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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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losen Zwangszahlungsmitteln: - was dem Wesen nach alles
das Gleiche ist. Aber das sind notwendig außeralltägliche Er-
scheinungen: in der Alltagswirtschaft leistet nur eigenes Ver-
mögen diesen Dienst. Aber damit allein nicht genug: er muß über-
dies wirtschaftlich "abkömmlich" sein, d. h. seine Einkünfte
dürfen nicht davon abhängen, daß er ständig persönlich seine
Arbeitskraft und sein Denken voll oder doch weit überwiegend
in den Dienst ihres Erwerbes stellt. Abkömmlich in diesem
Sinne ist nun am unbedingtesten: der Rentner, derjenige also,
der vollkommen arbeitsloses Einkommen, sei es, wie die Grund-
herren der Vergangenheit, die Großgrundbesitzer und die
Standesherren der Gegenwart, aus Grundrenten - in der
Antike und im Mittelalter auch Sklaven- oder Hörigenrenten -
oder aus Wertpapier- oder ähnlichen modernen Rentenquellen
bezieht. Weder der Arbeiter, noch - was sehr zu beachten
ist - der Unternehmer -, auch und gerade der moderne
Großunternehmer - ist in diesem Sinn abkömmlich. Denn
auch und gerade der Unternehmer - der gewerbliche sehr
viel mehr als, bei dem Saisoncharakter der Landwirtschaft, der
landwirtschaftliche Unternehmer - ist an seinen Betrieb ge-
bunden und nicht abkömmlich. Es ist für ihn meist sehr
schwer, sich auch nur zeitweilig vertreten zu lassen. Ebenso-
wenig ist dies z. B. der Arzt, je hervorragender und beschäf-
tigter er ist, desto weniger. Leichter schon, aus rein betriebs-
technischen Gründen, der Advokat - der deshalb auch als
Berufspolitiker eine ungleich größere, oft eine geradezu be-
herrschende Rolle gespielt hat. - Wir wollen diese Kasuistik
nicht weiter verfolgen, sondern wir machen uns einige Kon-
sequenzen klar.

Die Leitung eines Staates oder einer Partei durch Leute,
welche (im ökonomischen Sinn des Wortes) ausschließlich für
die Politik und nicht von der Politik leben, bedeutet not-
wendig eine "plutokratische" Rekrutierung der politisch führen-
den Schichten. Damit ist freilich nicht auch das Umgekehrte ge-
sagt: daß eine solche plutokratische Leitung auch zugleich be-
deutete, daß die politisch herrschende Schicht nicht auch "von"
der Politik zu leben trachtete, also ihre politische Herrschaft

loſen Zwangszahlungsmitteln: – was dem Weſen nach alles
das Gleiche iſt. Aber das ſind notwendig außeralltägliche Er-
ſcheinungen: in der Alltagswirtſchaft leiſtet nur eigenes Ver-
mögen dieſen Dienſt. Aber damit allein nicht genug: er muß über-
dies wirtſchaftlich „abkömmlich“ ſein, d. h. ſeine Einkünfte
dürfen nicht davon abhängen, daß er ſtändig perſönlich ſeine
Arbeitskraft und ſein Denken voll oder doch weit überwiegend
in den Dienſt ihres Erwerbes ſtellt. Abkömmlich in dieſem
Sinne iſt nun am unbedingteſten: der Rentner, derjenige alſo,
der vollkommen arbeitsloſes Einkommen, ſei es, wie die Grund-
herren der Vergangenheit, die Großgrundbeſitzer und die
Standesherren der Gegenwart, aus Grundrenten – in der
Antike und im Mittelalter auch Sklaven- oder Hörigenrenten –
oder aus Wertpapier- oder ähnlichen modernen Rentenquellen
bezieht. Weder der Arbeiter, noch – was ſehr zu beachten
iſt – der Unternehmer –, auch und gerade der moderne
Großunternehmer – iſt in dieſem Sinn abkömmlich. Denn
auch und gerade der Unternehmer – der gewerbliche ſehr
viel mehr als, bei dem Saiſoncharakter der Landwirtſchaft, der
landwirtſchaftliche Unternehmer – iſt an ſeinen Betrieb ge-
bunden und nicht abkömmlich. Es iſt für ihn meiſt ſehr
ſchwer, ſich auch nur zeitweilig vertreten zu laſſen. Ebenſo-
wenig iſt dies z. B. der Arzt, je hervorragender und beſchäf-
tigter er iſt, deſto weniger. Leichter ſchon, aus rein betriebs-
techniſchen Gründen, der Advokat – der deshalb auch als
Berufspolitiker eine ungleich größere, oft eine geradezu be-
herrſchende Rolle geſpielt hat. – Wir wollen dieſe Kaſuiſtik
nicht weiter verfolgen, ſondern wir machen uns einige Kon-
ſequenzen klar.

