Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Fleck auf dem Flügel eines Schmetterlings genau an die richtige
Stelle gelangt und an keine andere, warum die Determinante für
das fünfte Fühlerglied eines Flohkrebses genau an dieses und nicht
etwa an das vierte gelangt. Die Bestimmung des Charakters
der einzelnen Zelle hängt von den Biophoren ab, welche die
betreffende Determinante enthält und in die Zelle entsendet.

6. Mechanik der phyletischen Veränderungen des
Idioplasma's.

Es soll in diesem Abschnitt nicht von den Ursachen
der phyletischen Entwickelung die Rede sein -- dies gehört in
das Capitel von der Variation --, sondern nur von der idio-
plasmatischen Mechanik derselben. Es soll versucht werden,
zu zeigen, in welcher Weise aus dem angenommenen feinsten
Bau des Idioplasma's sich seine phyletische Abänderung mecha-
nisch ableiten lässt.

Da alle Theile des Organismus vom Keim aus bestimmt
werden, so können dauernde Veränderungen desselben auch nur
von Veränderungen des Keimes ausgehen. Jede phyletische
Veränderung muss also von einer Veränderung im Bau des
Keimplasma-Id's ausgehen. Wenn wir uns die Umwandlung
der Arten nach dem Vorgang von Darwin als eine all-
mähliche
vorstellen, ausgehend von den individuellen Varia-
tionen und gesteigert und gerichtet durch Selection, so wird
der entsprechende idioplasmatische Vorgang nicht in einer
plötzlichen und totalen Veränderung des ganzen Id's bestehen
können, sondern er wird mit der Abänderung einzelner Bio-
phoren oder auch einzelner Determinanten und Determinanten-
Gruppen beginnen müssen und erst nach und nach auch andere
gleichwerthige Gruppen ergreifen, bis zuletzt das Id ganz oder
grossentheils ein anderes geworden ist.

Die Grundlage des Vorgangs muss somit in einer Varia-

Fleck auf dem Flügel eines Schmetterlings genau an die richtige
Stelle gelangt und an keine andere, warum die Determinante für
das fünfte Fühlerglied eines Flohkrebses genau an dieses und nicht
etwa an das vierte gelangt. Die Bestimmung des Charakters
der einzelnen Zelle hängt von den Biophoren ab, welche die
betreffende Determinante enthält und in die Zelle entsendet.

6. Mechanik der phyletischen Veränderungen des
Idioplasma’s.

Es soll in diesem Abschnitt nicht von den Ursachen
der phyletischen Entwickelung die Rede sein — dies gehört in
das Capitel von der Variation —, sondern nur von der idio-
plasmatischen Mechanik derselben. Es soll versucht werden,
zu zeigen, in welcher Weise aus dem angenommenen feinsten
Bau des Idioplasma’s sich seine phyletische Abänderung mecha-
nisch ableiten lässt.

Da alle Theile des Organismus vom Keim aus bestimmt
werden, so können dauernde Veränderungen desselben auch nur
von Veränderungen des Keimes ausgehen. Jede phyletische
Veränderung muss also von einer Veränderung im Bau des
Keimplasma-Id’s ausgehen. Wenn wir uns die Umwandlung
der Arten nach dem Vorgang von Darwin als eine all-
mähliche
vorstellen, ausgehend von den individuellen Varia-
tionen und gesteigert und gerichtet durch Selection, so wird
der entsprechende idioplasmatische Vorgang nicht in einer
plötzlichen und totalen Veränderung des ganzen Id’s bestehen
können, sondern er wird mit der Abänderung einzelner Bio-
phoren oder auch einzelner Determinanten und Determinanten-
Gruppen beginnen müssen und erst nach und nach auch andere
gleichwerthige Gruppen ergreifen, bis zuletzt das Id ganz oder
grossentheils ein anderes geworden ist.

