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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Zu Sparta wurden wir getraut. Meine Brü-
der kamen zusammen auf der Wiese, und feyerten
unser Fest. Die männliche Jugend strebte in dem
Wettkampf nach den Preisen, die wir ausgesetzt,
und nach dem Mahle begannen Tänze und Spiele,
wo sich die frohen, von Wein und Gespräch trun-
kenen Jünglinge mit dem blumengeschmückten Mäd-
chen bis zum Morgen unterhielten. Theone sank
mir weinend an die Brust. Sie war mein, ganz
mein.

Selig verlebten wir den Sommer. Auch den
Winter hindurch dauerten uns're Spiele. Jch war
im Ringen und im Laufen der Erste. Die Greise
sorgten für die Ordnung und bestimmten die Preise.
Hilarion ward wieder jung.

So kehrte der Frühling wieder, und meine
Theone fühlte sich Mutter. Von nun ward sie
mir heilig, das Kind und Abbild der erzeugenden
Natur. Da gebar sie und du, liebe Atalanta, be-
tratest die Welt.

Ueberschwänglich war deines Vaters Wonne.
Die Worte starben ihm auf den Lippen. Er drückte
mit stummem Entzücken die geschwächte blasse Mut-

Zu Sparta wurden wir getraut. Meine Bruͤ-
der kamen zuſammen auf der Wieſe, und feyerten
unſer Feſt. Die maͤnnliche Jugend ſtrebte in dem
Wettkampf nach den Preiſen, die wir ausgeſetzt,
und nach dem Mahle begannen Taͤnze und Spiele,
wo ſich die frohen, von Wein und Geſpraͤch trun-
kenen Juͤnglinge mit dem blumengeſchmuͤckten Maͤd-
chen bis zum Morgen unterhielten. Theone ſank
mir weinend an die Bruſt. Sie war mein, ganz
mein.

Selig verlebten wir den Sommer. Auch den
Winter hindurch dauerten unſ’re Spiele. Jch war
im Ringen und im Laufen der Erſte. Die Greiſe
ſorgten fuͤr die Ordnung und beſtimmten die Preiſe.
Hilarion ward wieder jung.

So kehrte der Fruͤhling wieder, und meine
Theone fuͤhlte ſich Mutter. Von nun ward ſie
mir heilig, das Kind und Abbild der erzeugenden
Natur. Da gebar ſie und du, liebe Atalanta, be-
trateſt die Welt.

Ueberſchwaͤnglich war deines Vaters Wonne.
Die Worte ſtarben ihm auf den Lippen. Er druͤckte
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[41/0041] Zu Sparta wurden wir getraut. Meine Bruͤ- der kamen zuſammen auf der Wieſe, und feyerten unſer Feſt. Die maͤnnliche Jugend ſtrebte in dem Wettkampf nach den Preiſen, die wir ausgeſetzt, und nach dem Mahle begannen Taͤnze und Spiele, wo ſich die frohen, von Wein und Geſpraͤch trun- kenen Juͤnglinge mit dem blumengeſchmuͤckten Maͤd- chen bis zum Morgen unterhielten. Theone ſank mir weinend an die Bruſt. Sie war mein, ganz mein. Selig verlebten wir den Sommer. Auch den Winter hindurch dauerten unſ’re Spiele. Jch war im Ringen und im Laufen der Erſte. Die Greiſe ſorgten fuͤr die Ordnung und beſtimmten die Preiſe. Hilarion ward wieder jung. So kehrte der Fruͤhling wieder, und meine Theone fuͤhlte ſich Mutter. Von nun ward ſie mir heilig, das Kind und Abbild der erzeugenden Natur. Da gebar ſie und du, liebe Atalanta, be- trateſt die Welt. Ueberſchwaͤnglich war deines Vaters Wonne. Die Worte ſtarben ihm auf den Lippen. Er druͤckte mit ſtummem Entzuͤcken die geſchwaͤchte blaſſe Mut-

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/41>, abgerufen am 29.03.2024.