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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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fehlen nämlich mit Ausnahme des Kamels die Schneidezähne durchaus
und sind durch einen harten, schwieligen Wulst der inneren Mundhaut
ersetzt; in der Unterkinnlade dagegen finden sich sechs bis acht meißel-
artige, schief nach außen gerichtete Schneidezähne in einem Halbkreise
gestellt. Die Eckzähne wechseln ausnehmend in ihrer Entwicklung, bei
den meisten Gattungen fehlen sie ganz, so daß eine lange, ununter-
brochene Zahnlücke sich von den Schneide- zu den Mahlzähnen hin-
zieht; bei anderen sind sie klein, hinfällig oder nur bei Männchen ent-
wickelt, bei Wenigen bedeutend groß und die des Oberkiefers zu langen
krummen Haken ausgebildet, welche auf dem Maule nach unten her-
ausstehen. Die Backzähne sind meistens in der Zahl von sechs in
jeder Kieferhälfte vorhanden, haben eine prismatische Gestalt, eine
quere Kaufläche, auf welcher sich zwei Paare von halbmondförmigen
Schmelzfalten zeigen, die der Länge nach gestellt sind und deren Con-
vexität im Unterkiefer nach außen, im Oberkiefer nach innen schaut.
Die Augenhöhle des knöchernen Schädels ist stets vollkommen abge-
schlossen, das Stirnbein häufig ausgezeichnet durch besondere Aus-
wüchse und Knochenzapfen, welche als Hörner oder Geweihe nach
außen vorstehen. Sämmtliche Füße enden in zwei mit dreieckigen Hufen
bekleidete Zehen, die gewöhnlich vollständig von einander getrennt sind.

[Abbildung] Fig 1397.

Fuß eines Hirsches von vorn und von der Seite,
um die hinteren Zehenrudimente zu zeigen.
a Schienbein. b Fußwurzel. c Mit-
telfuß aus zwei verschmolzenen Knochen
gebildet. d erste, e zweite, f dritte Pha-
langen der beiden Hauptzehen.

Untersucht man das Skelett eines sol-
chen Fußes, so findet man, daß in
ähnlicher Weise, wie bei den Ein-
hufern, der dem Mittelfuße ent-
sprechende Theil es ist, welcher durch
seine Verlängerung auch die Ver-
größerung des Fußes herbeiführt.
Dieser Mittelfußknochen aber ist bei
den Wiederkäuern deutlich aus zwei
in der Mittellinie zusammenge-
schweißten Hälften zusammengesetzt
und hat unten für jede aus drei
Gliedern zusammengesetzte Zehe einen
besonderen rollenförmigen Gelenk-
kopf. Häufig noch zeigen sich an
der hinteren Fläche dieses verschmol-
zenen Mittelfußknochens griffelför-
mige Ansätze, Rudimente der beiden
äußeren Zehen, welche besondere
kurze Zehenglieder und Afterklauen

fehlen nämlich mit Ausnahme des Kamels die Schneidezähne durchaus
und ſind durch einen harten, ſchwieligen Wulſt der inneren Mundhaut
erſetzt; in der Unterkinnlade dagegen finden ſich ſechs bis acht meißel-
artige, ſchief nach außen gerichtete Schneidezähne in einem Halbkreiſe
geſtellt. Die Eckzähne wechſeln ausnehmend in ihrer Entwicklung, bei
den meiſten Gattungen fehlen ſie ganz, ſo daß eine lange, ununter-
brochene Zahnlücke ſich von den Schneide- zu den Mahlzähnen hin-
zieht; bei anderen ſind ſie klein, hinfällig oder nur bei Männchen ent-
wickelt, bei Wenigen bedeutend groß und die des Oberkiefers zu langen
krummen Haken ausgebildet, welche auf dem Maule nach unten her-
ausſtehen. Die Backzähne ſind meiſtens in der Zahl von ſechs in
jeder Kieferhälfte vorhanden, haben eine prismatiſche Geſtalt, eine
quere Kaufläche, auf welcher ſich zwei Paare von halbmondförmigen
Schmelzfalten zeigen, die der Länge nach geſtellt ſind und deren Con-
vexität im Unterkiefer nach außen, im Oberkiefer nach innen ſchaut.
Die Augenhöhle des knöchernen Schädels iſt ſtets vollkommen abge-
ſchloſſen, das Stirnbein häufig ausgezeichnet durch beſondere Aus-
wüchſe und Knochenzapfen, welche als Hörner oder Geweihe nach
außen vorſtehen. Sämmtliche Füße enden in zwei mit dreieckigen Hufen
bekleidete Zehen, die gewöhnlich vollſtändig von einander getrennt ſind.

