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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise.


Das deutsche Volk zeigt ein lebhaftes Interesse für maritime
Angelegenheiten, ist jedoch mit deren näheren Verhältnissen
im Allgemeinen nur sehr unvollkommen vertraut und
macht sich von ihnen vielfach unrichtige Vorstellungen. Den
Meisten erscheint das Seewesen von einem romantischen Nimbus
umflossen, der namentlich auf jugendliche Gemüther einen ver-
führerischen Reiz ausübt, dessen Schimmer aber bei genauer
Betrachtung bedeutend verblaßt. Die Wirklichkeit zerstört dann
mit rauher Hand so manche Illusion, die den jungen Mann
zur Wahl des seemännischen Berufs bestimmt hat; sie streift
von dem Bilde, das die Phantasie mit leuchtenden Farben ge-
schmückt, die glänzende poetische Hülle und es bleibt nur die
nackte Prosa in der Gestalt eines schweren Lebens voll Mühe,
Arbeit und Entbehrungen. Wohl hat es nach gewissen Rich-
tungen hin auch seinen hohen Werth; kein anderes ist so ge-
eignet, Charactere zu bilden, den Jüngling schnell zum Manne
im besten Sinne des Wortes reifen zu lassen, in dem steten
Kampfe mit den Elementen seine geistige und körperliche Kraft
zu stählen, seinem Blicke eine weite Perspective zu öffnen und
ihm die großartigen Wunder der Schöpfung vor Augen zu
führen; aber Freuden und Genüsse, die nach gewöhnlichen

R. Werner, Erinnerungen. 1

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Eine erſte Seereiſe.


Das deutſche Volk zeigt ein lebhaftes Intereſſe für maritime
Angelegenheiten, iſt jedoch mit deren näheren Verhältniſſen
im Allgemeinen nur ſehr unvollkommen vertraut und
macht ſich von ihnen vielfach unrichtige Vorſtellungen. Den
Meiſten erſcheint das Seeweſen von einem romantiſchen Nimbus
umfloſſen, der namentlich auf jugendliche Gemüther einen ver-
führeriſchen Reiz ausübt, deſſen Schimmer aber bei genauer
Betrachtung bedeutend verblaßt. Die Wirklichkeit zerſtört dann
mit rauher Hand ſo manche Illuſion, die den jungen Mann
zur Wahl des ſeemänniſchen Berufs beſtimmt hat; ſie ſtreift
von dem Bilde, das die Phantaſie mit leuchtenden Farben ge-
ſchmückt, die glänzende poetiſche Hülle und es bleibt nur die
nackte Proſa in der Geſtalt eines ſchweren Lebens voll Mühe,
Arbeit und Entbehrungen. Wohl hat es nach gewiſſen Rich-
tungen hin auch ſeinen hohen Werth; kein anderes iſt ſo ge-
eignet, Charactere zu bilden, den Jüngling ſchnell zum Manne
im beſten Sinne des Wortes reifen zu laſſen, in dem ſteten
Kampfe mit den Elementen ſeine geiſtige und körperliche Kraft
zu ſtählen, ſeinem Blicke eine weite Perſpective zu öffnen und
ihm die großartigen Wunder der Schöpfung vor Augen zu
führen; aber Freuden und Genüſſe, die nach gewöhnlichen

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[[1]/0013] [Abbildung] Eine erſte Seereiſe. Das deutſche Volk zeigt ein lebhaftes Intereſſe für maritime Angelegenheiten, iſt jedoch mit deren näheren Verhältniſſen im Allgemeinen nur ſehr unvollkommen vertraut und macht ſich von ihnen vielfach unrichtige Vorſtellungen. Den Meiſten erſcheint das Seeweſen von einem romantiſchen Nimbus umfloſſen, der namentlich auf jugendliche Gemüther einen ver- führeriſchen Reiz ausübt, deſſen Schimmer aber bei genauer Betrachtung bedeutend verblaßt. Die Wirklichkeit zerſtört dann mit rauher Hand ſo manche Illuſion, die den jungen Mann zur Wahl des ſeemänniſchen Berufs beſtimmt hat; ſie ſtreift von dem Bilde, das die Phantaſie mit leuchtenden Farben ge- ſchmückt, die glänzende poetiſche Hülle und es bleibt nur die nackte Proſa in der Geſtalt eines ſchweren Lebens voll Mühe, Arbeit und Entbehrungen. Wohl hat es nach gewiſſen Rich- tungen hin auch ſeinen hohen Werth; kein anderes iſt ſo ge- eignet, Charactere zu bilden, den Jüngling ſchnell zum Manne im beſten Sinne des Wortes reifen zu laſſen, in dem ſteten Kampfe mit den Elementen ſeine geiſtige und körperliche Kraft zu ſtählen, ſeinem Blicke eine weite Perſpective zu öffnen und ihm die großartigen Wunder der Schöpfung vor Augen zu führen; aber Freuden und Genüſſe, die nach gewöhnlichen R. Werner, Erinnerungen. 1

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/13>, abgerufen am 25.04.2024.