Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Was, und wie mein Lieber, soll ich denn da entschei-
den? Frei, zu allem in der Welt, bist und bleibst du mit
mir in aller Ewigkeit, rück- und vorwärts hin; das ist aus-
gemacht. -- Alle Verwirrung liegt, wie du sagst, in den Um-
ständen: (und wahrlich, mir gefällt jetzt nur eine Art sie zu
bekämpfen: mit einem Heere!) die aber gründen sich alle, und
gründeten sich in der Vergangenheit, bloß auf den Gemüths-
zug, den du mir ausgesprochen hast. -- Ich werde nun nichts
mehr ändern, oder bereiten wollen. Das ist eben so gut, so
schlecht meine ich, als Affektiren: weder außen muß man Um-
stände provoziren und zurecht stellen wollen; noch innen Ge-
fühle: beides geht nicht; bleibt also unwahr. Edler ist's;
weil es stiller und gescheidter ist, abzuwarten in Stummheit,
und in anständiger Haltung, was geschehen kann, und was
Einem werden kann; und seine Einsicht darüber zu erklären,
erhellen: werde ich das nicht so ausführen können, so werde
ich bloß fehlen. Nun verzeih' mir auch! -- Du fürchtest, daß
dein Brief mich "in einer heftigen Stimmung träfe!" Wenige
sind explosiver als ich; das weiß ich selbst. Unvernunft aber
wirft bei mir, oder erzeugt vielmehr, die größte Explosion
nicht! Nie hat Zorn etwas in meiner Seele geschaffen, was
nicht lange ihr von meinem Geiste überkommen wäre. Zurück-
halten kann ich es lange: aber nur früher oder später wär'
es hervor gekommen. Das mußt du doch auch schon bemerkt
haben. An dir, mein Lieber, ist nun jede Entscheidung: und
ich erwarte sie mit reiner Seele. Noch Einmal aber, und aus
Grund des Herzens bitte ich dich, folge ganz und gar dem


— Was, und wie mein Lieber, ſoll ich denn da entſchei-
den? Frei, zu allem in der Welt, biſt und bleibſt du mit
mir in aller Ewigkeit, rück- und vorwärts hin; das iſt aus-
gemacht. — Alle Verwirrung liegt, wie du ſagſt, in den Um-
ſtänden: (und wahrlich, mir gefällt jetzt nur eine Art ſie zu
bekämpfen: mit einem Heere!) die aber gründen ſich alle, und
gründeten ſich in der Vergangenheit, bloß auf den Gemüths-
zug, den du mir ausgeſprochen haſt. — Ich werde nun nichts
mehr ändern, oder bereiten wollen. Das iſt eben ſo gut, ſo
ſchlecht meine ich, als Affektiren: weder außen muß man Um-
ſtände provoziren und zurecht ſtellen wollen; noch innen Ge-
fühle: beides geht nicht; bleibt alſo unwahr. Edler iſt’s;
weil es ſtiller und geſcheidter iſt, abzuwarten in Stummheit,
und in anſtändiger Haltung, was geſchehen kann, und was
Einem werden kann; und ſeine Einſicht darüber zu erklären,
erhellen: werde ich das nicht ſo ausführen können, ſo werde
ich bloß fehlen. Nun verzeih’ mir auch! — Du fürchteſt, daß
dein Brief mich „in einer heftigen Stimmung träfe!“ Wenige
ſind exploſiver als ich; das weiß ich ſelbſt. Unvernunft aber
wirft bei mir, oder erzeugt vielmehr, die größte Exploſion
nicht! Nie hat Zorn etwas in meiner Seele geſchaffen, was
nicht lange ihr von meinem Geiſte überkommen wäre. Zurück-
halten kann ich es lange: aber nur früher oder ſpäter wär’
es hervor gekommen. Das mußt du doch auch ſchon bemerkt
haben. An dir, mein Lieber, iſt nun jede Entſcheidung: und
ich erwarte ſie mit reiner Seele. Noch Einmal aber, und aus
Grund des Herzens bitte ich dich, folge ganz und gar dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0411" n="397"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag, den 31. Januar.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x2014; Was, und wie mein Lieber, &#x017F;oll ich denn da ent&#x017F;chei-<lb/>
den? Frei, zu allem in der Welt, bi&#x017F;t und bleib&#x017F;t du mit<lb/>
mir in aller Ewigkeit, rück- und vorwärts hin; das i&#x017F;t aus-<lb/>
