Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

das ist vermuthlich vom plötzlichen Wachsen gekommen. Er war gewaltig in die Höhe geschossen.

Wann sahen Sie ihn denn, Papa?

Als ich das letztemal in der Residenz war. Laß sehen, es mögen zehn, zwölf Jahre sein. Ich brachte dir damals die schöne Puppe mit, wie hieß sie doch? Sie war fast so groß, wie du. Die Babette, Rosette, Lisette oder dergleichen. Nun weißt du's. Der junge Hahn mochte kaum viel über zwanzig haben. Ein rechtes Milchgesicht, sag' ich dir. Du sollst ihn nur sehen.

Papa, ich hätte erst ihn lieber gesehen, als seinen Brief mit solchem Antrag gelesen.

Ein dummer Streich ist's, daß er, wie wir Alten es abgemacht hatten, nicht selbst zu deinem Geburtstage kommen konnte. Als ich mit der Mama verlobt war, kam ich selbst. Nun, Mama, und du? Gelt, du hast die Aeuglein aufgerissen? Das Geheimniß brannte mir fast die Seele ab. Hätt's dir gern gleich Anfangs mitgetheilt. Allein ich kenne euch Frauen. Da wäre das Geheimniß schon vor dem Geburtstage verrathen worden und alle Ueberraschung in die Brüche gegangen.

Frau Bantes erwiderte etwas ernsthaft: Du hast wohl gethan, Papa, mich, als Mutter, nicht zu Rathe zu ziehen. Es ist nun geschehen. Segne der Himmel dein Werk.

Aber, Mama, ich sage, die Wahl! Für seinen Adel zwar geb' ich keinen rothen Kreuzer. Doch, solch

das ist vermuthlich vom plötzlichen Wachsen gekommen. Er war gewaltig in die Höhe geschossen.

Wann sahen Sie ihn denn, Papa?

Als ich das letztemal in der Residenz war. Laß sehen, es mögen zehn, zwölf Jahre sein. Ich brachte dir damals die schöne Puppe mit, wie hieß sie doch? Sie war fast so groß, wie du. Die Babette, Rosette, Lisette oder dergleichen. Nun weißt du's. Der junge Hahn mochte kaum viel über zwanzig haben. Ein rechtes Milchgesicht, sag' ich dir. Du sollst ihn nur sehen.

Papa, ich hätte erst ihn lieber gesehen, als seinen Brief mit solchem Antrag gelesen.

Ein dummer Streich ist's, daß er, wie wir Alten es abgemacht hatten, nicht selbst zu deinem Geburtstage kommen konnte. Als ich mit der Mama verlobt war, kam ich selbst. Nun, Mama, und du? Gelt, du hast die Aeuglein aufgerissen? Das Geheimniß brannte mir fast die Seele ab. Hätt's dir gern gleich Anfangs mitgetheilt. Allein ich kenne euch Frauen. Da wäre das Geheimniß schon vor dem Geburtstage verrathen worden und alle Ueberraschung in die Brüche gegangen.

Frau Bantes erwiderte etwas ernsthaft: Du hast wohl gethan, Papa, mich, als Mutter, nicht zu Rathe zu ziehen. Es ist nun geschehen. Segne der Himmel dein Werk.

Aber, Mama, ich sage, die Wahl! Für seinen Adel zwar geb' ich keinen rothen Kreuzer. Doch, solch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0042"/>
das ist vermuthlich vom plötzlichen Wachsen gekommen. Er war gewaltig in die      Höhe geschossen.</p><lb/>
        <p>Wann sahen Sie ihn denn, Papa?</p><lb/>
        <p>Als ich das letztemal in der Residenz war. Laß sehen, es mögen zehn, zwölf Jahre sein. Ich      brachte dir damals die schöne Puppe mit, wie hieß sie doch? Sie war fast so groß, wie du. Die      Babette, Rosette, Lisette oder dergleichen. Nun weißt du's. Der junge Hahn mochte kaum viel      über zwanzig haben. Ein rechtes Milchgesicht, sag' ich dir. Du sollst ihn nur sehen.</p><lb/>
        <p>Papa, ich hätte erst ihn lieber gesehen, als seinen Brief mit solchem Antrag gelesen.</p><lb/>
        <p>Ein dummer Streich ist's, daß er, wie wir Alten es abgemacht hatten, nicht selbst zu deinem      Geburtstage kommen konnte. Als ich mit der Mama verlobt war, kam ich selbst. Nun, Mama, und du?      Gelt, du hast die Aeuglein aufgerissen? Das Geheimniß brannte mir fast die Seele ab. Hätt's dir      gern gleich Anfangs mitgetheilt. Allein ich kenne euch Frauen. Da wäre das Geheimniß schon vor      dem Geburtstage verrathen worden und alle Ueberraschung in die Brüche gegangen.</p><lb/>
        <p>Frau Bantes erwiderte etwas ernsthaft: Du hast wohl gethan, Papa, mich, als Mutter, nicht zu      Rathe zu ziehen. Es ist nun geschehen. Segne der Himmel dein Werk.</p><lb/>
        <p>Aber, Mama, ich sage, die Wahl! Für seinen Adel zwar geb' ich keinen rothen Kreuzer. Doch,      solch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] das ist vermuthlich vom plötzlichen Wachsen gekommen. Er war gewaltig in die Höhe geschossen. Wann sahen Sie ihn denn, Papa? Als ich das letztemal in der Residenz war. Laß sehen, es mögen zehn, zwölf Jahre sein. Ich brachte dir damals die schöne Puppe mit, wie hieß sie doch? Sie war fast so groß, wie du. Die Babette, Rosette, Lisette oder dergleichen. Nun weißt du's. Der junge Hahn mochte kaum viel über zwanzig haben. Ein rechtes Milchgesicht, sag' ich dir. Du sollst ihn nur sehen. Papa, ich hätte erst ihn lieber gesehen, als seinen Brief mit solchem Antrag gelesen. Ein dummer Streich ist's, daß er, wie wir Alten es abgemacht hatten, nicht selbst zu deinem Geburtstage kommen konnte. Als ich mit der Mama verlobt war, kam ich selbst. Nun, Mama, und du? Gelt, du hast die Aeuglein aufgerissen? Das Geheimniß brannte mir fast die Seele ab. Hätt's dir gern gleich Anfangs mitgetheilt. Allein ich kenne euch Frauen. Da wäre das Geheimniß schon vor dem Geburtstage verrathen worden und alle Ueberraschung in die Brüche gegangen. Frau Bantes erwiderte etwas ernsthaft: Du hast wohl gethan, Papa, mich, als Mutter, nicht zu Rathe zu ziehen. Es ist nun geschehen. Segne der Himmel dein Werk. Aber, Mama, ich sage, die Wahl! Für seinen Adel zwar geb' ich keinen rothen Kreuzer. Doch, solch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/42
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/42>, abgerufen am 28.03.2024.