Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

Agathon.
ses innerlichen Streites war, daß sie eben im Begrif
war, ihre Vertraute (die einzige Person, welche sie
bey ihrer Entfernung von Smyrna mit sich genommen
hatte) hereinzuruffen, um ihr die nöthige Verhaltungs-
Befehle zu geben; als diese Sclavin selbst hereintrat,
und ihrer Dame sagte, daß die beyden Fremden durch
einen von den Sclaven, von denen sie bedient worden
waren, auf eine sehr dringende Art um die Erlaubniß
anhalten liessen, vor die Frau des Hauses gelassen zu
werden -- Neue Unentschlossenheit, über welche sich
niemand wundern wird, der das weibliche Herz kennt.
Jn der That klopfte der guten Danae das ihrige in
diesem Augenblik so stark, daß sie nöthig hatte, sich
vorher in eine ruhigere Verfassung zu sezen, ehe sie es
einer so schweren Probe auszustellen sich getrauen durfte.

Unterdessen, bis diese schöne Dame mit sich selbst
einig wird, wozu sie sich entschliessen, und wie sie sich
bey einer so erwünschten, und so gefürchteten Zusam-
menkunft verhalten wolle, kehren wir einen Augenblik
zu unserm Helden in den Saal zurük. Je mehr Aga-
thon die Gemählde betrachtete, womit die Wände des-
selben behänget waren, je lebhafter wurde die Einbil-
dung, daß er sie in dem Landhause der Danae zu
Smyrna gesehen habe. Allein er konnte sich so wenig
vorstellen, wie sie von dem Orte, wo er sie vor zweyen
Jahren gesehen hätte, hieher gekommen seyn sollten,
daß er für weniger unmöglich hielt, von seiner Ein-
bildung betrogen zu werden. Zudem konnte ja der

nehm-

Agathon.
ſes innerlichen Streites war, daß ſie eben im Begrif
war, ihre Vertraute (die einzige Perſon, welche ſie
bey ihrer Entfernung von Smyrna mit ſich genommen
hatte) hereinzuruffen, um ihr die noͤthige Verhaltungs-
Befehle zu geben; als dieſe Sclavin ſelbſt hereintrat,
und ihrer Dame ſagte, daß die beyden Fremden durch
einen von den Sclaven, von denen ſie bedient worden
waren, auf eine ſehr dringende Art um die Erlaubniß
anhalten lieſſen, vor die Frau des Hauſes gelaſſen zu
werden ‒‒ Neue Unentſchloſſenheit, uͤber welche ſich
niemand wundern wird, der das weibliche Herz kennt.
Jn der That klopfte der guten Danae das ihrige in
dieſem Augenblik ſo ſtark, daß ſie noͤthig hatte, ſich
vorher in eine ruhigere Verfaſſung zu ſezen, ehe ſie es
einer ſo ſchweren Probe auszuſtellen ſich getrauen durfte.

Unterdeſſen, bis dieſe ſchoͤne Dame mit ſich ſelbſt
einig wird, wozu ſie ſich entſchlieſſen, und wie ſie ſich
bey einer ſo erwuͤnſchten, und ſo gefuͤrchteten Zuſam-
menkunft verhalten wolle, kehren wir einen Augenblik
zu unſerm Helden in den Saal zuruͤk. Je mehr Aga-
thon die Gemaͤhlde betrachtete, womit die Waͤnde deſ-
ſelben behaͤnget waren, je lebhafter wurde die Einbil-
dung, daß er ſie in dem Landhauſe der Danae zu
Smyrna geſehen habe. Allein er konnte ſich ſo wenig
vorſtellen, wie ſie von dem Orte, wo er ſie vor zweyen
Jahren geſehen haͤtte, hieher gekommen ſeyn ſollten,
daß er fuͤr weniger unmoͤglich hielt, von ſeiner Ein-
bildung betrogen zu werden. Zudem konnte ja der

