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Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645.

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fünftes Buhch.
che nihmand kommen durfte/ man hätte dan ihn
zufohr gebunden/ zur bezeugung seiner untertäh-
nigkeit: und wan einer un-versähens strauchelte/
daß er zu boden fihl/ so dorft' er nicht wider auf-
stähen/ sondern man wälzt' ihn auf der ärden
hin-aus.

Di Sachsen pflägten etliche schlohs-weisse
pfährde mit gemeinen kosten zu erzuhen/ welche
man zu keiner arbeit gebrauchte/ sondern nuhr
künftige dinge durch si erforschete. Si warden in
einen wagen gespannet/ näben dehm der König
oder Fürst hähr-ging/ und fleissig in acht nahm/
wi si sich gebährdeten/ und wi si sich mit schreien
anställten. Von disen zeuchen hihlten si über-aus-
vihl/ und es vergaften sich dahr-an nicht alein di
gemeinen leute/ sondern auch di fohrnähmsten und
geistlichen selbst. Jn schwähren und gefährlichen
trigen lihssen si einen gefangenen von däm folke/
damit si keihg führeten/ gewafnet härführ-träh-
ten/ welcher mit einem Deutschen oder Sachsen/
auf seine weise gerüstet/ kämpfen muste. Wehr
nuhn unter disen zweien di ober-hand behihlt/ des-
selben folke schriben si den sihg zu.

Dises sei also mit kurzen von der alten Deutschen
ahrt/ gebräuchen und sitten: nuhn wül ich mei-
nem Fräulein auch von der heutigen etwas erzäh-
len: derer stand/ wäsen und gebräuche in allen
ländern/ jah fast in allen Stätten/ unterschihdlich
ist. Es wärden aber di Deutschen in zwe stände
fohr-nähmlich ab-geteilet.

Der ehrste Stand ist der Geistliche/ zu welchem
teils fürstliche/ teils adliche/ teils bürgerliche und
gemeine geschlächter beförtert und erhoben wär-
den. Es wurd ein geistlicher/ sonderlicher ein Prä-
diger und öffendlicher Beicht-vater/ an keinem
ort' und in keinem lande höher und ansähnlicher

gehal-

fuͤnftes Buhch.
che nihmand kommen durfte/ man haͤtte dan ihn
zufohr gebunden/ zur bezeugung ſeiner untertaͤh-
nigkeit: und wan einer un-verſaͤhens ſtrauchelte/
daß er zu boden fihl/ ſo dorft’ er nicht wider auf-
ſtaͤhen/ ſondern man waͤlzt’ ihn auf der aͤrden
hin-aus.

Di Sachſen pflaͤgten etliche ſchlohs-weiſſe
pfaͤhrde mit gemeinen koſten zu erzůhen/ welche
man zu keiner arbeit gebrauchte/ ſondern nuhr
kuͤnftige dinge durch ſi erforſchete. Si warden in
einen wagen geſpannet/ naͤben dehm der Koͤnig
oder Fuͤrſt haͤhr-ging/ und fleiſſig in acht nahm/
wi ſi ſich gebaͤhrdeten/ und wi ſi ſich mit ſchreien
anſtaͤllten. Von diſen zeuchen hihlten ſi uͤber-aus-
vihl/ und es vergaften ſich dahr-an nicht alein di
gemeinen leute/ ſondern auch di fohrnaͤhmſten und
geiſtlichen ſelbſt. Jn ſchwaͤhren und gefaͤhrlichen
trigen lihſſen ſi einen gefangenen von daͤm folke/
damit ſi keihg fuͤhreten/ gewafnet haͤrfuͤhr-traͤh-
ten/ welcher mit einem Deutſchen oder Sachſen/
auf ſeine weiſe geruͤſtet/ kaͤmpfen muſte. Wehr
nuhn unter diſen zweien di ober-hand behihlt/ deſ-
ſelben folke ſchriben ſi den ſihg zu.

Diſes ſei alſo mit kurzen von der alten Deutſchen
ahrt/ gebraͤuchen und ſitten: nuhn wuͤl ich mei-
nem Fraͤulein auch von der heutigen etwas erzaͤh-
len: derer ſtand/ waͤſen und gebraͤuche in allen
laͤndern/ jah faſt in allen Staͤtten/ unterſchihdlich
iſt. Es waͤrden aber di Deutſchen in zwe ſtaͤnde
fohr-naͤhmlich ab-geteilet.

Der ehrſte Stand iſt der Geiſtliche/ zu welchem
teils fuͤrſtliche/ teils adliche/ teils bürgerliche und
gemeine geſchlaͤchter befoͤrtert und erhoben waͤr-
den. Es wůrd ein geiſtlicher/ ſonderlicher ein Praͤ-
diger und oͤffendlicher Beicht-vater/ an keinem
ort’ und in keinem lande hoͤher und anſaͤhnlicher

gehal-
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[263/0279] fuͤnftes Buhch. che nihmand kommen durfte/ man haͤtte dan ihn zufohr gebunden/ zur bezeugung ſeiner untertaͤh- nigkeit: und wan einer un-verſaͤhens ſtrauchelte/ daß er zu boden fihl/ ſo dorft’ er nicht wider auf- ſtaͤhen/ ſondern man waͤlzt’ ihn auf der aͤrden hin-aus. Di Sachſen pflaͤgten etliche ſchlohs-weiſſe pfaͤhrde mit gemeinen koſten zu erzůhen/ welche man zu keiner arbeit gebrauchte/ ſondern nuhr kuͤnftige dinge durch ſi erforſchete. Si warden in einen wagen geſpannet/ naͤben dehm der Koͤnig oder Fuͤrſt haͤhr-ging/ und fleiſſig in acht nahm/ wi ſi ſich gebaͤhrdeten/ und wi ſi ſich mit ſchreien anſtaͤllten. Von diſen zeuchen hihlten ſi uͤber-aus- vihl/ und es vergaften ſich dahr-an nicht alein di gemeinen leute/ ſondern auch di fohrnaͤhmſten und geiſtlichen ſelbſt. Jn ſchwaͤhren und gefaͤhrlichen trigen lihſſen ſi einen gefangenen von daͤm folke/ damit ſi keihg fuͤhreten/ gewafnet haͤrfuͤhr-traͤh- ten/ welcher mit einem Deutſchen oder Sachſen/ auf ſeine weiſe geruͤſtet/ kaͤmpfen muſte. Wehr nuhn unter diſen zweien di ober-hand behihlt/ deſ- ſelben folke ſchriben ſi den ſihg zu. Diſes ſei alſo mit kurzen von der alten Deutſchen ahrt/ gebraͤuchen und ſitten: nuhn wuͤl ich mei- nem Fraͤulein auch von der heutigen etwas erzaͤh- len: derer ſtand/ waͤſen und gebraͤuche in allen laͤndern/ jah faſt in allen Staͤtten/ unterſchihdlich iſt. Es waͤrden aber di Deutſchen in zwe ſtaͤnde fohr-naͤhmlich ab-geteilet. Der ehrſte Stand iſt der Geiſtliche/ zu welchem teils fuͤrſtliche/ teils adliche/ teils bürgerliche und gemeine geſchlaͤchter befoͤrtert und erhoben waͤr- den. Es wůrd ein geiſtlicher/ ſonderlicher ein Praͤ- diger und oͤffendlicher Beicht-vater/ an keinem ort’ und in keinem lande hoͤher und anſaͤhnlicher gehal-

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Zitationshilfe: Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_rosemund_1645/279>, abgerufen am 29.03.2024.