Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht; gethan will ich alles haben, was helfen kann: mein
tiefes gränzenloses Unglück liegt darin, daß ich keine That zu
meiner Hülfe weiß! -- -- Marwitz hat mir mit derselben
Post einen großartigen, edlen, himmlisch ausgedrückten Brief
geschickt. -- Sein Bruder ist außer Gefahr, schreibt er. --
Marwitz lieb ich nach wie vor. Sei gut gegen ihn: er ist
etwas unsicher über dich geworden. Wie edel drückt er das
aus! Wie fragend! Kannst du denn sein Gemüthe nicht fin-
den, wie ich; den Lebenspunkt, das Herz, wo alle seine Eigen-
schaften hinlaufen und ausgehen? --



An Fouque, in Nennhausen.


Nur ein flüchtiger Gruß wird es auch heute! Wenn Mar-
tern Ihnen Ersatz sein könnten, so hätten Sie völligen; so habe
ich mich gemartert durch das Aufschieben des Schreibens. Ihr
Brief ist mir nicht zur Hand, sonst sollte doch dieser Ihnen
lieber werden. Wie sehr rührte Ihrer mein Herz; wie ernst
fand ich ihn; und Sie dadurch. Wußt' ich's doch, daß man
zu solchem Scherz, wie Sie ihn üben, nicht kommen kann
ohne inneres Scheitern! Sie kommen mir in Ihrem Briefe
sehr an sich und an Ihr Talent verwiesen vor: und drückte
er auch nur eine einzelne Stimmung aus, und sind Ihnen
hundert und wieder hundert noch so freudige, reiche durch die
Seele gegangen: ich kenne doch den beleidigten Punkt im
Gemüthe, wo diese entspringt, und nur zugedammt werden
kann, nie aufgehoben. In welchem Zustande aber, lieber

nicht; gethan will ich alles haben, was helfen kann: mein
tiefes gränzenloſes Unglück liegt darin, daß ich keine That zu
meiner Hülfe weiß! — — Marwitz hat mir mit derſelben
Poſt einen großartigen, edlen, himmliſch ausgedrückten Brief
geſchickt. — Sein Bruder iſt außer Gefahr, ſchreibt er. —
Marwitz lieb ich nach wie vor. Sei gut gegen ihn: er iſt
etwas unſicher über dich geworden. Wie edel drückt er das
aus! Wie fragend! Kannſt du denn ſein Gemüthe nicht fin-
den, wie ich; den Lebenspunkt, das Herz, wo alle ſeine Eigen-
ſchaften hinlaufen und ausgehen? —



An Fouqué, in Nennhauſen.


