Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Grüße ja den Obrist; ich lasse ihn fragen, ob er böse auf
mich ist? -- Grüße sehr Oliva. Ich habe lange lange
nicht so zärtlich geschrieben, wie ich dich hege und an dich
denke. Es ging alles in den Plan dich zu sehen über.

Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk' ihm
stets seine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et-
was vorspielte. Wie so hält er aber so viel von mir? Den
Plan der Oper will ich durchsehen, er soll ihn mir nur schik-
ken; und aufrichtig will ich sein, ich kann gar nicht anders.



An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.

O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je schrecklicher
ist es, daß Sie weg sind. Ich erliege, ich bin überwältigt
von dem Strom der Gedanken an Sie, seid Sie weg sind;
welche Welle davon, sollt' ich schöpfen, um sie Ihnen zu sen-
den? Was ist nicht alles schon vorgefallen, was hab' ich
Ihnen nicht alles adressirt! Oft hatte ich auch Augenblicke,
wo ich zu furchtsam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in
der neuen Laufbahn gleich zu stören; Sie gleichsam nicht un-
befangen zu sich selbst kommen zu lassen, Ihnen mein Anden-
ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er
weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es ist ihm lieb,
er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober-
hand; und es ist auch besser, Sie sehnen sich nach meinen
Briefen und Worten, als daß Sie sie einen Augenblick weg-
wünschen. Das ist wahr; und ich gestehe es.


Grüße ja den Obriſt; ich laſſe ihn fragen, ob er böſe auf
mich iſt? — Grüße ſehr Oliva. Ich habe lange lange
nicht ſo zärtlich geſchrieben, wie ich dich hege und an dich
denke. Es ging alles in den Plan dich zu ſehen über.

Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk’ ihm
ſtets ſeine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et-
was vorſpielte. Wie ſo hält er aber ſo viel von mir? Den
Plan der Oper will ich durchſehen, er ſoll ihn mir nur ſchik-
ken; und aufrichtig will ich ſein, ich kann gar nicht anders.



An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.

O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je ſchrecklicher
iſt es, daß Sie weg ſind. Ich erliege, ich bin überwältigt
von dem Strom der Gedanken an Sie, ſeid Sie weg ſind;
welche Welle davon, ſollt’ ich ſchöpfen, um ſie Ihnen zu ſen-
den? Was iſt nicht alles ſchon vorgefallen, was hab’ ich
Ihnen nicht alles adreſſirt! Oft hatte ich auch Augenblicke,
wo ich zu furchtſam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in
der neuen Laufbahn gleich zu ſtören; Sie gleichſam nicht un-
befangen zu ſich ſelbſt kommen zu laſſen, Ihnen mein Anden-
ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er
weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es iſt ihm lieb,
er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober-
hand; und es iſt auch beſſer, Sie ſehnen ſich nach meinen
Briefen und Worten, als daß Sie ſie einen Augenblick weg-
wünſchen. Das iſt wahr; und ich geſtehe es.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0544" n="530"/>
          <p>Grüße ja den Obri&#x017F;t; ich la&#x017F;&#x017F;e ihn fragen, ob er bö&#x017F;e auf<lb/>
mich i&#x017F;t? &#x2014; Grüße &#x017F;ehr <hi rendition="#g">Oliva</hi>. Ich habe <hi rendition="#g">lange</hi> lange<lb/>
nicht &#x017F;o zärtlich ge&#x017F;chrieben, wie ich dich hege und an dich<lb/><hi rendition="#g">denke</hi>. Es ging alles in den Plan dich zu &#x017F;ehen über.</p><lb/>
          <p>Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk&#x2019; ihm<lb/>
&#x017F;tets &#x017F;eine <hi rendition="#g">unerwartete</hi> Gefälligkeit, daß er mir gleich et-<lb/>
was vor&#x017F;pielte. Wie &#x017F;o hält er aber &#x017F;o viel von mir? Den<lb/>
Plan der Oper will ich durch&#x017F;ehen, er &#x017F;oll ihn mir nur &#x017F;chik-<lb/>
ken; und aufrichtig will ich &#x017F;ein, ich <hi rendition="#g">kann</hi> gar nicht anders.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811.</hi> </dateline><lb/>
            <p>O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je &#x017F;chrecklicher<lb/>
i&#x017F;t es, daß Sie weg &#x017F;ind. Ich erliege, ich bin überwältigt<lb/>
von dem Strom der Gedanken an Sie, &#x017F;eid Sie weg &#x017F;ind;<lb/><hi rendition="#g">welche</hi> Welle davon, &#x017F;ollt&#x2019; ich &#x017F;chöpfen, um &#x017F;ie Ihnen zu &#x017F;en-<lb/>
den? Was i&#x017F;t nicht alles &#x017F;chon vorgefallen, was hab&#x2019; ich<lb/>
Ihnen nicht alles adre&#x017F;&#x017F;irt! Oft hatte ich auch Augenblicke,<lb/>
wo ich zu furcht&#x017F;am war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in<lb/>
der neuen Laufbahn gleich zu &#x017F;tören; Sie gleich&#x017F;am nicht un-<lb/>
befangen zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kommen zu la&#x017F;&#x017F;en, Ihnen mein Anden-<lb/>
ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er<lb/>
weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es i&#x017F;t ihm lieb,<lb/>
er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober-<lb/>
hand; und es i&#x017F;t auch be&#x017F;&#x017F;er, Sie &#x017F;ehnen &#x017F;ich nach meinen<lb/>
Briefen und Worten, als daß Sie &#x017F;ie einen Augenblick weg-<lb/>
wün&#x017F;chen. Das i&#x017F;t wahr; und ich ge&#x017F;tehe es.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0544] Grüße ja den Obriſt; ich laſſe ihn fragen, ob er böſe auf mich iſt? — Grüße ſehr Oliva. Ich habe lange lange nicht ſo zärtlich geſchrieben, wie ich dich hege und an dich denke. Es ging alles in den Plan dich zu ſehen über. Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk’ ihm ſtets ſeine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et- was vorſpielte. Wie ſo hält er aber ſo viel von mir? Den Plan der Oper will ich durchſehen, er ſoll ihn mir nur ſchik- ken; und aufrichtig will ich ſein, ich kann gar nicht anders. An Alexander von der Marwitz, in Potsdam. Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811. O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je ſchrecklicher iſt es, daß Sie weg ſind. Ich erliege, ich bin überwältigt von dem Strom der Gedanken an Sie, ſeid Sie weg ſind; welche Welle davon, ſollt’ ich ſchöpfen, um ſie Ihnen zu ſen- den? Was iſt nicht alles ſchon vorgefallen, was hab’ ich Ihnen nicht alles adreſſirt! Oft hatte ich auch Augenblicke, wo ich zu furchtſam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in der neuen Laufbahn gleich zu ſtören; Sie gleichſam nicht un- befangen zu ſich ſelbſt kommen zu laſſen, Ihnen mein Anden- ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es iſt ihm lieb, er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober- hand; und es iſt auch beſſer, Sie ſehnen ſich nach meinen Briefen und Worten, als daß Sie ſie einen Augenblick weg- wünſchen. Das iſt wahr; und ich geſtehe es.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/544
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/544>, abgerufen am 19.04.2024.