nehm-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0342" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;es innerlichen Streites war, daß &#x017F;ie eben im Begrif<lb/>
war, ihre Vertraute (die einzige Per&#x017F;on, welche &#x017F;ie<lb/>
bey ihrer Entfernung von Smyrna mit &#x017F;ich genommen<lb/>
hatte) hereinzuruffen, um ihr die no&#x0364;thige Verhaltungs-<lb/>
Befehle zu geben; als die&#x017F;e Sclavin &#x017F;elb&#x017F;t hereintrat,<lb/>
und ihrer Dame &#x017F;agte, daß die beyden Fremden durch<lb/>
einen von den Sclaven, von denen &#x017F;ie bedient worden<lb/>
waren, auf eine &#x017F;ehr dringende Art um die Erlaubniß<lb/>
anhalten lie&#x017F;&#x017F;en, vor die Frau des Hau&#x017F;es gela&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
werden &#x2012;&#x2012; Neue Unent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, u&#x0364;ber welche &#x017F;ich<lb/>
niemand wundern wird, der das weibliche Herz kennt.<lb/>
Jn der That klopfte der guten Danae das ihrige in<lb/>
die&#x017F;em Augenblik &#x017F;o &#x017F;tark, daß &#x017F;ie no&#x0364;thig hatte, &#x017F;ich<lb/>
vorher in eine ruhigere Verfa&#x017F;&#x017F;ung zu &#x017F;ezen, ehe &#x017F;ie es<lb/>
einer &#x017F;o &#x017F;chweren Probe auszu&#x017F;tellen &#x017F;ich getrauen durfte.</p><lb/>
            <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en, bis die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Dame mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einig wird, wozu &#x017F;ie &#x017F;ich ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, und wie &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
bey einer &#x017F;o erwu&#x0364;n&#x017F;chten, und &#x017F;o gefu&#x0364;rchteten Zu&#x017F;am-<lb/>
menkunft verhalten wolle, kehren wir einen Augenblik<lb/>
zu un&#x017F;erm Helden in den Saal zuru&#x0364;k. Je mehr Aga-<lb/>
thon die Gema&#x0364;hlde betrachtete, womit die Wa&#x0364;nde de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben beha&#x0364;nget waren, je lebhafter wurde die Einbil-<lb/>
dung, daß er &#x017F;ie in dem Landhau&#x017F;e der Danae zu<lb/>
Smyrna ge&#x017F;ehen habe. Allein er konnte &#x017F;ich &#x017F;o wenig<lb/>
vor&#x017F;tellen, wie &#x017F;ie von dem Orte, wo er &#x017F;ie vor zweyen<lb/>
Jahren ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte, hieher gekommen &#x017F;eyn &#x017F;ollten,<lb/>
daß er fu&#x0364;r weniger unmo&#x0364;glich hielt, von &#x017F;einer Ein-<lb/>
bildung betrogen zu werden. Zudem konnte ja der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nehm-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0342] Agathon. ſes innerlichen Streites war, daß ſie eben im Begrif war, ihre Vertraute (die einzige Perſon, welche ſie bey ihrer Entfernung von Smyrna mit ſich genommen hatte) hereinzuruffen, um ihr die noͤthige Verhaltungs- Befehle zu geben; als dieſe Sclavin ſelbſt hereintrat, und ihrer Dame ſagte, daß die beyden Fremden durch einen von den Sclaven, von denen ſie bedient worden waren, auf eine ſehr dringende Art um die Erlaubniß anhalten lieſſen, vor die Frau des Hauſes gelaſſen zu werden ‒‒ Neue Unentſchloſſenheit, uͤber welche ſich niemand wundern wird, der das weibliche Herz kennt. Jn der That klopfte der guten Danae das ihrige in dieſem Augenblik ſo ſtark, daß ſie noͤthig hatte, ſich vorher in eine ruhigere Verfaſſung zu ſezen, ehe ſie es einer ſo ſchweren Probe auszuſtellen ſich getrauen durfte. Unterdeſſen, bis dieſe ſchoͤne Dame mit ſich ſelbſt einig wird, wozu ſie ſich entſchlieſſen, und wie ſie ſich bey einer ſo erwuͤnſchten, und ſo gefuͤrchteten Zuſam- menkunft verhalten wolle, kehren wir einen Augenblik zu unſerm Helden in den Saal zuruͤk. Je mehr Aga- thon die Gemaͤhlde betrachtete, womit die Waͤnde deſ- ſelben behaͤnget waren, je lebhafter wurde die Einbil- dung, daß er ſie in dem Landhauſe der Danae zu Smyrna geſehen habe. Allein er konnte ſich ſo wenig vorſtellen, wie ſie von dem Orte, wo er ſie vor zweyen Jahren geſehen haͤtte, hieher gekommen ſeyn ſollten, daß er fuͤr weniger unmoͤglich hielt, von ſeiner Ein- bildung betrogen zu werden. Zudem konnte ja der nehm-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/342
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/342>, abgerufen am 16.04.2024.