Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Odüßee.
Neunzehnter Gesang.


Aber im Saale blieb der göttergleiche Odüßeus,
Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Athänä.
Eilend wandt' er sich jezt mit geflügelten Worten zum Sohne:

Laß uns, Tälemachos, gleich die Waffen im Hause verbergen!
Aber erkundigen sich die Freier, wo sie geblieben; 5
Dann besänftige sie mit guten Worten: Ich trug sie
Aus dem Rauche hinweg; denn sie sehn den alten nicht ähnlich,
Wie sie Odüßeus einst, gen Troja schiffend, zurückließ;
Sondern sind ganz entstellt von dem rußichten Dampfe des Feuers.
Und noch ein Größeres gab ein Himmlischer mir zu bedenken: 10
Daß ihr nicht etwa im Rausch euch zankt, und einander verwundet,
Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Pänelopeia
Blutig entweiht; denn selbst das Eisen ziehet den Mann an.

Also sprach Odüßeus. Der Sohn gehorchte dem Vater,
Und rief Eurükleia, die Pflegerin, zu sich, und sagte: 15

Mütterchen, halte die Weiber so lang' in ihren Gemächern,
Bis ich hinauf in den Söller die schönen Waffen des Vaters
Bringe, die hier im Saale der Rauch so schändlich entstellet;
Denn mein Vater ist weg, und ich war ehmals ein Knabe.
Jezo verwahr' ich sie dort, wo der Dampf des Feuers nicht hinkommt. 20

Oduͤßee.
Neunzehnter Geſang.


Aber im Saale blieb der goͤttergleiche Oduͤßeus,
Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Athaͤnaͤ.
Eilend wandt' er ſich jezt mit gefluͤgelten Worten zum Sohne:

Laß uns, Taͤlemachos, gleich die Waffen im Hauſe verbergen!
Aber erkundigen ſich die Freier, wo ſie geblieben; 5
Dann beſaͤnftige ſie mit guten Worten: Ich trug ſie
Aus dem Rauche hinweg; denn ſie ſehn den alten nicht aͤhnlich,
Wie ſie Oduͤßeus einſt, gen Troja ſchiffend, zuruͤckließ;
Sondern ſind ganz entſtellt von dem rußichten Dampfe des Feuers.
Und noch ein Groͤßeres gab ein Himmliſcher mir zu bedenken: 10
Daß ihr nicht etwa im Rauſch euch zankt, und einander verwundet,
Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Paͤnelopeia
Blutig entweiht; denn ſelbſt das Eiſen ziehet den Mann an.

Alſo ſprach Oduͤßeus. Der Sohn gehorchte dem Vater,
Und rief Euruͤkleia, die Pflegerin, zu ſich, und ſagte: 15

Muͤtterchen, halte die Weiber ſo lang' in ihren Gemaͤchern,
Bis ich hinauf in den Soͤller die ſchoͤnen Waffen des Vaters
Bringe, die hier im Saale der Rauch ſo ſchaͤndlich entſtellet;
Denn mein Vater iſt weg, und ich war ehmals ein Knabe.
Jezo verwahr' ich ſie dort, wo der Dampf des Feuers nicht hinkommt. 20

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0367" n="361"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Neunzehnter Ge&#x017F;ang</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>ber im Saale blieb der go&#x0364;ttergleiche Odu&#x0364;ßeus,<lb/><hi rendition="#et">Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Atha&#x0364;na&#x0364;.</hi><lb/>
Eilend wandt' er &#x017F;ich jezt mit geflu&#x0364;gelten Worten zum Sohne:</p><lb/>
        <p>Laß uns, Ta&#x0364;lemachos, gleich die Waffen im Hau&#x017F;e verbergen!<lb/>
Aber erkundigen &#x017F;ich die Freier, wo &#x017F;ie geblieben; <note place="right">5</note><lb/>
Dann be&#x017F;a&#x0364;nftige &#x017F;ie mit guten Worten: Ich trug &#x017F;ie<lb/>
Aus dem Rauche hinweg; denn &#x017F;ie &#x017F;ehn den alten nicht a&#x0364;hnlich,<lb/>
Wie &#x017F;ie Odu&#x0364;ßeus ein&#x017F;t, gen Troja &#x017F;chiffend, zuru&#x0364;ckließ;<lb/>
Sondern &#x017F;ind ganz ent&#x017F;tellt von dem rußichten Dampfe des Feuers.<lb/>
Und noch ein Gro&#x0364;ßeres gab ein Himmli&#x017F;cher mir zu bedenken: <note place="right">10</note><lb/>
Daß ihr nicht etwa im Rau&#x017F;ch euch zankt, und einander verwundet,<lb/>
Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Pa&#x0364;nelopeia<lb/>
Blutig entweiht; denn &#x017F;elb&#x017F;t das Ei&#x017F;en ziehet den Mann an.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach Odu&#x0364;ßeus. Der Sohn gehorchte dem Vater,<lb/>
Und rief Euru&#x0364;kleia, die Pflegerin, zu &#x017F;ich, und &#x017F;agte: <note place="right">15</note></p><lb/>
        <p>Mu&#x0364;tterchen, halte die Weiber &#x017F;o lang' in ihren Gema&#x0364;chern,<lb/>
Bis ich hinauf in den So&#x0364;ller die &#x017F;cho&#x0364;nen Waffen des Vaters<lb/>
Bringe, die hier im Saale der Rauch &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich ent&#x017F;tellet;<lb/>
Denn mein Vater i&#x017F;t weg, und ich war ehmals ein Knabe.<lb/>
Jezo verwahr' ich &#x017F;ie dort, wo der Dampf des Feuers nicht hinkommt. <note place="right">20</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0367] Oduͤßee. Neunzehnter Geſang. Aber im Saale blieb der goͤttergleiche Oduͤßeus, Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Athaͤnaͤ. Eilend wandt' er ſich jezt mit gefluͤgelten Worten zum Sohne: Laß uns, Taͤlemachos, gleich die Waffen im Hauſe verbergen! Aber erkundigen ſich die Freier, wo ſie geblieben; Dann beſaͤnftige ſie mit guten Worten: Ich trug ſie Aus dem Rauche hinweg; denn ſie ſehn den alten nicht aͤhnlich, Wie ſie Oduͤßeus einſt, gen Troja ſchiffend, zuruͤckließ; Sondern ſind ganz entſtellt von dem rußichten Dampfe des Feuers. Und noch ein Groͤßeres gab ein Himmliſcher mir zu bedenken: Daß ihr nicht etwa im Rauſch euch zankt, und einander verwundet, Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Paͤnelopeia Blutig entweiht; denn ſelbſt das Eiſen ziehet den Mann an. 5 10 Alſo ſprach Oduͤßeus. Der Sohn gehorchte dem Vater, Und rief Euruͤkleia, die Pflegerin, zu ſich, und ſagte: 15 Muͤtterchen, halte die Weiber ſo lang' in ihren Gemaͤchern, Bis ich hinauf in den Soͤller die ſchoͤnen Waffen des Vaters Bringe, die hier im Saale der Rauch ſo ſchaͤndlich entſtellet; Denn mein Vater iſt weg, und ich war ehmals ein Knabe. Jezo verwahr' ich ſie dort, wo der Dampf des Feuers nicht hinkommt. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/367
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/367>, abgerufen am 25.04.2024.