Die Leitung eines Staates oder einer Partei durch Leute,
welche (im ökonomiſchen Sinn des Wortes) ausſchließlich für
die Politik und nicht von der Politik leben, bedeutet not-
wendig eine „plutokratiſche“ Rekrutierung der politiſch führen-
den Schichten. Damit iſt freilich nicht auch das Umgekehrte ge-
ſagt: daß eine ſolche plutokratiſche Leitung auch zugleich be-
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[13/0013] loſen Zwangszahlungsmitteln: – was dem Weſen nach alles das Gleiche iſt. Aber das ſind notwendig außeralltägliche Er- ſcheinungen: in der Alltagswirtſchaft leiſtet nur eigenes Ver- mögen dieſen Dienſt. Aber damit allein nicht genug: er muß über- dies wirtſchaftlich „abkömmlich“ ſein, d. h. ſeine Einkünfte dürfen nicht davon abhängen, daß er ſtändig perſönlich ſeine Arbeitskraft und ſein Denken voll oder doch weit überwiegend in den Dienſt ihres Erwerbes ſtellt. Abkömmlich in dieſem Sinne iſt nun am unbedingteſten: der Rentner, derjenige alſo, der vollkommen arbeitsloſes Einkommen, ſei es, wie die Grund- herren der Vergangenheit, die Großgrundbeſitzer und die Standesherren der Gegenwart, aus Grundrenten – in der Antike und im Mittelalter auch Sklaven- oder Hörigenrenten – oder aus Wertpapier- oder ähnlichen modernen Rentenquellen bezieht. Weder der Arbeiter, noch – was ſehr zu beachten iſt – der Unternehmer –, auch und gerade der moderne Großunternehmer – iſt in dieſem Sinn abkömmlich. Denn auch und gerade der Unternehmer – der gewerbliche ſehr viel mehr als, bei dem Saiſoncharakter der Landwirtſchaft, der landwirtſchaftliche Unternehmer – iſt an ſeinen Betrieb ge- bunden und nicht abkömmlich. Es iſt für ihn meiſt ſehr ſchwer, ſich auch nur zeitweilig vertreten zu laſſen. Ebenſo- wenig iſt dies z. B. der Arzt, je hervorragender und beſchäf- tigter er iſt, deſto weniger. Leichter ſchon, aus rein betriebs- techniſchen Gründen, der Advokat – der deshalb auch als Berufspolitiker eine ungleich größere, oft eine geradezu be- herrſchende Rolle geſpielt hat. – Wir wollen dieſe Kaſuiſtik nicht weiter verfolgen, ſondern wir machen uns einige Kon- ſequenzen klar. Die Leitung eines Staates oder einer Partei durch Leute, welche (im ökonomiſchen Sinn des Wortes) ausſchließlich für die Politik und nicht von der Politik leben, bedeutet not- wendig eine „plutokratiſche“ Rekrutierung der politiſch führen- den Schichten. Damit iſt freilich nicht auch das Umgekehrte ge- ſagt: daß eine ſolche plutokratiſche Leitung auch zugleich be- deutete, daß die politiſch herrſchende Schicht nicht auch „von“ der Politik zu leben trachtete, alſo ihre politiſche Herrſchaft

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/13>, abgerufen am 18.04.2024.