Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Die nachstehende Novelle, größtenteils in Briefen, erschien in dem von K. Büchner herausgegebenen "Deutschen Taschenbuche auf das Jahr 1838", mit dem Beisatze: "mitgetheilt von Leopold Schefer". Man braucht nicht lange darin zu lesen, um sich zu überzeugen, daß die Erzählung keinen Verfasser hat, sondern eine Verfasserin. Die weiblichen Briefe bekunden dies durchsichtig genug, noch mehr aber durften es die männlichen verrathen. Diese Vermuthung findet denn auch ihre Bestätigung in einer gleichzeitigen Taschenbücherschau der Blätter für literarische Unterhaltung vom 19. December 1837, die bei Gelegenheit unserer Novelle die Bemerkung enthält: F. v. W. ist ein Fräulein von Wolf in Kopenhagen". Mehr haben wir von der talentvollen Verfasserin nicht in Erfahrung bringen können. Dieselbe entwickelt eine merkwürdige Kunst der Natürlichkeit: man glaubt wirkliche Mittheilungen aus dem Leben zu lesen, mit leichter Hand hingeworfen, als wären sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; und unter dem Eindrücke dieser Täuschung gewinnt uns die Zartheit und Anmuth des Vortrags um so mehr für den Kreis, aus welchem wir die Mittheilungen hervorgehen sehen. Eine Theilnahme freilich, die sich fast ganz auf den weiblichen Theil dieses Kreises beschränkt; denn die "Herren" sind nicht durchaus günstig geschildert, und der Beste von ihnen geht leer aus, was ihn, wenigstens in männlichen Augen, nicht eben zum Helden macht. Ob denn doch vielleicht Verhältnisse und Begebenheiten des wirklichen Lebens zu Grunde liegen? ob die überraschende Schlußwendung der Wirklichkeit angehört oder experimen-

Die nachstehende Novelle, größtenteils in Briefen, erschien in dem von K. Büchner herausgegebenen „Deutschen Taschenbuche auf das Jahr 1838“, mit dem Beisatze: „mitgetheilt von Leopold Schefer“. Man braucht nicht lange darin zu lesen, um sich zu überzeugen, daß die Erzählung keinen Verfasser hat, sondern eine Verfasserin. Die weiblichen Briefe bekunden dies durchsichtig genug, noch mehr aber durften es die männlichen verrathen. Diese Vermuthung findet denn auch ihre Bestätigung in einer gleichzeitigen Taschenbücherschau der Blätter für literarische Unterhaltung vom 19. December 1837, die bei Gelegenheit unserer Novelle die Bemerkung enthält: F. v. W. ist ein Fräulein von Wolf in Kopenhagen“. Mehr haben wir von der talentvollen Verfasserin nicht in Erfahrung bringen können. Dieselbe entwickelt eine merkwürdige Kunst der Natürlichkeit: man glaubt wirkliche Mittheilungen aus dem Leben zu lesen, mit leichter Hand hingeworfen, als wären sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; und unter dem Eindrücke dieser Täuschung gewinnt uns die Zartheit und Anmuth des Vortrags um so mehr für den Kreis, aus welchem wir die Mittheilungen hervorgehen sehen. Eine Theilnahme freilich, die sich fast ganz auf den weiblichen Theil dieses Kreises beschränkt; denn die „Herren“ sind nicht durchaus günstig geschildert, und der Beste von ihnen geht leer aus, was ihn, wenigstens in männlichen Augen, nicht eben zum Helden macht. Ob denn doch vielleicht Verhältnisse und Begebenheiten des wirklichen Lebens zu Grunde liegen? ob die überraschende Schlußwendung der Wirklichkeit angehört oder experimen-

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div type="preface">
        <p>Die nachstehende Novelle, größtenteils in Briefen, erschien in dem von K. Büchner     herausgegebenen &#x201E;Deutschen Taschenbuche auf das Jahr 1838&#x201C;, mit dem Beisatze: &#x201E;mitgetheilt von     Leopold Schefer&#x201C;. Man braucht nicht lange darin zu lesen, um sich zu überzeugen, daß die     Erzählung keinen Verfasser hat, sondern eine Verfasserin. Die weiblichen Briefe bekunden dies     durchsichtig genug, noch mehr aber durften es die männlichen verrathen. Diese Vermuthung findet     denn auch ihre Bestätigung in einer gleichzeitigen Taschenbücherschau der Blätter für     literarische Unterhaltung vom 19. December 1837, die bei Gelegenheit unserer Novelle die     Bemerkung enthält: F. v. W. ist ein Fräulein von Wolf in Kopenhagen&#x201C;. Mehr haben wir von der     talentvollen Verfasserin nicht in Erfahrung bringen können. Dieselbe entwickelt eine merkwürdige     Kunst der Natürlichkeit: man glaubt wirkliche Mittheilungen aus dem Leben zu lesen, mit leichter     Hand hingeworfen, als wären sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; und unter dem Eindrücke     dieser Täuschung gewinnt uns die Zartheit und Anmuth des Vortrags um so mehr für den Kreis, aus     welchem wir die Mittheilungen hervorgehen sehen. Eine Theilnahme freilich, die sich fast ganz     auf den weiblichen Theil dieses Kreises beschränkt; denn die &#x201E;Herren&#x201C; sind nicht durchaus     günstig geschildert, und der Beste von ihnen geht leer aus, was ihn, wenigstens in männlichen     Augen, nicht eben zum Helden macht. Ob denn doch vielleicht Verhältnisse und Begebenheiten des     wirklichen Lebens zu Grunde liegen? ob die überraschende Schlußwendung der Wirklichkeit angehört     oder experimen-<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0005] Die nachstehende Novelle, größtenteils in Briefen, erschien in dem von K. Büchner herausgegebenen „Deutschen Taschenbuche auf das Jahr 1838“, mit dem Beisatze: „mitgetheilt von Leopold Schefer“. Man braucht nicht lange darin zu lesen, um sich zu überzeugen, daß die Erzählung keinen Verfasser hat, sondern eine Verfasserin. Die weiblichen Briefe bekunden dies durchsichtig genug, noch mehr aber durften es die männlichen verrathen. Diese Vermuthung findet denn auch ihre Bestätigung in einer gleichzeitigen Taschenbücherschau der Blätter für literarische Unterhaltung vom 19. December 1837, die bei Gelegenheit unserer Novelle die Bemerkung enthält: F. v. W. ist ein Fräulein von Wolf in Kopenhagen“. Mehr haben wir von der talentvollen Verfasserin nicht in Erfahrung bringen können. Dieselbe entwickelt eine merkwürdige Kunst der Natürlichkeit: man glaubt wirkliche Mittheilungen aus dem Leben zu lesen, mit leichter Hand hingeworfen, als wären sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; und unter dem Eindrücke dieser Täuschung gewinnt uns die Zartheit und Anmuth des Vortrags um so mehr für den Kreis, aus welchem wir die Mittheilungen hervorgehen sehen. Eine Theilnahme freilich, die sich fast ganz auf den weiblichen Theil dieses Kreises beschränkt; denn die „Herren“ sind nicht durchaus günstig geschildert, und der Beste von ihnen geht leer aus, was ihn, wenigstens in männlichen Augen, nicht eben zum Helden macht. Ob denn doch vielleicht Verhältnisse und Begebenheiten des wirklichen Lebens zu Grunde liegen? ob die überraschende Schlußwendung der Wirklichkeit angehört oder experimen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/5
Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/5>, abgerufen am 24.04.2024.