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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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2.
DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON.1)


Die burg
der
Kekroper.
Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren
selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten
die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand
etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg
hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von
nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale
treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg
makrai) und weiter zur Klepsydra. am nordfusse des burgfelsens rann
der fluss, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein 'reines nass
schöpften' die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem
Athenatempel zusammenstösst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand
selbst, dass der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das
grab des Kekrops. kein zweifel, dass dieses grab die gebeine eines alten
herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige
blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen
zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist
doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der
Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit
einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten
tempel baute. damals spross noch der heilige ölbaum und stand noch
der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in
Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten
hatte als die tatsache der continuität.


1) Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2--4 im einzelnen
auf die begründenden untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen.
den ersatz liefern die register.
2.
DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON.1)


Die burg
der
Kekroper.
Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren
selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten
die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand
etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg
hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von
nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale
treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg
μακϱαί) und weiter zur Klepsydra. am nordfuſse des burgfelsens rann
der fluſs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein ‘reines naſs
schöpften’ die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem
Athenatempel zusammenstöſst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand
selbst, daſs der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das
grab des Kekrops. kein zweifel, daſs dieses grab die gebeine eines alten
herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige
blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen
zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist
doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der
Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit
einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten
tempel baute. damals sproſs noch der heilige ölbaum und stand noch
der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in
Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten
hatte als die tatsache der continuität.


1) Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2—4 im einzelnen
auf die begründenden untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen.
den ersatz liefern die register.
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[[34]/0044] 2. DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON. 1) Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg μακϱαί) und weiter zur Klepsydra. am nordfuſse des burgfelsens rann der fluſs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein ‘reines naſs schöpften’ die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem Athenatempel zusammenstöſst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand selbst, daſs der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das grab des Kekrops. kein zweifel, daſs dieses grab die gebeine eines alten herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten tempel baute. damals sproſs noch der heilige ölbaum und stand noch der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten hatte als die tatsache der continuität. Die burg der Kekroper. 1) Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2—4 im einzelnen auf die begründenden untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen. den ersatz liefern die register.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. [34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/44>, abgerufen am 28.03.2024.