Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Agathon.
mit ihm sterben sollte. Schon lange hatte er einen
jungen Menschen gesucht, bey dem er das natürliche
Geschike, der Nachfolger eines Hippias zu seyn, in
derjenigen Vollkommenheit finden möchte, die dazu er-
fodert wurde. Seine Gabe, aus der Gestalt und Mine
das Jnnwendige eines Menschen zu errathen, beredete
ihn, im Agathon zu finden, was er suchte; wenigstens
hielt er es der Mühe werth, den Versuch mit ihm zu
machen; und da er von seiner Tüchtigkeit ein so gutes
Vorurtheil gefasset hatte, so fiel ihm nur nicht ein, in
seine Willigkeit zu den grossen Absichten, die er mit
ihm vorhatte, einigen Zweifel zu sezen.

Drittes Capitel.
Verwunderung, in welche Agathon gesezt
wird.

Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne
zugehöre, dessen äusserliches Ansehen ihm gefiel; als
er bey dem Eintritt in sein Haus durch die Schön-
heit des Gebäudes, die Bequemlichkeiten der Einrich-
tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten,
und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit,
der ihm allenthalben entgegen glänzte, in eine Art von
Verwunderung gesezt wurde, die ihm sonst nicht ge-
wöhnlich war, und die nur desto mehr zunahm, wie er
hörte, daß er die Ehre haben sollte, ein Haus-Genosse

von

Agathon.
mit ihm ſterben ſollte. Schon lange hatte er einen
jungen Menſchen geſucht, bey dem er das natuͤrliche
Geſchike, der Nachfolger eines Hippias zu ſeyn, in
derjenigen Vollkommenheit finden moͤchte, die dazu er-
fodert wurde. Seine Gabe, aus der Geſtalt und Mine
das Jnnwendige eines Menſchen zu errathen, beredete
ihn, im Agathon zu finden, was er ſuchte; wenigſtens
hielt er es der Muͤhe werth, den Verſuch mit ihm zu
machen; und da er von ſeiner Tuͤchtigkeit ein ſo gutes
Vorurtheil gefaſſet hatte, ſo fiel ihm nur nicht ein, in
ſeine Willigkeit zu den groſſen Abſichten, die er mit
ihm vorhatte, einigen Zweifel zu ſezen.

Drittes Capitel.
Verwunderung, in welche Agathon geſezt
wird.

Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne
zugehoͤre, deſſen aͤuſſerliches Anſehen ihm gefiel; als
er bey dem Eintritt in ſein Haus durch die Schoͤn-
heit des Gebaͤudes, die Bequemlichkeiten der Einrich-
tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten,
und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit,
der ihm allenthalben entgegen glaͤnzte, in eine Art von
Verwunderung geſezt wurde, die ihm ſonſt nicht ge-
woͤhnlich war, und die nur deſto mehr zunahm, wie er
hoͤrte, daß er die Ehre haben ſollte, ein Haus-Genoſſe

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0068" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
mit ihm &#x017F;terben &#x017F;ollte. Schon lange hatte er einen<lb/>
jungen Men&#x017F;chen ge&#x017F;ucht, bey dem er das natu&#x0364;rliche<lb/>
Ge&#x017F;chike, der Nachfolger eines Hippias zu &#x017F;eyn, in<lb/>
derjenigen Vollkommenheit finden mo&#x0364;chte, die dazu er-<lb/>
fodert wurde. Seine Gabe, aus der Ge&#x017F;talt und Mine<lb/>
das Jnnwendige eines Men&#x017F;chen zu errathen, beredete<lb/>
ihn, im Agathon zu finden, was er &#x017F;uchte; wenig&#x017F;tens<lb/>
hielt er es der Mu&#x0364;he werth, den Ver&#x017F;uch mit ihm zu<lb/>
machen; und da er von &#x017F;einer Tu&#x0364;chtigkeit ein &#x017F;o gutes<lb/>
Vorurtheil gefa&#x017F;&#x017F;et hatte, &#x017F;o fiel ihm nur nicht ein, in<lb/>
&#x017F;eine Willigkeit zu den gro&#x017F;&#x017F;en Ab&#x017F;ichten, die er mit<lb/>
ihm vorhatte, einigen Zweifel zu &#x017F;ezen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Drittes Capitel.</hi><lb/>
Verwunderung, in welche Agathon ge&#x017F;ezt<lb/>
wird.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">A</hi>gathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne<lb/>
zugeho&#x0364;re, de&#x017F;&#x017F;en a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliches An&#x017F;ehen ihm gefiel; als<lb/>
er bey dem Eintritt in &#x017F;ein Haus durch die Scho&#x0364;n-<lb/>
heit des Geba&#x0364;udes, die Bequemlichkeiten der Einrich-<lb/>
tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten,<lb/>
und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit,<lb/>
der ihm allenthalben entgegen gla&#x0364;nzte, in eine Art von<lb/>
Verwunderung ge&#x017F;ezt wurde, die ihm &#x017F;on&#x017F;t nicht ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich war, und die nur de&#x017F;to mehr zunahm, wie er<lb/>
ho&#x0364;rte, daß er die Ehre haben &#x017F;ollte, ein Haus-Geno&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0068] Agathon. mit ihm ſterben ſollte. Schon lange hatte er einen jungen Menſchen geſucht, bey dem er das natuͤrliche Geſchike, der Nachfolger eines Hippias zu ſeyn, in derjenigen Vollkommenheit finden moͤchte, die dazu er- fodert wurde. Seine Gabe, aus der Geſtalt und Mine das Jnnwendige eines Menſchen zu errathen, beredete ihn, im Agathon zu finden, was er ſuchte; wenigſtens hielt er es der Muͤhe werth, den Verſuch mit ihm zu machen; und da er von ſeiner Tuͤchtigkeit ein ſo gutes Vorurtheil gefaſſet hatte, ſo fiel ihm nur nicht ein, in ſeine Willigkeit zu den groſſen Abſichten, die er mit ihm vorhatte, einigen Zweifel zu ſezen. Drittes Capitel. Verwunderung, in welche Agathon geſezt wird. Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne zugehoͤre, deſſen aͤuſſerliches Anſehen ihm gefiel; als er bey dem Eintritt in ſein Haus durch die Schoͤn- heit des Gebaͤudes, die Bequemlichkeiten der Einrich- tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten, und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit, der ihm allenthalben entgegen glaͤnzte, in eine Art von Verwunderung geſezt wurde, die ihm ſonſt nicht ge- woͤhnlich war, und die nur deſto mehr zunahm, wie er hoͤrte, daß er die Ehre haben ſollte, ein Haus-Genoſſe von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/68
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/68>, abgerufen am 28.03.2024.