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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sie rücken wahrscheinlich schon heute Nacht an, sagte der Knabe; denn bei uns, als gestern die Nachrichten aus der Residenz ankamen, war Alles der Meinung, man müsse schnell aufräumen.

Werden dein Herr und der Müller unter den Aufrührern sein? fragte der Justizrath.

Ich glaube es wohl, meinte der Knabe, deßhalb, und weil sie jedenfalls, wie ich bestimmt weiß, heute Abend verreisen werden, hält Sie Jungfer Marie für gut aufgehoben bei uns, wohin sonst Niemand kommt. -- Aber, wenn sie nun nicht verreisen, wer steht uns dafür, daß sie uns nicht ausliefern?

Dafür lassen Sie nur Jungfer Marie sorgen; was sie will, thut ihr Vater, und dem folgt wieder der Schmied. Im schlimmsten Fall können wir immer noch flüchten; denn die Alten haben seit langer Zeit das Bruch nicht besucht und sollen lange suchen, ehe sie meine Wege finden.

Es wurde ausgemacht, daß der Justizrath und der Actuar noch vor Abend die Stadt verlassen und sich östlich wenden, dort in der Heide an einer bestimmten Stelle die späte Nacht bis zur Ankunft des Knaben abwarten sollten, der sie dann durch die Felder zur Müllerwohnung bringen solle. Diesen letzten Theil des Weges sollten sie zu Fuß machen, damit selbst der heimkehrende Fuhrmann ihre Spur nicht verrathen könne.

Es war Ende März, als man beim Eintritt des

Sie rücken wahrscheinlich schon heute Nacht an, sagte der Knabe; denn bei uns, als gestern die Nachrichten aus der Residenz ankamen, war Alles der Meinung, man müsse schnell aufräumen.

Werden dein Herr und der Müller unter den Aufrührern sein? fragte der Justizrath.

Ich glaube es wohl, meinte der Knabe, deßhalb, und weil sie jedenfalls, wie ich bestimmt weiß, heute Abend verreisen werden, hält Sie Jungfer Marie für gut aufgehoben bei uns, wohin sonst Niemand kommt. — Aber, wenn sie nun nicht verreisen, wer steht uns dafür, daß sie uns nicht ausliefern?

Dafür lassen Sie nur Jungfer Marie sorgen; was sie will, thut ihr Vater, und dem folgt wieder der Schmied. Im schlimmsten Fall können wir immer noch flüchten; denn die Alten haben seit langer Zeit das Bruch nicht besucht und sollen lange suchen, ehe sie meine Wege finden.

Es wurde ausgemacht, daß der Justizrath und der Actuar noch vor Abend die Stadt verlassen und sich östlich wenden, dort in der Heide an einer bestimmten Stelle die späte Nacht bis zur Ankunft des Knaben abwarten sollten, der sie dann durch die Felder zur Müllerwohnung bringen solle. Diesen letzten Theil des Weges sollten sie zu Fuß machen, damit selbst der heimkehrende Fuhrmann ihre Spur nicht verrathen könne.

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[0045] Sie rücken wahrscheinlich schon heute Nacht an, sagte der Knabe; denn bei uns, als gestern die Nachrichten aus der Residenz ankamen, war Alles der Meinung, man müsse schnell aufräumen. Werden dein Herr und der Müller unter den Aufrührern sein? fragte der Justizrath. Ich glaube es wohl, meinte der Knabe, deßhalb, und weil sie jedenfalls, wie ich bestimmt weiß, heute Abend verreisen werden, hält Sie Jungfer Marie für gut aufgehoben bei uns, wohin sonst Niemand kommt. — Aber, wenn sie nun nicht verreisen, wer steht uns dafür, daß sie uns nicht ausliefern? Dafür lassen Sie nur Jungfer Marie sorgen; was sie will, thut ihr Vater, und dem folgt wieder der Schmied. Im schlimmsten Fall können wir immer noch flüchten; denn die Alten haben seit langer Zeit das Bruch nicht besucht und sollen lange suchen, ehe sie meine Wege finden. Es wurde ausgemacht, daß der Justizrath und der Actuar noch vor Abend die Stadt verlassen und sich östlich wenden, dort in der Heide an einer bestimmten Stelle die späte Nacht bis zur Ankunft des Knaben abwarten sollten, der sie dann durch die Felder zur Müllerwohnung bringen solle. Diesen letzten Theil des Weges sollten sie zu Fuß machen, damit selbst der heimkehrende Fuhrmann ihre Spur nicht verrathen könne. Es war Ende März, als man beim Eintritt des

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/45>, abgerufen am 29.03.2024.