Nur ein flüchtiger Gruß wird es auch heute! Wenn Mar-
tern Ihnen Erſatz ſein könnten, ſo hätten Sie völligen; ſo habe
ich mich gemartert durch das Aufſchieben des Schreibens. Ihr
Brief iſt mir nicht zur Hand, ſonſt ſollte doch dieſer Ihnen
lieber werden. Wie ſehr rührte Ihrer mein Herz; wie ernſt
fand ich ihn; und Sie dadurch. Wußt’ ich’s doch, daß man
zu ſolchem Scherz, wie Sie ihn üben, nicht kommen kann
ohne inneres Scheitern! Sie kommen mir in Ihrem Briefe
ſehr an ſich und an Ihr Talent verwieſen vor: und drückte
er auch nur eine einzelne Stimmung aus, und ſind Ihnen
hundert und wieder hundert noch ſo freudige, reiche durch die
Seele gegangen: ich kenne doch den beleidigten Punkt im
Gemüthe, wo dieſe entſpringt, und nur zugedammt werden
kann, nie aufgehoben. In welchem Zuſtande aber, lieber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0448" n="434"/>
nicht; gethan will ich <hi rendition="#g">alles</hi> haben, was helfen kann: mein<lb/>
tiefes gränzenlo&#x017F;es Unglück liegt darin, daß ich keine That zu<lb/>
meiner Hülfe <hi rendition="#g">weiß</hi>! &#x2014; &#x2014; Marwitz hat mir mit der&#x017F;elben<lb/>
Po&#x017F;t einen großartigen, edlen, himmli&#x017F;ch ausgedrückten Brief<lb/>
ge&#x017F;chickt. &#x2014; Sein Bruder i&#x017F;t außer Gefahr, &#x017F;chreibt er. &#x2014;<lb/>
Marwitz lieb ich nach wie vor. Sei gut gegen ihn: er i&#x017F;t<lb/>
etwas un&#x017F;icher über dich geworden. Wie edel drückt er das<lb/>
aus! Wie fragend! Kann&#x017F;t du denn &#x017F;ein Gemüthe nicht fin-<lb/>
den, wie ich; den Lebenspunkt, das Herz, wo alle &#x017F;eine Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften hinlaufen und ausgehen? &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi>, in Nennhau&#x017F;en.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, den 26. Juli 1809.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Nur ein flüchtiger Gruß wird es auch heute! Wenn Mar-<lb/>
tern Ihnen Er&#x017F;atz &#x017F;ein könnten, &#x017F;o hätten Sie völligen; &#x017F;o habe<lb/>
ich mich gemartert durch das Auf&#x017F;chieben des Schreibens. Ihr<lb/>
Brief i&#x017F;t mir nicht zur Hand, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ollte doch die&#x017F;er Ihnen<lb/>
lieber werden. Wie &#x017F;ehr rührte Ihrer mein Herz; wie ern&#x017F;t<lb/>
fand ich ihn; und Sie dadurch. Wußt&#x2019; ich&#x2019;s doch, daß man<lb/>
zu &#x017F;olchem Scherz, wie Sie ihn üben, nicht kommen kann<lb/>
ohne inneres Scheitern! Sie kommen mir in Ihrem Briefe<lb/>
&#x017F;ehr an &#x017F;ich und an Ihr Talent verwie&#x017F;en vor: und drückte<lb/>
er auch nur eine einzelne Stimmung aus, und &#x017F;ind Ihnen<lb/>
hundert und wieder hundert noch &#x017F;o freudige, reiche durch die<lb/>
Seele gegangen: ich kenne doch den beleidigten Punkt im<lb/>
Gemüthe, wo die&#x017F;e ent&#x017F;pringt, und nur zugedammt werden<lb/>
kann, nie aufgehoben. In welchem Zu&#x017F;tande aber, lieber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0448] nicht; gethan will ich alles haben, was helfen kann: mein tiefes gränzenloſes Unglück liegt darin, daß ich keine That zu meiner Hülfe weiß! — — Marwitz hat mir mit derſelben Poſt einen großartigen, edlen, himmliſch ausgedrückten Brief geſchickt. — Sein Bruder iſt außer Gefahr, ſchreibt er. — Marwitz lieb ich nach wie vor. Sei gut gegen ihn: er iſt etwas unſicher über dich geworden. Wie edel drückt er das aus! Wie fragend! Kannſt du denn ſein Gemüthe nicht fin- den, wie ich; den Lebenspunkt, das Herz, wo alle ſeine Eigen- ſchaften hinlaufen und ausgehen? — An Fouqué, in Nennhauſen. Berlin, den 26. Juli 1809. Nur ein flüchtiger Gruß wird es auch heute! Wenn Mar- tern Ihnen Erſatz ſein könnten, ſo hätten Sie völligen; ſo habe ich mich gemartert durch das Aufſchieben des Schreibens. Ihr Brief iſt mir nicht zur Hand, ſonſt ſollte doch dieſer Ihnen lieber werden. Wie ſehr rührte Ihrer mein Herz; wie ernſt fand ich ihn; und Sie dadurch. Wußt’ ich’s doch, daß man zu ſolchem Scherz, wie Sie ihn üben, nicht kommen kann ohne inneres Scheitern! Sie kommen mir in Ihrem Briefe ſehr an ſich und an Ihr Talent verwieſen vor: und drückte er auch nur eine einzelne Stimmung aus, und ſind Ihnen hundert und wieder hundert noch ſo freudige, reiche durch die Seele gegangen: ich kenne doch den beleidigten Punkt im Gemüthe, wo dieſe entſpringt, und nur zugedammt werden kann, nie aufgehoben. In welchem Zuſtande aber, lieber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/448
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/448>, abgerufen am 18.04.2024.