gemacht. &#x2014; Alle Verwirrung liegt, wie du &#x017F;ag&#x017F;t, in den Um-<lb/>
&#x017F;tänden: (und wahrlich, mir gefällt jetzt nur <hi rendition="#g">eine</hi> Art &#x017F;ie zu<lb/>
bekämpfen: mit einem Heere!) die aber gründen &#x017F;ich alle, und<lb/>
gründeten &#x017F;ich in der Vergangenheit, bloß auf den Gemüths-<lb/>
zug, den du mir ausge&#x017F;prochen ha&#x017F;t. &#x2014; Ich werde nun nichts<lb/>
mehr ändern, oder bereiten wollen. Das i&#x017F;t eben &#x017F;o gut, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlecht meine ich, als Affektiren: weder außen muß man Um-<lb/>
&#x017F;tände provoziren und zurecht &#x017F;tellen wollen; noch innen Ge-<lb/>
fühle: beides geht nicht; bleibt al&#x017F;o unwahr. Edler i&#x017F;t&#x2019;s;<lb/>
weil es &#x017F;tiller und ge&#x017F;cheidter i&#x017F;t, abzuwarten in Stummheit,<lb/>
und in an&#x017F;tändiger Haltung, was ge&#x017F;chehen kann, und was<lb/>
Einem werden kann; und &#x017F;eine Ein&#x017F;icht darüber zu erklären,<lb/>
erhellen: werde ich das nicht &#x017F;o ausführen können, &#x017F;o werde<lb/>
ich bloß fehlen. Nun verzeih&#x2019; mir auch! &#x2014; Du fürchte&#x017F;t, daß<lb/>
dein Brief mich &#x201E;in einer heftigen Stimmung träfe!&#x201C; Wenige<lb/>
&#x017F;ind explo&#x017F;iver als ich; das weiß ich &#x017F;elb&#x017F;t. Unvernunft aber<lb/>
wirft bei mir, oder erzeugt vielmehr, die größte Explo&#x017F;ion<lb/>
nicht! Nie hat Zorn etwas in meiner Seele ge&#x017F;chaffen, was<lb/>
nicht lange ihr von meinem Gei&#x017F;te überkommen wäre. Zurück-<lb/>
halten kann ich es lange: aber nur früher oder &#x017F;päter wär&#x2019;<lb/>
es hervor gekommen. Das mußt du doch auch &#x017F;chon bemerkt<lb/>
haben. An dir, mein Lieber, i&#x017F;t nun jede Ent&#x017F;cheidung: und<lb/>
ich erwarte &#x017F;ie mit reiner Seele. Noch Einmal aber, und aus<lb/>
Grund des Herzens bitte ich dich, folge ganz und gar dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0411] Dienstag, den 31. Januar. — Was, und wie mein Lieber, ſoll ich denn da entſchei- den? Frei, zu allem in der Welt, biſt und bleibſt du mit mir in aller Ewigkeit, rück- und vorwärts hin; das iſt aus- gemacht. — Alle Verwirrung liegt, wie du ſagſt, in den Um- ſtänden: (und wahrlich, mir gefällt jetzt nur eine Art ſie zu bekämpfen: mit einem Heere!) die aber gründen ſich alle, und gründeten ſich in der Vergangenheit, bloß auf den Gemüths- zug, den du mir ausgeſprochen haſt. — Ich werde nun nichts mehr ändern, oder bereiten wollen. Das iſt eben ſo gut, ſo ſchlecht meine ich, als Affektiren: weder außen muß man Um- ſtände provoziren und zurecht ſtellen wollen; noch innen Ge- fühle: beides geht nicht; bleibt alſo unwahr. Edler iſt’s; weil es ſtiller und geſcheidter iſt, abzuwarten in Stummheit, und in anſtändiger Haltung, was geſchehen kann, und was Einem werden kann; und ſeine Einſicht darüber zu erklären, erhellen: werde ich das nicht ſo ausführen können, ſo werde ich bloß fehlen. Nun verzeih’ mir auch! — Du fürchteſt, daß dein Brief mich „in einer heftigen Stimmung träfe!“ Wenige ſind exploſiver als ich; das weiß ich ſelbſt. Unvernunft aber wirft bei mir, oder erzeugt vielmehr, die größte Exploſion nicht! Nie hat Zorn etwas in meiner Seele geſchaffen, was nicht lange ihr von meinem Geiſte überkommen wäre. Zurück- halten kann ich es lange: aber nur früher oder ſpäter wär’ es hervor gekommen. Das mußt du doch auch ſchon bemerkt haben. An dir, mein Lieber, iſt nun jede Entſcheidung: und ich erwarte ſie mit reiner Seele. Noch Einmal aber, und aus Grund des Herzens bitte ich dich, folge ganz und gar dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/411
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/411>, abgerufen am 24.04.2024.