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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Man kann die somatogenen Abänderungen ihrem Ursprung
nach in drei Kategorien bringen, in die der Verletzungen,
der funktionellen Abänderungen und in die auf sogenannten
"Mediums"-Einflüssen beruhenden Abänderungen, wohin
hauptsächlich klimatische Variationen gehören.

1. Schwierigkeiten einer theoretischen Begründung dieser
Hypothese.

Die erbliche Übertragung einer somatogenen Abänderung
irgend einer dieser drei Kategorien würde theoretisch nur da-
durch zu erklären sein, dass die durch äussere Einflüsse ab-
geänderten Theile des Soma das in den Keimzellen des betreffenden
Individuums enthaltene Keimplasma derart veränderten, dass der
aus einer derselben später sich entwickelnde Nachkomme schon
vom Keim aus die Abänderungen bekäme, die der Elter durch
äussere Einwirkung auf den betreffenden Theil selbst erlangt hat.

Soviel ich sehe, giebt es nur zwei Wege, auf welchen eine
solche "adäquate" Abänderung des Keimplasma's durch die so-
matogene Abänderung überhaupt denkbar wäre. Es müssten
entweder Leitungsbahnen aus allen Theilen des Körpers nach
den Keimzellen hin existiren, auf welchen jede somatogene
Abänderung auf die Keimzellen übertragen, d. h. in die derselben
adäquate Abänderung des Keimplasma's umgesetzt würde, oder
aber es müssten Darwin'sche Keimchen von jeder Zelle des Soma
abgegeben werden, die auf dem Wege der Blutcirkulation, wo
eine solche besteht, oder sonst wie den Keimzellen zugeführt
würden, in sie eindrängen und dort dem Keimplasma sich bei-
ordneten. Entweder vorgebildete Leitungswege, auf welchen ein
freilich ganz unfassbarer umstimmender Einfluss den Keimzellen
zugeführt wird, oder Abgabe materieller Theilchen von Seiten
des abgeänderten Organs, die Antheil am Aufbau des Keim-
plasma's nähmen; ein Drittes giebt es nicht.

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Man kann die somatogenen Abänderungen ihrem Ursprung
nach in drei Kategorien bringen, in die der Verletzungen,
der funktionellen Abänderungen und in die auf sogenannten
„Mediums“-Einflüssen beruhenden Abänderungen, wohin
hauptsächlich klimatische Variationen gehören.

1. Schwierigkeiten einer theoretischen Begründung dieser
Hypothese.

Die erbliche Übertragung einer somatogenen Abänderung
irgend einer dieser drei Kategorien würde theoretisch nur da-
durch zu erklären sein, dass die durch äussere Einflüsse ab-
geänderten Theile des Soma das in den Keimzellen des betreffenden
Individuums enthaltene Keimplasma derart veränderten, dass der
aus einer derselben später sich entwickelnde Nachkomme schon
vom Keim aus die Abänderungen bekäme, die der Elter durch
äussere Einwirkung auf den betreffenden Theil selbst erlangt hat.

Soviel ich sehe, giebt es nur zwei Wege, auf welchen eine
solche „adäquate“ Abänderung des Keimplasma’s durch die so-
matogene Abänderung überhaupt denkbar wäre. Es müssten
entweder Leitungsbahnen aus allen Theilen des Körpers nach
den Keimzellen hin existiren, auf welchen jede somatogene
Abänderung auf die Keimzellen übertragen, d. h. in die derselben
adäquate Abänderung des Keimplasma’s umgesetzt würde, oder
aber es müssten Darwin’sche Keimchen von jeder Zelle des Soma
abgegeben werden, die auf dem Wege der Blutcirkulation, wo
eine solche besteht, oder sonst wie den Keimzellen zugeführt
würden, in sie eindrängen und dort dem Keimplasma sich bei-
ordneten. Entweder vorgebildete Leitungswege, auf welchen ein
freilich ganz unfassbarer umstimmender Einfluss den Keimzellen
zugeführt wird, oder Abgabe materieller Theilchen von Seiten
des abgeänderten Organs, die Antheil am Aufbau des Keim-
plasma’s nähmen; ein Drittes giebt es nicht.

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[515/0539] Man kann die somatogenen Abänderungen ihrem Ursprung nach in drei Kategorien bringen, in die der Verletzungen, der funktionellen Abänderungen und in die auf sogenannten „Mediums“-Einflüssen beruhenden Abänderungen, wohin hauptsächlich klimatische Variationen gehören. 1. Schwierigkeiten einer theoretischen Begründung dieser Hypothese. Die erbliche Übertragung einer somatogenen Abänderung irgend einer dieser drei Kategorien würde theoretisch nur da- durch zu erklären sein, dass die durch äussere Einflüsse ab- geänderten Theile des Soma das in den Keimzellen des betreffenden Individuums enthaltene Keimplasma derart veränderten, dass der aus einer derselben später sich entwickelnde Nachkomme schon vom Keim aus die Abänderungen bekäme, die der Elter durch äussere Einwirkung auf den betreffenden Theil selbst erlangt hat. Soviel ich sehe, giebt es nur zwei Wege, auf welchen eine solche „adäquate“ Abänderung des Keimplasma’s durch die so- matogene Abänderung überhaupt denkbar wäre. Es müssten entweder Leitungsbahnen aus allen Theilen des Körpers nach den Keimzellen hin existiren, auf welchen jede somatogene Abänderung auf die Keimzellen übertragen, d. h. in die derselben adäquate Abänderung des Keimplasma’s umgesetzt würde, oder aber es müssten Darwin’sche Keimchen von jeder Zelle des Soma abgegeben werden, die auf dem Wege der Blutcirkulation, wo eine solche besteht, oder sonst wie den Keimzellen zugeführt würden, in sie eindrängen und dort dem Keimplasma sich bei- ordneten. Entweder vorgebildete Leitungswege, auf welchen ein freilich ganz unfassbarer umstimmender Einfluss den Keimzellen zugeführt wird, oder Abgabe materieller Theilchen von Seiten des abgeänderten Organs, die Antheil am Aufbau des Keim- plasma’s nähmen; ein Drittes giebt es nicht. 33*

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/539>, abgerufen am 29.03.2024.