Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, und in prächtigen Zimmern und Lauben stänken! Sol-
chen Wirrwarr möchte ich sehen! Wie Pferde-Rebellion! Alles
möchte ich deutlicher und härter! Beichten, durch Zauber ver-
anstaltet, auch; wie käme da ein jeder zu dem Seinigen: das
Gold schrollte in die Erde zurück.



An Varnhagen, in Berlin.


-- Mir war ganz krank; -- die große Erschütterung des
Herzens, das gewaltige Schwanken der ganzen Seele, welches
alles sich in Angst auflöst, und beim Erwachen Schreck ist,
rüttelt ja wohl ein wenig zusammen. -- Mein Ausziehen thut
außerordentlich viel dabei! Erstlich schon etwas zu besorgen
zu haben für eine Sache, die man verabscheut; wo einem
Unrecht geschieht, das schlecht wirket; in einen fremden und
keinen neuen Ort zu kommen. Meine Leidensgruft, das
Stammhaus meiner Qual zu verlassen, mich plötzlich im
strengsten Verstande des Worts allein, und ohne jede Hoff-
nung, ohne irgend einen Plan, mit der tiefsten Einsicht, mit
der beleidigtsten Seele, ohne Muth zur Beschäftigung zu fin-
den. Du weißt, wie ich sonst lebte. Umringt, verfolgt vom
Morgen bis in die tiefe Nacht, wenn auch nur von scheinba-
ren Freunden. In meiner Familie belebt, und noch Unzählige
mit mir im Verkehr; die Stadt, Theater und Musik. -- Ver-
zeihe! Nimm hier in der Stadt diese Klage noch hin! Es
ist der Hefen unseres Umgangs. Über Feld, weiß ich, schon
jetzt, werde ich dir anders schreiben. Wozu auch so! Wer

ten, und in prächtigen Zimmern und Lauben ſtänken! Sol-
chen Wirrwarr möchte ich ſehen! Wie Pferde-Rebellion! Alles
möchte ich deutlicher und härter! Beichten, durch Zauber ver-
anſtaltet, auch; wie käme da ein jeder zu dem Seinigen: das
Gold ſchrollte in die Erde zurück.



An Varnhagen, in Berlin.


