Mühe gantz vergebens, wann man der- gleichen vollkommenen Staat beschrei- ben wolte: denn er wäre ein Spiegel, darinnen wir die Unvollkommenheit unserer Staate erblicken könten, und ein Probier-Stein, daran sich das Gu- te in unseren Staaten zu erkennen gä- be. Allein da ich mir vor diesesmahl nichts weiter vorgenommen, als nach meiner Art, das ist, deutlich und gründ- lich zu zeigen, wie sich ein Staat auf unserem Erdboden einrichten lässet; so habe ich auch solche Menschen dazu neh- men müssen, wie wir auf dem Erdbo- den antreffen. Man findet demnach in diesem Buche zureichende Lehren, daraus man von allem demjenigen, was im gemeinen Wesen vorkommet, richtigen Grund anzeigen und alles, was zu ei- nem Staate gehöret, oder irgendswo darinnen angetroffen wird, vernünff- tig beurtheilen kan. Wer meine Art
ver-
)( 3
Vorrede.
Muͤhe gantz vergebens, wann man der- gleichen vollkommenen Staat beſchrei- ben wolte: denn er waͤre ein Spiegel, darinnen wir die Unvollkommenheit unſerer Staate erblicken koͤnten, und ein Probier-Stein, daran ſich das Gu- te in unſeren Staaten zu erkennen gaͤ- be. Allein da ich mir vor dieſesmahl nichts weiter vorgenommen, als nach meiner Art, das iſt, deutlich und gruͤnd- lich zu zeigen, wie ſich ein Staat auf unſerem Erdboden einrichten laͤſſet; ſo habe ich auch ſolche Menſchen dazu neh- men muͤſſen, wie wir auf dem Erdbo- den antreffen. Man findet demnach in dieſem Buche zureichende Lehren, daraus man von allem demjenigen, was im gemeinen Weſen vorkom̃et, richtigen Grund anzeigen und alles, was zu ei- nem Staate gehoͤret, oder irgendswo darinnen angetroffen wird, vernuͤnff- tig beurtheilen kan. Wer meine Art
ver-
)( 3
<TEI><text><front><divtype="preface"><p><pbfacs="#f0009"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorrede.</hi></hi></fw><lb/>
Muͤhe gantz vergebens, wann man der-<lb/>
gleichen vollkommenen Staat beſchrei-<lb/>
ben wolte: denn er waͤre ein Spiegel,<lb/>
darinnen wir die Unvollkommenheit<lb/>
unſerer Staate erblicken koͤnten, und<lb/>
ein Probier-Stein, daran ſich das Gu-<lb/>
te in unſeren Staaten zu erkennen gaͤ-<lb/>
be. Allein da ich mir vor dieſesmahl<lb/>
nichts weiter vorgenommen, als nach<lb/>
meiner Art, das iſt, deutlich und gruͤnd-<lb/>
lich zu zeigen, wie ſich ein Staat auf<lb/>
unſerem Erdboden einrichten laͤſſet; ſo<lb/>
habe ich auch ſolche Menſchen dazu neh-<lb/>
men muͤſſen, wie wir auf dem Erdbo-<lb/>
den antreffen. Man findet demnach<lb/>
in dieſem Buche zureichende Lehren,<lb/>
daraus man von allem demjenigen, was<lb/>
im gemeinen Weſen vorkom̃et, richtigen<lb/>
Grund anzeigen und alles, was zu ei-<lb/>
nem Staate gehoͤret, oder irgendswo<lb/>
darinnen angetroffen wird, vernuͤnff-<lb/>
tig beurtheilen kan. Wer meine Art<lb/><fwplace="bottom"type="sig">)( 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[0009]
Vorrede.
Muͤhe gantz vergebens, wann man der-
gleichen vollkommenen Staat beſchrei-
ben wolte: denn er waͤre ein Spiegel,
darinnen wir die Unvollkommenheit
unſerer Staate erblicken koͤnten, und
ein Probier-Stein, daran ſich das Gu-
te in unſeren Staaten zu erkennen gaͤ-
be. Allein da ich mir vor dieſesmahl
nichts weiter vorgenommen, als nach
meiner Art, das iſt, deutlich und gruͤnd-
lich zu zeigen, wie ſich ein Staat auf
unſerem Erdboden einrichten laͤſſet; ſo
habe ich auch ſolche Menſchen dazu neh-
men muͤſſen, wie wir auf dem Erdbo-
den antreffen. Man findet demnach
in dieſem Buche zureichende Lehren,
daraus man von allem demjenigen, was
im gemeinen Weſen vorkom̃et, richtigen
Grund anzeigen und alles, was zu ei-
nem Staate gehoͤret, oder irgendswo
darinnen angetroffen wird, vernuͤnff-
tig beurtheilen kan. Wer meine Art
ver-
)( 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/9>, abgerufen am 29.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.