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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 2. Von dem Ehestande.
he wahrnehmen, deren Junge, so bald sie
ausgekrochen, herumblauffen und vor sich
Speise zu sich nehmen. Hingegen wo das
Weiblein allein nicht zurechte kommen kan,
bleibet das Männlein so lange bey ihr, bis
die Jungen auferzogen sind, wie wir insge-
mein bey den Vögeln finden. Ja wo die
Jungen sich gleich selbst versorgen können,
bekümmert sich weder das Männlein, noch
Weiblein umb sie, als wie wir es bey den
Raupen und anderem Ungeziefer sehen.

§. 16.

Weil diejenigen, welche die Kin-Warumb
die Kin-
der nicht
ausser
der Ehe
zu erzei-
gen sind.

der erzeugen, sie auch zu erziehen verbun-
den sind (§. 18); so gehet es nicht an, daß
sich viele ohne Unterscheid zu einer Person
legen: denn da in diesem Falle ungewiß,
wer der Vater ist, die Mutter aber allein
das Kind nicht versorgen kan, so würde es
entweder wegen der Verpflegung des Kin-
des und seiner guten Auferziehung viel
Streit geben, oder das Kind würde darun-
ter leiden müssen. Daher finden wir, daß
auch unter den Thieren diejenigen Weiblein
ohne Unterscheid die Männlein zulassen, die
vor sich ihre Jungen auf bringen können, o-
der auch da die Jungen gar keiner Hülffe
nöthig haben: Hingegen wo das Weiblein
allein ihre Jungen nicht auf bringen kan, da
gesellet sich nur ein einiges Männlein zu ihr
und das Weiblein leidet keinen Fremden.
Hierbey ist noch dieses zu erwegen, daß un-

ter

Cap. 2. Von dem Eheſtande.
he wahrnehmen, deren Junge, ſo bald ſie
ausgekrochen, herumblauffen und vor ſich
Speiſe zu ſich nehmen. Hingegen wo das
Weiblein allein nicht zurechte kommen kan,
bleibet das Maͤnnlein ſo lange bey ihr, bis
die Jungen auferzogen ſind, wie wir insge-
mein bey den Voͤgeln finden. Ja wo die
Jungen ſich gleich ſelbſt verſorgen koͤnnen,
bekuͤmmert ſich weder das Maͤnnlein, noch
Weiblein umb ſie, als wie wir es bey den
Raupen und anderem Ungeziefer ſehen.

§. 16.

Weil diejenigen, welche die Kin-Waꝛumb
die Kin-
der nicht
auſſer
der Ehe
zu erzei-
gen ſind.

der erzeugen, ſie auch zu erziehen verbun-
den ſind (§. 18); ſo gehet es nicht an, daß
ſich viele ohne Unterſcheid zu einer Perſon
legen: denn da in dieſem Falle ungewiß,
wer der Vater iſt, die Mutter aber allein
das Kind nicht verſorgen kan, ſo wuͤrde es
entweder wegen der Verpflegung des Kin-
des und ſeiner guten Auferziehung viel
Streit geben, oder das Kind wuͤrde darun-
ter leiden muͤſſen. Daher finden wir, daß
auch unter den Thieren diejenigen Weiblein
ohne Unterſcheid die Maͤnnlein zulaſſen, die
vor ſich ihre Jungen auf bringen koͤnnen, o-
der auch da die Jungen gar keiner Huͤlffe
noͤthig haben: Hingegen wo das Weiblein
allein ihre Jungen nicht auf bringen kan, da
geſellet ſich nur ein einiges Maͤnnlein zu ihr
und das Weiblein leidet keinen Fremden.
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[11/0029] Cap. 2. Von dem Eheſtande. he wahrnehmen, deren Junge, ſo bald ſie ausgekrochen, herumblauffen und vor ſich Speiſe zu ſich nehmen. Hingegen wo das Weiblein allein nicht zurechte kommen kan, bleibet das Maͤnnlein ſo lange bey ihr, bis die Jungen auferzogen ſind, wie wir insge- mein bey den Voͤgeln finden. Ja wo die Jungen ſich gleich ſelbſt verſorgen koͤnnen, bekuͤmmert ſich weder das Maͤnnlein, noch Weiblein umb ſie, als wie wir es bey den Raupen und anderem Ungeziefer ſehen. §. 16.Weil diejenigen, welche die Kin- der erzeugen, ſie auch zu erziehen verbun- den ſind (§. 18); ſo gehet es nicht an, daß ſich viele ohne Unterſcheid zu einer Perſon legen: denn da in dieſem Falle ungewiß, wer der Vater iſt, die Mutter aber allein das Kind nicht verſorgen kan, ſo wuͤrde es entweder wegen der Verpflegung des Kin- des und ſeiner guten Auferziehung viel Streit geben, oder das Kind wuͤrde darun- ter leiden muͤſſen. Daher finden wir, daß auch unter den Thieren diejenigen Weiblein ohne Unterſcheid die Maͤnnlein zulaſſen, die vor ſich ihre Jungen auf bringen koͤnnen, o- der auch da die Jungen gar keiner Huͤlffe noͤthig haben: Hingegen wo das Weiblein allein ihre Jungen nicht auf bringen kan, da geſellet ſich nur ein einiges Maͤnnlein zu ihr und das Weiblein leidet keinen Fremden. Hierbey iſt noch dieſes zu erwegen, daß un- ter Waꝛumb die Kin- der nicht auſſer der Ehe zu erzei- gen ſind.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/29>, abgerufen am 28.03.2024.