Die Grundlage des Vorgangs muss somit in einer Varia-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0128" n="104"/>
Fleck auf dem Flügel eines Schmetterlings genau an die richtige<lb/>
Stelle gelangt und an keine andere, warum die Determinante für<lb/>
das fünfte Fühlerglied eines Flohkrebses genau an dieses und nicht<lb/>
etwa an das vierte gelangt. Die Bestimmung des Charakters<lb/>
der einzelnen Zelle hängt von den Biophoren ab, welche die<lb/>
betreffende Determinante enthält und in die Zelle entsendet.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">6. Mechanik der phyletischen Veränderungen des<lb/>
Idioplasma&#x2019;s.</hi> </head><lb/>
            <p>Es soll in diesem Abschnitt nicht von den <hi rendition="#g">Ursachen</hi><lb/>
der phyletischen Entwickelung die Rede sein &#x2014; dies gehört in<lb/>
das Capitel von der Variation &#x2014;, sondern nur von der idio-<lb/>
plasmatischen Mechanik derselben. Es soll versucht werden,<lb/>
zu zeigen, in welcher Weise aus dem angenommenen feinsten<lb/>
Bau des Idioplasma&#x2019;s sich seine phyletische Abänderung mecha-<lb/>
nisch ableiten lässt.</p><lb/>
            <p>Da alle Theile des Organismus vom Keim aus bestimmt<lb/>
werden, so können dauernde Veränderungen desselben auch nur<lb/>
von Veränderungen des Keimes ausgehen. Jede phyletische<lb/>
Veränderung muss also von einer Veränderung im Bau des<lb/>
Keimplasma-Id&#x2019;s ausgehen. Wenn wir uns die Umwandlung<lb/>
der Arten nach dem Vorgang von <hi rendition="#g">Darwin</hi> als eine <hi rendition="#g">all-<lb/>
mähliche</hi> vorstellen, ausgehend von den individuellen Varia-<lb/>
tionen und gesteigert und gerichtet durch Selection, so wird<lb/>
der entsprechende idioplasmatische Vorgang nicht in einer<lb/>
plötzlichen und totalen Veränderung des ganzen Id&#x2019;s bestehen<lb/>
können, sondern er wird mit der Abänderung einzelner Bio-<lb/>
phoren oder auch einzelner Determinanten und Determinanten-<lb/>
Gruppen beginnen müssen und erst nach und nach auch andere<lb/>
gleichwerthige Gruppen ergreifen, bis zuletzt das Id ganz oder<lb/>
grossentheils ein anderes geworden ist.</p><lb/>
            <p>Die Grundlage des Vorgangs muss somit in einer Varia-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0128] Fleck auf dem Flügel eines Schmetterlings genau an die richtige Stelle gelangt und an keine andere, warum die Determinante für das fünfte Fühlerglied eines Flohkrebses genau an dieses und nicht etwa an das vierte gelangt. Die Bestimmung des Charakters der einzelnen Zelle hängt von den Biophoren ab, welche die betreffende Determinante enthält und in die Zelle entsendet. 6. Mechanik der phyletischen Veränderungen des Idioplasma’s. Es soll in diesem Abschnitt nicht von den Ursachen der phyletischen Entwickelung die Rede sein — dies gehört in das Capitel von der Variation —, sondern nur von der idio- plasmatischen Mechanik derselben. Es soll versucht werden, zu zeigen, in welcher Weise aus dem angenommenen feinsten Bau des Idioplasma’s sich seine phyletische Abänderung mecha- nisch ableiten lässt. Da alle Theile des Organismus vom Keim aus bestimmt werden, so können dauernde Veränderungen desselben auch nur von Veränderungen des Keimes ausgehen. Jede phyletische Veränderung muss also von einer Veränderung im Bau des Keimplasma-Id’s ausgehen. Wenn wir uns die Umwandlung der Arten nach dem Vorgang von Darwin als eine all- mähliche vorstellen, ausgehend von den individuellen Varia- tionen und gesteigert und gerichtet durch Selection, so wird der entsprechende idioplasmatische Vorgang nicht in einer plötzlichen und totalen Veränderung des ganzen Id’s bestehen können, sondern er wird mit der Abänderung einzelner Bio- phoren oder auch einzelner Determinanten und Determinanten- Gruppen beginnen müssen und erst nach und nach auch andere gleichwerthige Gruppen ergreifen, bis zuletzt das Id ganz oder grossentheils ein anderes geworden ist. Die Grundlage des Vorgangs muss somit in einer Varia-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/128
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/128>, abgerufen am 29.03.2024.