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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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von welchen die erste gewöhnlich die Länge der zweiten erreicht. An
dem Arme befinden sich zuweilen bis vierzehn Schwingen, die höchste
Zahl in der ganzen Ordnung; die Füße sind stark, kräftig, die Kral-
len groß, die Läufe vorn getäfelt, seitlich mit Stiefelschienen versehen,
welche aber auf der Außenfläche nicht ganz bis zum Fußgelenke reichen
und hier durch gekörnte Haut ersetzt werden. Die Pirole und Para-
disvögel
unterscheiden sich von den eigentlichen Raben hauptsächlich
durch die größere Anzahl der Armschwingen, sowie dadurch, daß sie
nur Früchte oder Insekten verzehren, während die Raben sich auch
von Aas und selbst von lebenden Säugethieren und Vögeln nähren.
Corvus; Pyrrhocorax; Fregilus; Cracticus; Ptilorhynchus; Callaeas;
Garrulus; Oriolus; Paradisea; Epimachus
.

Ordnung der Schreivögel. (Clamatores.)

Die Vögel dieser Ordnung, welche man bis in die neuere Zeit
fast allgemein mit den Singvögeln zusammenwarf, zeichnen sich allge-
mein durch den Mangel des Singmuskelapparates aus, der für die
vorige Ordnung als wesentlicher Charakter galt. Uebrigens entspre-
chen die einzelnen Formen so sehr denen der vorhergehenden Ordnung,
daß fast überall korrespondirende Familien gebildet werden, welche erst
durch dieses anatomische Kennzeichen, so wie durch einige Charaktere
der Fußbekleidung von einander getrennt wurden. Wir treffen bei
den Schreivögeln fast alle Formen des Schnabels, welche bei den
Singvögeln ausgebildet waren: stumpfe, kurze, kegelförmige Schnäbel
zum Kernerfressen, weit gespaltene Rachen zum Insectenhaschen, feine,
spitze, röhrenförmige Schnäbel zum Aufsaugen der Honigsäfte u. s. w.
finden sich ganz in ähnlicher Weise hier wieder vor, so daß in der
Bildung dieser Theile durchaus kein Anhaltspunkt für die Unter-
scheidung der beiden Ordnungen gegeben ist. Dagegen zeigt sich in der
Bildung der Flügel einiger Unterschied. Bei den Singvögeln hatten
wir mit alleiniger Ausnahme der Raben entweder nur neun oder zehn
Handschwingen gefunden, von denen die vorderste nur rudimentär
gestaltet war; bei den Schreivögeln dagegen finden sich stets zehn
Handschwingen, von denen die erste gewöhnlich die längste und wenig-
stens weit über die Hälfte der Länge der übrigen Schwingen hinaus-
ragt, während bei den Singvögeln sie fast immer mehr als um die

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von welchen die erſte gewöhnlich die Länge der zweiten erreicht. An
dem Arme befinden ſich zuweilen bis vierzehn Schwingen, die höchſte
Zahl in der ganzen Ordnung; die Füße ſind ſtark, kräftig, die Kral-
len groß, die Läufe vorn getäfelt, ſeitlich mit Stiefelſchienen verſehen,
welche aber auf der Außenfläche nicht ganz bis zum Fußgelenke reichen
und hier durch gekörnte Haut erſetzt werden. Die Pirole und Para-
disvögel
unterſcheiden ſich von den eigentlichen Raben hauptſächlich
durch die größere Anzahl der Armſchwingen, ſowie dadurch, daß ſie
nur Früchte oder Inſekten verzehren, während die Raben ſich auch
von Aas und ſelbſt von lebenden Säugethieren und Vögeln nähren.
Corvus; Pyrrhocorax; Fregilus; Cracticus; Ptilorhynchus; Callaeas;
Garrulus; Oriolus; Paradisea; Epimachus
.

Ordnung der Schreivögel. (Clamatores.)

