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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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einander, und manche unserer "revolutionären" Verfassungs-
entwürfe, so z. B. der erste für Baden aufgestellte, wollte
dies System auf die Ministerstellen ausdehnen und behandelte
so den Staat und seine Ämter als reine Pfründnerversorgungs-
anstalt. Vor allem die Zentrumspartei begeisterte sich dafür
und machte in Baden die proportionale Verteilung der Ämter
nach Konfessionen, also ohne Rücksicht auf die Leistung, sogar
zu einem Programmpunkt. Mit steigender Zahl der Ämter
infolge der allgemeinen Bureaukratisierung und steigendem
Begehr nach ihnen als einer Form spezifisch gesicherter
Versorgung steigt für alle Parteien diese Tendenz und werden
sie für ihre Gefolgschaft immer mehr Mittel zum Zweck, derart
versorgt zu werden.

Dem steht nun aber gegenüber die Entwicklung des modernen
Beamtentums zu einer spezialistisch durch langjährige Vor-
bildung fachgeschulten hochqualifizierten geistigen Arbeiterschaft
mit einer im Jnteresse der Jntegrität hochentwickelten ständischen
Ehre, ohne welche die Gefahr furchtbarer Korruption und
gemeinen Banausentums als Schicksal über uns schweben und
auch die rein technische Leistung des Staatsapparates bedrohen
würde, dessen Bedeutung für die Wirtschaft, zumal mit zu-
nehmender Sozialisierung, stetig gestiegen ist und weiter steigen
wird. Die Dilettantenverwaltung durch Beutepolitiker, welche
in den Vereinigten Staaten Hunderttausende von Beamten,
bis zum Postboten hinunter, je nach dem Ausfall der Präsi-
dentenwahl, wechseln ließ und den lebenslänglichen Berufs-
beamten nicht kannte, ist längst durch die Civil Service Reform
durchlöchert. Rein technische, unabweisliche Bedürfnisse der
Verwaltung bedingen diese Entwicklung. Jn Europa ist das
arbeitsteilige Fachbeamtentum in einer Entwicklung von einem
halben Jahrtausend allmählich entstanden. Die italienischen
Städte und Signorien machten den Anfang; von den Monarchien
die normannischen Erobererstaaten. Bei den Finanzen der
Fürsten geschah der entscheidende Schritt. Bei den Ver-
waltungsreformen des Kaisers Max kann man sehen, wie schwer
selbst unter dem Druck der äußersten Not und Türkenherrschaft
es den Beamten gelang, auf diesem Gebiet, welches ja den

einander, und manche unſerer „revolutionären“ Verfaſſungs-
entwürfe, ſo z. B. der erſte für Baden aufgeſtellte, wollte
dies Syſtem auf die Miniſterſtellen ausdehnen und behandelte
ſo den Staat und ſeine Ämter als reine Pfründnerverſorgungs-
anſtalt. Vor allem die Zentrumspartei begeiſterte ſich dafür
und machte in Baden die proportionale Verteilung der Ämter
nach Konfeſſionen, alſo ohne Rückſicht auf die Leiſtung, ſogar
zu einem Programmpunkt. Mit ſteigender Zahl der Ämter
infolge der allgemeinen Bureaukratiſierung und ſteigendem
Begehr nach ihnen als einer Form ſpezifiſch geſicherter
Verſorgung ſteigt für alle Parteien dieſe Tendenz und werden
ſie für ihre Gefolgſchaft immer mehr Mittel zum Zweck, derart
verſorgt zu werden.