[Abbildung] Fig 1397.

Fuß eines Hirſches von vorn und von der Seite,
um die hinteren Zehenrudimente zu zeigen.
a Schienbein. b Fußwurzel. c Mit-
telfuß aus zwei verſchmolzenen Knochen
gebildet. d erſte, e zweite, f dritte Pha-
langen der beiden Hauptzehen.

Unterſucht man das Skelett eines ſol-
chen Fußes, ſo findet man, daß in
ähnlicher Weiſe, wie bei den Ein-
hufern, der dem Mittelfuße ent-
ſprechende Theil es iſt, welcher durch
ſeine Verlängerung auch die Ver-
größerung des Fußes herbeiführt.
Dieſer Mittelfußknochen aber iſt bei
den Wiederkäuern deutlich aus zwei
in der Mittellinie zuſammenge-
ſchweißten Hälften zuſammengeſetzt
und hat unten für jede aus drei
Gliedern zuſammengeſetzte Zehe einen
beſonderen rollenförmigen Gelenk-
kopf. Häufig noch zeigen ſich an
der hinteren Fläche dieſes verſchmol-
zenen Mittelfußknochens griffelför-
mige Anſätze, Rudimente der beiden
äußeren Zehen, welche beſondere
kurze Zehenglieder und Afterklauen

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[470/0476] fehlen nämlich mit Ausnahme des Kamels die Schneidezähne durchaus und ſind durch einen harten, ſchwieligen Wulſt der inneren Mundhaut erſetzt; in der Unterkinnlade dagegen finden ſich ſechs bis acht meißel- artige, ſchief nach außen gerichtete Schneidezähne in einem Halbkreiſe geſtellt. Die Eckzähne wechſeln ausnehmend in ihrer Entwicklung, bei den meiſten Gattungen fehlen ſie ganz, ſo daß eine lange, ununter- brochene Zahnlücke ſich von den Schneide- zu den Mahlzähnen hin- zieht; bei anderen ſind ſie klein, hinfällig oder nur bei Männchen ent- wickelt, bei Wenigen bedeutend groß und die des Oberkiefers zu langen krummen Haken ausgebildet, welche auf dem Maule nach unten her- ausſtehen. Die Backzähne ſind meiſtens in der Zahl von ſechs in jeder Kieferhälfte vorhanden, haben eine prismatiſche Geſtalt, eine quere Kaufläche, auf welcher ſich zwei Paare von halbmondförmigen Schmelzfalten zeigen, die der Länge nach geſtellt ſind und deren Con- vexität im Unterkiefer nach außen, im Oberkiefer nach innen ſchaut. Die Augenhöhle des knöchernen Schädels iſt ſtets vollkommen abge- ſchloſſen, das Stirnbein häufig ausgezeichnet durch beſondere Aus- wüchſe und Knochenzapfen, welche als Hörner oder Geweihe nach außen vorſtehen. Sämmtliche Füße enden in zwei mit dreieckigen Hufen bekleidete Zehen, die gewöhnlich vollſtändig von einander getrennt ſind. [Abbildung Fig 1397. Fuß eines Hirſches von vorn und von der Seite, um die hinteren Zehenrudimente zu zeigen. a Schienbein. b Fußwurzel. c Mit- telfuß aus zwei verſchmolzenen Knochen gebildet. d erſte, e zweite, f dritte Pha- langen der beiden Hauptzehen.] Unterſucht man das Skelett eines ſol- chen Fußes, ſo findet man, daß in ähnlicher Weiſe, wie bei den Ein- hufern, der dem Mittelfuße ent- ſprechende Theil es iſt, welcher durch ſeine Verlängerung auch die Ver- größerung des Fußes herbeiführt. Dieſer Mittelfußknochen aber iſt bei den Wiederkäuern deutlich aus zwei in der Mittellinie zuſammenge- ſchweißten Hälften zuſammengeſetzt und hat unten für jede aus drei Gliedern zuſammengeſetzte Zehe einen beſonderen rollenförmigen Gelenk- kopf. Häufig noch zeigen ſich an der hinteren Fläche dieſes verſchmol- zenen Mittelfußknochens griffelför- mige Anſätze, Rudimente der beiden äußeren Zehen, welche beſondere kurze Zehenglieder und Afterklauen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/476>, abgerufen am 29.03.2024.