— Mir war ganz krank; — die große Erſchütterung des
Herzens, das gewaltige Schwanken der ganzen Seele, welches
alles ſich in Angſt auflöſt, und beim Erwachen Schreck iſt,
rüttelt ja wohl ein wenig zuſammen. — Mein Ausziehen thut
außerordentlich viel dabei! Erſtlich ſchon etwas zu beſorgen
zu haben für eine Sache, die man verabſcheut; wo einem
Unrecht geſchieht, das ſchlecht wirket; in einen fremden und
keinen neuen Ort zu kommen. Meine Leidensgruft, das
Stammhaus meiner Qual zu verlaſſen, mich plötzlich im
ſtrengſten Verſtande des Worts allein, und ohne jede Hoff-
nung, ohne irgend einen Plan, mit der tiefſten Einſicht, mit
der beleidigtſten Seele, ohne Muth zur Beſchäftigung zu fin-
den. Du weißt, wie ich ſonſt lebte. Umringt, verfolgt vom
Morgen bis in die tiefe Nacht, wenn auch nur von ſcheinba-
ren Freunden. In meiner Familie belebt, und noch Unzählige
mit mir im Verkehr; die Stadt, Theater und Muſik. — Ver-
zeihe! Nimm hier in der Stadt dieſe Klage noch hin! Es
iſt der Hefen unſeres Umgangs. Über Feld, weiß ich, ſchon
jetzt, werde ich dir anders ſchreiben. Wozu auch ſo! Wer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0355" n="341"/>
ten, und in prächtigen Zimmern und Lauben &#x017F;tänken! Sol-<lb/>
chen Wirrwarr möchte ich &#x017F;ehen! Wie Pferde-Rebellion! Alles<lb/>
möchte ich deutlicher und härter! Beichten, durch Zauber ver-<lb/>
an&#x017F;taltet, auch; wie käme da ein jeder zu dem Seinigen: das<lb/>
Gold &#x017F;chrollte in die Erde zurück.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Berlin.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittwoch, den 14. September 1808.</hi> </dateline><lb/>
          <p>&#x2014; Mir war ganz krank; &#x2014; die große Er&#x017F;chütterung des<lb/>
Herzens, das gewaltige Schwanken der ganzen Seele, welches<lb/>
alles &#x017F;ich in Ang&#x017F;t auflö&#x017F;t, und beim Erwachen Schreck i&#x017F;t,<lb/>
rüttelt ja wohl ein wenig zu&#x017F;ammen. &#x2014; Mein Ausziehen thut<lb/>
außerordentlich viel dabei! Er&#x017F;tlich &#x017F;chon etwas zu be&#x017F;orgen<lb/>
zu haben für eine Sache, die man verab&#x017F;cheut; wo einem<lb/>
Unrecht ge&#x017F;chieht, das &#x017F;chlecht wirket; in einen fremden und<lb/>
keinen neuen Ort zu kommen. Meine Leidensgruft, das<lb/>
Stammhaus meiner Qual zu verla&#x017F;&#x017F;en, mich plötzlich im<lb/>
&#x017F;treng&#x017F;ten Ver&#x017F;tande des Worts allein, und <hi rendition="#g">ohne jede</hi> Hoff-<lb/>
nung, ohne irgend einen Plan, mit der tief&#x017F;ten Ein&#x017F;icht, mit<lb/>
der beleidigt&#x017F;ten Seele, ohne Muth zur Be&#x017F;chäftigung zu fin-<lb/>
den. Du weißt, wie ich &#x017F;on&#x017F;t lebte. Umringt, verfolgt vom<lb/>
Morgen bis in die tiefe Nacht, wenn auch nur von &#x017F;cheinba-<lb/>
ren Freunden. In meiner Familie belebt, und noch Unzählige<lb/>
mit mir im Verkehr; die Stadt, Theater und Mu&#x017F;ik. &#x2014; Ver-<lb/>
zeihe! Nimm hier in der Stadt die&#x017F;e Klage noch hin! Es<lb/>
i&#x017F;t der Hefen un&#x017F;eres Umgangs. Über Feld, weiß ich, &#x017F;chon<lb/>
jetzt, werde ich dir anders &#x017F;chreiben. Wozu auch &#x017F;o! Wer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0355] ten, und in prächtigen Zimmern und Lauben ſtänken! Sol- chen Wirrwarr möchte ich ſehen! Wie Pferde-Rebellion! Alles möchte ich deutlicher und härter! Beichten, durch Zauber ver- anſtaltet, auch; wie käme da ein jeder zu dem Seinigen: das Gold ſchrollte in die Erde zurück. An Varnhagen, in Berlin. Mittwoch, den 14. September 1808. — Mir war ganz krank; — die große Erſchütterung des Herzens, das gewaltige Schwanken der ganzen Seele, welches alles ſich in Angſt auflöſt, und beim Erwachen Schreck iſt, rüttelt ja wohl ein wenig zuſammen. — Mein Ausziehen thut außerordentlich viel dabei! Erſtlich ſchon etwas zu beſorgen zu haben für eine Sache, die man verabſcheut; wo einem Unrecht geſchieht, das ſchlecht wirket; in einen fremden und keinen neuen Ort zu kommen. Meine Leidensgruft, das Stammhaus meiner Qual zu verlaſſen, mich plötzlich im ſtrengſten Verſtande des Worts allein, und ohne jede Hoff- nung, ohne irgend einen Plan, mit der tiefſten Einſicht, mit der beleidigtſten Seele, ohne Muth zur Beſchäftigung zu fin- den. Du weißt, wie ich ſonſt lebte. Umringt, verfolgt vom Morgen bis in die tiefe Nacht, wenn auch nur von ſcheinba- ren Freunden. In meiner Familie belebt, und noch Unzählige mit mir im Verkehr; die Stadt, Theater und Muſik. — Ver- zeihe! Nimm hier in der Stadt dieſe Klage noch hin! Es iſt der Hefen unſeres Umgangs. Über Feld, weiß ich, ſchon jetzt, werde ich dir anders ſchreiben. Wozu auch ſo! Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/355
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/355>, abgerufen am 29.03.2024.