Dem ſteht nun aber gegenüber die Entwicklung des modernen
Beamtentums zu einer ſpezialiſtiſch durch langjährige Vor-
bildung fachgeſchulten hochqualifizierten geiſtigen Arbeiterſchaft
mit einer im Jntereſſe der Jntegrität hochentwickelten ſtändiſchen
Ehre, ohne welche die Gefahr furchtbarer Korruption und
gemeinen Banauſentums als Schickſal über uns ſchweben und
auch die rein techniſche Leiſtung des Staatsapparates bedrohen
würde, deſſen Bedeutung für die Wirtſchaft, zumal mit zu-
nehmender Sozialiſierung, ſtetig geſtiegen iſt und weiter ſteigen
wird. Die Dilettantenverwaltung durch Beutepolitiker, welche
in den Vereinigten Staaten Hunderttauſende von Beamten,
bis zum Poſtboten hinunter, je nach dem Ausfall der Präſi-
dentenwahl, wechſeln ließ und den lebenslänglichen Berufs-
beamten nicht kannte, iſt längſt durch die Civil Service Reform
durchlöchert. Rein techniſche, unabweisliche Bedürfniſſe der
Verwaltung bedingen dieſe Entwicklung. Jn Europa iſt das
arbeitſteilige Fachbeamtentum in einer Entwicklung von einem
halben Jahrtauſend allmählich entſtanden. Die italieniſchen
Städte und Signorien machten den Anfang; von den Monarchien
die normanniſchen Erobererſtaaten. Bei den Finanzen der
Fürſten geſchah der entſcheidende Schritt. Bei den Ver-
waltungsreformen des Kaiſers Max kann man ſehen, wie ſchwer
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[16/0016] einander, und manche unſerer „revolutionären“ Verfaſſungs- entwürfe, ſo z. B. der erſte für Baden aufgeſtellte, wollte dies Syſtem auf die Miniſterſtellen ausdehnen und behandelte ſo den Staat und ſeine Ämter als reine Pfründnerverſorgungs- anſtalt. Vor allem die Zentrumspartei begeiſterte ſich dafür und machte in Baden die proportionale Verteilung der Ämter nach Konfeſſionen, alſo ohne Rückſicht auf die Leiſtung, ſogar zu einem Programmpunkt. Mit ſteigender Zahl der Ämter infolge der allgemeinen Bureaukratiſierung und ſteigendem Begehr nach ihnen als einer Form ſpezifiſch geſicherter Verſorgung ſteigt für alle Parteien dieſe Tendenz und werden ſie für ihre Gefolgſchaft immer mehr Mittel zum Zweck, derart verſorgt zu werden. Dem ſteht nun aber gegenüber die Entwicklung des modernen Beamtentums zu einer ſpezialiſtiſch durch langjährige Vor- bildung fachgeſchulten hochqualifizierten geiſtigen Arbeiterſchaft mit einer im Jntereſſe der Jntegrität hochentwickelten ſtändiſchen Ehre, ohne welche die Gefahr furchtbarer Korruption und gemeinen Banauſentums als Schickſal über uns ſchweben und auch die rein techniſche Leiſtung des Staatsapparates bedrohen würde, deſſen Bedeutung für die Wirtſchaft, zumal mit zu- nehmender Sozialiſierung, ſtetig geſtiegen iſt und weiter ſteigen wird. Die Dilettantenverwaltung durch Beutepolitiker, welche in den Vereinigten Staaten Hunderttauſende von Beamten, bis zum Poſtboten hinunter, je nach dem Ausfall der Präſi- dentenwahl, wechſeln ließ und den lebenslänglichen Berufs- beamten nicht kannte, iſt längſt durch die Civil Service Reform durchlöchert. Rein techniſche, unabweisliche Bedürfniſſe der Verwaltung bedingen dieſe Entwicklung. Jn Europa iſt das arbeitſteilige Fachbeamtentum in einer Entwicklung von einem halben Jahrtauſend allmählich entſtanden. Die italieniſchen Städte und Signorien machten den Anfang; von den Monarchien die normanniſchen Erobererſtaaten. Bei den Finanzen der Fürſten geſchah der entſcheidende Schritt. Bei den Ver- waltungsreformen des Kaiſers Max kann man ſehen, wie ſchwer ſelbſt unter dem Druck der äußerſten Not und Türkenherrſchaft es den Beamten gelang, auf dieſem Gebiet, welches ja den

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/16>, abgerufen am 19.04.2024.