt, die er bei ihren reichen geiſtigen Beſtandtheilen doch nur hinnehmen, nicht mit ſeinem hoͤchſten Berufe fuͤr eins halten konnte, ſo war die Wendung, welche die Geſchichte ſeines Herzens nahm, nicht guͤnſtiger. In ſeinem idealen Streben voruͤbergehend geſtoͤrt, aber dar¬ um weder der hoͤchſten Anſpruͤche deſſelben ledig, noch ſelbſt ihre erſcheinenden Geſtalten entbehrend, knuͤpfte er ein Band, welches ſeinen augenblicklichen Neigungen zwar genuͤgen, aber jene nicht ausloͤſchen, noch zu ihnen zuruͤckfuͤhren konnte. Hier war der Knoten von Erhards Schickſal unaufloͤslich geſchuͤrzt, durch abwei¬ chende Art und Richtung ein weiter Raum des inneren Zwieſpalts eroͤffnet, und dem Betrachter duͤrfte bei die¬ ſem Beiſpiele vielleicht wie bei manchem andern der nachdenkliche Ausſpruch einleuchten, daß fuͤr Maͤnner, die irgend einem Hoͤchſten unbedingt leben wollen, ein ſolches Band uͤberhaupt nicht ſtatt finden duͤrfe, da ein durchaus entſprechendes im einzelnen Fall kaum gehofft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/309
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/309>, abgerufen am 29.03.2024.