Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

ren unwiderstehlich begleitete, und ihn bei Jünglingen
und Mädchen, bei dem Weisen von Königsberg wie
bei Staatsmännern und gebildeten Frauen der vorneh¬
men Welt, gleicherweise empfahl, hier aber in seiner
schönsten und vollesten Wirkung als das Hochbild eines
ganzen Lebens am dauerndsten sich ausgeprägt hat.

IX.

In Goethe's west-östlichem Divan wird der Houri,
welche vor Mahomet's Paradiese Wache hält, um nach
des Propheten Satzung vorzugsweise die Helden und
Kämpfer einzulassen, von dem angehaltenen Dichter
keck erwiedert:

Lass' mich immer nur herein!
Denn ich bin ein Mensch gewesen,
Und das heißt ein Kämpfer sein.
Ist demnach jeder Mensch überhaupt als Krieger anzu¬
nehmen, so bedarf es keiner besonderer Herleitung, daß
auch kein Gelehrter ohne Polemik recht zu denken sei;
die Friedensliebe mag Angriffskriege unterlassen, aber
zum Vertheidigungskriege wird auch der Nichtwollende
genöthigt, und da litterarische Verhältnisse vielfach mit
den bürgerlichen sich durchflechten, so werden öfters auch
diese mit jenen zusammen auf den Kampfplatz gerathen.
Hier gilt es denn nicht mehr allein, welche Sache,
sondern auch, welche Waffen man führt, und mit Recht
stehen die Männer in bestem Ansehn, welche mit einer

ren unwiderſtehlich begleitete, und ihn bei Juͤnglingen
und Maͤdchen, bei dem Weiſen von Koͤnigsberg wie
bei Staatsmaͤnnern und gebildeten Frauen der vorneh¬
men Welt, gleicherweiſe empfahl, hier aber in ſeiner
ſchoͤnſten und volleſten Wirkung als das Hochbild eines
ganzen Lebens am dauerndſten ſich ausgepraͤgt hat.

IX.

In Goethe’s weſt-oͤſtlichem Divan wird der Houri,
welche vor Mahomet’s Paradieſe Wache haͤlt, um nach
des Propheten Satzung vorzugsweiſe die Helden und
Kaͤmpfer einzulaſſen, von dem angehaltenen Dichter
keck erwiedert:

Laſſ' mich immer nur herein!
Denn ich bin ein Menſch geweſen,
Und das heißt ein Kämpfer ſein.
Iſt demnach jeder Menſch uͤberhaupt als Krieger anzu¬
nehmen, ſo bedarf es keiner beſonderer Herleitung, daß
auch kein Gelehrter ohne Polemik recht zu denken ſei;
die Friedensliebe mag Angriffskriege unterlaſſen, aber
zum Vertheidigungskriege wird auch der Nichtwollende
genoͤthigt, und da litterariſche Verhaͤltniſſe vielfach mit
den buͤrgerlichen ſich durchflechten, ſo werden oͤfters auch
dieſe mit jenen zuſammen auf den Kampfplatz gerathen.
Hier gilt es denn nicht mehr allein, welche Sache,
ſondern auch, welche Waffen man fuͤhrt, und mit Recht
ſtehen die Maͤnner in beſtem Anſehn, welche mit einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0312" n="298"/>
ren unwider&#x017F;tehlich begleitete, und ihn bei Ju&#x0364;nglingen<lb/>
und Ma&#x0364;dchen, bei dem Wei&#x017F;en von Ko&#x0364;nigsberg wie<lb/>
bei Staatsma&#x0364;nnern und gebildeten Frauen der vorneh¬<lb/>
men Welt, gleicherwei&#x017F;e empfahl, hier aber in &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten und volle&#x017F;ten Wirkung als das Hochbild eines<lb/>
ganzen Lebens am dauernd&#x017F;ten &#x017F;ich ausgepra&#x0364;gt hat.</p><lb/>
            </div>
            <div n="4">
              <head>IX.<lb/></head>
              <p>In Goethe&#x2019;s we&#x017F;t-o&#x0364;&#x017F;tlichem Divan wird der Houri,<lb/>
welche vor Mahomet&#x2019;s Paradie&#x017F;e Wache ha&#x0364;lt, um nach<lb/>
des Propheten Satzung vorzugswei&#x017F;e die Helden und<lb/>
Ka&#x0364;mpfer einzula&#x017F;&#x017F;en, von dem angehaltenen Dichter<lb/>
keck erwiedert:<lb/><lg type="poem"><l>La&#x017F;&#x017F;' mich immer nur herein!</l><lb/><l>Denn ich bin ein Men&#x017F;ch gewe&#x017F;en,</l><lb/><l>Und das heißt ein Kämpfer &#x017F;ein.</l><lb/></lg> I&#x017F;t demnach jeder Men&#x017F;ch u&#x0364;berhaupt als Krieger anzu¬<lb/>
nehmen, &#x017F;o bedarf es keiner be&#x017F;onderer Herleitung, daß<lb/>
auch kein Gelehrter ohne Polemik recht zu denken &#x017F;ei;<lb/>
die Friedensliebe mag Angriffskriege unterla&#x017F;&#x017F;en, aber<lb/>
zum Vertheidigungskriege wird auch der Nichtwollende<lb/>
geno&#x0364;thigt, und da litterari&#x017F;che Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e vielfach mit<lb/>
den bu&#x0364;rgerlichen &#x017F;ich durchflechten, &#x017F;o werden o&#x0364;fters auch<lb/>
die&#x017F;e mit jenen zu&#x017F;ammen auf den Kampfplatz gerathen.<lb/>
Hier gilt es denn nicht mehr allein, welche Sache,<lb/>
&#x017F;ondern auch, welche Waffen man fu&#x0364;hrt, und mit Recht<lb/>
&#x017F;tehen die Ma&#x0364;nner in be&#x017F;tem An&#x017F;ehn, welche mit einer<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0312] ren unwiderſtehlich begleitete, und ihn bei Juͤnglingen und Maͤdchen, bei dem Weiſen von Koͤnigsberg wie bei Staatsmaͤnnern und gebildeten Frauen der vorneh¬ men Welt, gleicherweiſe empfahl, hier aber in ſeiner ſchoͤnſten und volleſten Wirkung als das Hochbild eines ganzen Lebens am dauerndſten ſich ausgepraͤgt hat. IX. In Goethe’s weſt-oͤſtlichem Divan wird der Houri, welche vor Mahomet’s Paradieſe Wache haͤlt, um nach des Propheten Satzung vorzugsweiſe die Helden und Kaͤmpfer einzulaſſen, von dem angehaltenen Dichter keck erwiedert: Laſſ' mich immer nur herein! Denn ich bin ein Menſch geweſen, Und das heißt ein Kämpfer ſein. Iſt demnach jeder Menſch uͤberhaupt als Krieger anzu¬ nehmen, ſo bedarf es keiner beſonderer Herleitung, daß auch kein Gelehrter ohne Polemik recht zu denken ſei; die Friedensliebe mag Angriffskriege unterlaſſen, aber zum Vertheidigungskriege wird auch der Nichtwollende genoͤthigt, und da litterariſche Verhaͤltniſſe vielfach mit den buͤrgerlichen ſich durchflechten, ſo werden oͤfters auch dieſe mit jenen zuſammen auf den Kampfplatz gerathen. Hier gilt es denn nicht mehr allein, welche Sache, ſondern auch, welche Waffen man fuͤhrt, und mit Recht ſtehen die Maͤnner in beſtem Anſehn, welche mit einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/312
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/312>, abgerufen am 29.03.2024.