Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Begriff einer Theorie
vor noch, Jhnen zu sagen, daß nichts in der Welt
verdrießlicher sey, als eine Sache, die man ein-
mahl in ihrem ganzen Umfange, und nach allen
ihren Kleinigkeiten durchgedacht hat, hernach von
neuen wieder vorzunehmen, und sie nach eben den-
selben Kleinigkeiten, bloß einer andern Ordnung,
oder einer andern Schreibart wegen, noch einmahl
wieder durch zu arbeiten, und daß nichts in der
Welt unerträglicher sey, als ein Freund der dem
andern so lange martert, bis er sich endlich frey-
willig entweder, oder nicht freywillig, dennoch
aber würklich entschließt, dieses ängstliche Ge-
schäfte geduldig anzufangen.

1. Abschnitt.
Begriff einer Theorie von der
Generation.


Jn den bis-
her bekaun-
ten Schriften
von der Gene-
ration ist kei-
ne Theorie
derselben ent-
halten.

Jch glaube, daß ich mich nicht sehr
irre, wenn ich sage, daß ungeach-
tet der vielen Schriften, die in den äl-
tern so wohl, als in den neuern Zeiten
über die Generation herausgegeben sind,
dennoch bishero noch niemand eine würk-
liche Lehre von der Generation, die übrigens auch
falsch seyn möchte, gegeben, oder, die Generation
würklich weder wahr noch falsch erklärt habe. Es
wird Jhnen scheinen als wenn hierinn etwas wi-
dersprechendes wäre; deswegen will ich mich deut-
licher erklären.

Setzen

Begriff einer Theorie
vor noch, Jhnen zu ſagen, daß nichts in der Welt
verdrießlicher ſey, als eine Sache, die man ein-
mahl in ihrem ganzen Umfange, und nach allen
ihren Kleinigkeiten durchgedacht hat, hernach von
neuen wieder vorzunehmen, und ſie nach eben den-
ſelben Kleinigkeiten, bloß einer andern Ordnung,
oder einer andern Schreibart wegen, noch einmahl
wieder durch zu arbeiten, und daß nichts in der
Welt unertraͤglicher ſey, als ein Freund der dem
andern ſo lange martert, bis er ſich endlich frey-
willig entweder, oder nicht freywillig, dennoch
aber wuͤrklich entſchließt, dieſes aͤngſtliche Ge-
ſchaͤfte geduldig anzufangen.

1. Abſchnitt.
Begriff einer Theorie von der
Generation.


Jn den bis-
her bekaun-
ten Schriften
von der Gene-
ration iſt kei-
ne Theorie
derſelben ent-
halten.

Jch glaube, daß ich mich nicht ſehr
irre, wenn ich ſage, daß ungeach-
tet der vielen Schriften, die in den aͤl-
tern ſo wohl, als in den neuern Zeiten
uͤber die Generation herausgegeben ſind,
deñoch bishero noch niemand eine wuͤrk-
liche Lehre von der Generation, die uͤbrigens auch
falſch ſeyn moͤchte, gegeben, oder, die Generation
wuͤrklich weder wahr noch falſch erklaͤrt habe. Es
wird Jhnen ſcheinen als wenn hierinn etwas wi-
derſprechendes waͤre; deswegen will ich mich deut-
licher erklaͤren.

Setzen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Begriff einer Theorie</hi></fw><lb/>
vor noch, Jhnen zu &#x017F;agen, daß nichts in der Welt<lb/>
verdrießlicher &#x017F;ey, als eine Sache, die man ein-<lb/>
mahl in ihrem ganzen Umfange, und nach allen<lb/>
ihren Kleinigkeiten durchgedacht hat, hernach von<lb/>
neuen wieder vorzunehmen, und &#x017F;ie nach eben den-<lb/>
&#x017F;elben Kleinigkeiten, bloß einer andern Ordnung,<lb/>
oder einer andern Schreibart wegen, noch einmahl<lb/>
wieder durch zu arbeiten, und daß nichts in der<lb/>
Welt unertra&#x0364;glicher &#x017F;ey, als ein Freund der dem<lb/>
andern &#x017F;o lange martert, bis er &#x017F;ich endlich frey-<lb/>
willig entweder, oder nicht freywillig, dennoch<lb/>
aber wu&#x0364;rklich ent&#x017F;chließt, die&#x017F;es a&#x0364;ng&#x017F;tliche Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fte geduldig anzufangen.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head>1. Ab&#x017F;chnitt.<lb/>
Begriff einer Theorie von der<lb/><hi rendition="#g">Generation</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note place="left">Jn den bis-<lb/>
her bekaun-<lb/>
ten Schriften<lb/>
von der Gene-<lb/>
ration i&#x017F;t kei-<lb/>
ne Theorie<lb/>
der&#x017F;elben ent-<lb/>
halten.</note>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch glaube, daß ich mich nicht &#x017F;ehr<lb/>
irre, wenn ich &#x017F;age, daß ungeach-<lb/>
tet der vielen Schriften, die in den a&#x0364;l-<lb/>
tern &#x017F;o wohl, als in den neuern Zeiten<lb/>
u&#x0364;ber die Generation herausgegeben &#x017F;ind,<lb/>
deñoch bishero noch niemand eine wu&#x0364;rk-<lb/>
liche Lehre von der Generation, die u&#x0364;brigens auch<lb/>
fal&#x017F;ch &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, gegeben, oder, die Generation<lb/>
wu&#x0364;rklich weder wahr noch fal&#x017F;ch erkla&#x0364;rt habe. Es<lb/>
wird Jhnen &#x017F;cheinen als wenn hierinn etwas wi-<lb/>
der&#x017F;prechendes wa&#x0364;re; deswegen will ich mich deut-<lb/>
licher erkla&#x0364;ren.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Setzen</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0024] Begriff einer Theorie vor noch, Jhnen zu ſagen, daß nichts in der Welt verdrießlicher ſey, als eine Sache, die man ein- mahl in ihrem ganzen Umfange, und nach allen ihren Kleinigkeiten durchgedacht hat, hernach von neuen wieder vorzunehmen, und ſie nach eben den- ſelben Kleinigkeiten, bloß einer andern Ordnung, oder einer andern Schreibart wegen, noch einmahl wieder durch zu arbeiten, und daß nichts in der Welt unertraͤglicher ſey, als ein Freund der dem andern ſo lange martert, bis er ſich endlich frey- willig entweder, oder nicht freywillig, dennoch aber wuͤrklich entſchließt, dieſes aͤngſtliche Ge- ſchaͤfte geduldig anzufangen. 1. Abſchnitt. Begriff einer Theorie von der Generation. Jch glaube, daß ich mich nicht ſehr irre, wenn ich ſage, daß ungeach- tet der vielen Schriften, die in den aͤl- tern ſo wohl, als in den neuern Zeiten uͤber die Generation herausgegeben ſind, deñoch bishero noch niemand eine wuͤrk- liche Lehre von der Generation, die uͤbrigens auch falſch ſeyn moͤchte, gegeben, oder, die Generation wuͤrklich weder wahr noch falſch erklaͤrt habe. Es wird Jhnen ſcheinen als wenn hierinn etwas wi- derſprechendes waͤre; deswegen will ich mich deut- licher erklaͤren. Setzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/24
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/24>, abgerufen am 28.03.2024.