Die Vögel dieſer Ordnung, welche man bis in die neuere Zeit
faſt allgemein mit den Singvögeln zuſammenwarf, zeichnen ſich allge-
mein durch den Mangel des Singmuskelapparates aus, der für die
vorige Ordnung als weſentlicher Charakter galt. Uebrigens entſpre-
chen die einzelnen Formen ſo ſehr denen der vorhergehenden Ordnung,
daß faſt überall korreſpondirende Familien gebildet werden, welche erſt
durch dieſes anatomiſche Kennzeichen, ſo wie durch einige Charaktere
der Fußbekleidung von einander getrennt wurden. Wir treffen bei
den Schreivögeln faſt alle Formen des Schnabels, welche bei den
Singvögeln ausgebildet waren: ſtumpfe, kurze, kegelförmige Schnäbel
zum Kernerfreſſen, weit geſpaltene Rachen zum Inſectenhaſchen, feine,
ſpitze, röhrenförmige Schnäbel zum Aufſaugen der Honigſäfte u. ſ. w.
finden ſich ganz in ähnlicher Weiſe hier wieder vor, ſo daß in der
Bildung dieſer Theile durchaus kein Anhaltspunkt für die Unter-
ſcheidung der beiden Ordnungen gegeben iſt. Dagegen zeigt ſich in der
Bildung der Flügel einiger Unterſchied. Bei den Singvögeln hatten
wir mit alleiniger Ausnahme der Raben entweder nur neun oder zehn
Handſchwingen gefunden, von denen die vorderſte nur rudimentär
geſtaltet war; bei den Schreivögeln dagegen finden ſich ſtets zehn
Handſchwingen, von denen die erſte gewöhnlich die längſte und wenig-
ſtens weit über die Hälfte der Länge der übrigen Schwingen hinaus-
ragt, während bei den Singvögeln ſie faſt immer mehr als um die

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[339/0345] von welchen die erſte gewöhnlich die Länge der zweiten erreicht. An dem Arme befinden ſich zuweilen bis vierzehn Schwingen, die höchſte Zahl in der ganzen Ordnung; die Füße ſind ſtark, kräftig, die Kral- len groß, die Läufe vorn getäfelt, ſeitlich mit Stiefelſchienen verſehen, welche aber auf der Außenfläche nicht ganz bis zum Fußgelenke reichen und hier durch gekörnte Haut erſetzt werden. Die Pirole und Para- disvögel unterſcheiden ſich von den eigentlichen Raben hauptſächlich durch die größere Anzahl der Armſchwingen, ſowie dadurch, daß ſie nur Früchte oder Inſekten verzehren, während die Raben ſich auch von Aas und ſelbſt von lebenden Säugethieren und Vögeln nähren. Corvus; Pyrrhocorax; Fregilus; Cracticus; Ptilorhynchus; Callaeas; Garrulus; Oriolus; Paradisea; Epimachus. Ordnung der Schreivögel. (Clamatores.) Die Vögel dieſer Ordnung, welche man bis in die neuere Zeit faſt allgemein mit den Singvögeln zuſammenwarf, zeichnen ſich allge- mein durch den Mangel des Singmuskelapparates aus, der für die vorige Ordnung als weſentlicher Charakter galt. Uebrigens entſpre- chen die einzelnen Formen ſo ſehr denen der vorhergehenden Ordnung, daß faſt überall korreſpondirende Familien gebildet werden, welche erſt durch dieſes anatomiſche Kennzeichen, ſo wie durch einige Charaktere der Fußbekleidung von einander getrennt wurden. Wir treffen bei den Schreivögeln faſt alle Formen des Schnabels, welche bei den Singvögeln ausgebildet waren: ſtumpfe, kurze, kegelförmige Schnäbel zum Kernerfreſſen, weit geſpaltene Rachen zum Inſectenhaſchen, feine, ſpitze, röhrenförmige Schnäbel zum Aufſaugen der Honigſäfte u. ſ. w. finden ſich ganz in ähnlicher Weiſe hier wieder vor, ſo daß in der Bildung dieſer Theile durchaus kein Anhaltspunkt für die Unter- ſcheidung der beiden Ordnungen gegeben iſt. Dagegen zeigt ſich in der Bildung der Flügel einiger Unterſchied. Bei den Singvögeln hatten wir mit alleiniger Ausnahme der Raben entweder nur neun oder zehn Handſchwingen gefunden, von denen die vorderſte nur rudimentär geſtaltet war; bei den Schreivögeln dagegen finden ſich ſtets zehn Handſchwingen, von denen die erſte gewöhnlich die längſte und wenig- ſtens weit über die Hälfte der Länge der übrigen Schwingen hinaus- ragt, während bei den Singvögeln ſie faſt immer mehr als um die 22*

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/345>, abgerufen am 29.03.2024.