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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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alles Französische, Großstädtische in ihm von mir her? Lec-
türe, auswärtiges Departement, Very's? Alles. Adieu! Ich
lebe wie ein Schuft; ganz allein. Tilly kommt nur, wenn
er ganz in Verzweiflung ist; und will ich spaziren gehen,
ist's des Abends mit Feu. Werd' ich's aushalten? Nein!
"Nein, nein, nein! mein stolzer Sinn erliegt!" Bravour-Aria
aus der schönen Arsene. Ich mißhandle wirklich nun die
Jungens! und wen a la tete? Vetter. Ich irre mich nie!
nur hör' ich auf des tiefen Herzens Widerspruch nicht: und
zehn Jahr nachher muß ich ihm doch folgen. Adieu, grüßt
Papa und Alle.

Quast, der mir klagen kommt, grüßt herzlich, und beklagt
sich, nur so in Pausch und Bogen gegrüßt zu sein! Die Kin-
der sind wohl; die Grüße werd' ich bestellen. Da besuch ich
immer, damit sie mich nicht besuchen; allein sein hat Gold
im Munde! Wer kennt die Morgenstunde, vielleicht die
Leute, wo die Zitronen blühen. Ich bin ganz lustig?! gewiß
von vielem Waschen, sonst wüßt' ich nicht! Der Fisch im
Wasser? - - also doch ein wahr Wort! Das Sprichwort,
-- bete! Adieu.




Frau von Genlis sagt vom Eintritt der jungen Leute in
die Welt, daß nur Narren das Vergnügen der Gesellschaften,
Schauspiele und Bälle darin sähen; aber sinnige junge Per-
sonen sollten diese merkwürdige Epoche -- epoque memorable,
-- wo sie aus dem Innern ihrer Familie in die Klasse der
Bürger -- eitoyens -- aufgenommen würden, um einen Ring

alles Franzöſiſche, Großſtädtiſche in ihm von mir her? Lec-
türe, auswärtiges Departement, Very’s? Alles. Adieu! Ich
lebe wie ein Schuft; ganz allein. Tilly kommt nur, wenn
er ganz in Verzweiflung iſt; und will ich ſpaziren gehen,
iſt’s des Abends mit Feu. Werd’ ich’s aushalten? Nein!
„Nein, nein, nein! mein ſtolzer Sinn erliegt!“ Bravour-Aria
aus der ſchönen Arſene. Ich mißhandle wirklich nun die
Jungens! und wen à la tête? Vetter. Ich irre mich nie!
nur hör’ ich auf des tiefen Herzens Widerſpruch nicht: und
zehn Jahr nachher muß ich ihm doch folgen. Adieu, grüßt
Papa und Alle.

Quaſt, der mir klagen kommt, grüßt herzlich, und beklagt
ſich, nur ſo in Pauſch und Bogen gegrüßt zu ſein! Die Kin-
der ſind wohl; die Grüße werd’ ich beſtellen. Da beſuch ich
immer, damit ſie mich nicht beſuchen; allein ſein hat Gold
im Munde! Wer kennt die Morgenſtunde, vielleicht die
Leute, wo die Zitronen blühen. Ich bin ganz luſtig?! gewiß
von vielem Waſchen, ſonſt wüßt’ ich nicht! Der Fiſch im
Waſſer? ‒ ‒ alſo doch ein wahr Wort! Das Sprichwort,
bête! Adieu.




Frau von Genlis ſagt vom Eintritt der jungen Leute in
die Welt, daß nur Narren das Vergnügen der Geſellſchaften,
Schauſpiele und Bälle darin ſähen; aber ſinnige junge Per-
ſonen ſollten dieſe merkwürdige Epoche — époque mémorable,
— wo ſie aus dem Innern ihrer Familie in die Klaſſe der
Bürger — eitoyens — aufgenommen würden, um einen Ring

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[271/0285] alles Franzöſiſche, Großſtädtiſche in ihm von mir her? Lec- türe, auswärtiges Departement, Very’s? Alles. Adieu! Ich lebe wie ein Schuft; ganz allein. Tilly kommt nur, wenn er ganz in Verzweiflung iſt; und will ich ſpaziren gehen, iſt’s des Abends mit Feu. Werd’ ich’s aushalten? Nein! „Nein, nein, nein! mein ſtolzer Sinn erliegt!“ Bravour-Aria aus der ſchönen Arſene. Ich mißhandle wirklich nun die Jungens! und wen à la tête? Vetter. Ich irre mich nie! nur hör’ ich auf des tiefen Herzens Widerſpruch nicht: und zehn Jahr nachher muß ich ihm doch folgen. Adieu, grüßt Papa und Alle. Quaſt, der mir klagen kommt, grüßt herzlich, und beklagt ſich, nur ſo in Pauſch und Bogen gegrüßt zu ſein! Die Kin- der ſind wohl; die Grüße werd’ ich beſtellen. Da beſuch ich immer, damit ſie mich nicht beſuchen; allein ſein hat Gold im Munde! Wer kennt die Morgenſtunde, vielleicht die Leute, wo die Zitronen blühen. Ich bin ganz luſtig?! gewiß von vielem Waſchen, ſonſt wüßt’ ich nicht! Der Fiſch im Waſſer? ‒ ‒ alſo doch ein wahr Wort! Das Sprichwort, — bête! Adieu. 1805. Frau von Genlis ſagt vom Eintritt der jungen Leute in die Welt, daß nur Narren das Vergnügen der Geſellſchaften, Schauſpiele und Bälle darin ſähen; aber ſinnige junge Per- ſonen ſollten dieſe merkwürdige Epoche — époque mémorable, — wo ſie aus dem Innern ihrer Familie in die Klaſſe der Bürger — eitoyens — aufgenommen würden, um einen Ring

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/285>, abgerufen am 25.04.2024.