Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Da werden wir wohl unterhandeln müssen, lieber
Bovillard."

"Ah, Dero Herren Söhne -- spielen Ritter"

"Die Passion ist vorbei, sie wollen nichts als
Menschen, Urmenschen sein. Na, Jean Jacques,
sagt, was wollt Ihr denn von uns?"

"Jean Jacques! Sind ihnen ihre Taufnamen
Hugo und Busso nicht urmenschlich genug?"

"Eine Passion meiner Frau." Der Minister
verneigte sich: "Also Ihr großmächtigen Herren
der Insel und Gebietiger des Waldes, was for¬
dert Ihr von uns armen Menschenkindern, damit
wir unter Eurer Gnade einen ungehinderten Durch¬
weg haben."

Während die Knaben dies "freche Ansinnen,"
wie sie es nannten, in Ueberlegung ziehen wollten,
und dazu der eine Waldmensch vom Baume herab¬
rutschte, hatte Bovillard Zeit die Insel zu betrachten,
von deren Existenz er noch nichts wußte. Sie war
sichtlich erst vor kurzem gegraben, so wie die künst¬
liche Höhle aufgeschüttet von Erdreich, Aesten und
Moos mit rohem Tisch und Bänken, und ein schad¬
haftes Bärenfell, das am Eingang hing, verrieth
an seiner Furnitur, daß es von irgend einem Lieb¬
habertheater stammte.

Der Riese, indem er den Blätterkranz auf der
Stirn zurecht rückte, während der Andere das Bären¬
fell auf die Erde breitete und sich in malerischer Po¬
sition hinwarf, stellte nun in einer schwulstigen Knaben¬

„Da werden wir wohl unterhandeln müſſen, lieber
Bovillard.“

„Ah, Dero Herren Söhne — ſpielen Ritter“

„Die Paſſion iſt vorbei, ſie wollen nichts als
Menſchen, Urmenſchen ſein. Na, Jean Jacques,
ſagt, was wollt Ihr denn von uns?“

„Jean Jacques! Sind ihnen ihre Taufnamen
Hugo und Buſſo nicht urmenſchlich genug?“

„Eine Paſſion meiner Frau.“ Der Miniſter
verneigte ſich: „Alſo Ihr großmächtigen Herren
der Inſel und Gebietiger des Waldes, was for¬
dert Ihr von uns armen Menſchenkindern, damit
wir unter Eurer Gnade einen ungehinderten Durch¬
weg haben.“

Während die Knaben dies „freche Anſinnen,“
wie ſie es nannten, in Ueberlegung ziehen wollten,
und dazu der eine Waldmenſch vom Baume herab¬
rutſchte, hatte Bovillard Zeit die Inſel zu betrachten,
von deren Exiſtenz er noch nichts wußte. Sie war
ſichtlich erſt vor kurzem gegraben, ſo wie die künſt¬
liche Höhle aufgeſchüttet von Erdreich, Aeſten und
Moos mit rohem Tiſch und Bänken, und ein ſchad¬
haftes Bärenfell, das am Eingang hing, verrieth
an ſeiner Furnitur, daß es von irgend einem Lieb¬
habertheater ſtammte.

Der Rieſe, indem er den Blätterkranz auf der
Stirn zurecht rückte, während der Andere das Bären¬
fell auf die Erde breitete und ſich in maleriſcher Po¬
ſition hinwarf, ſtellte nun in einer ſchwulſtigen Knaben¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0245" n="231"/>
        <p>&#x201E;Da werden wir wohl unterhandeln mü&#x017F;&#x017F;en, lieber<lb/>
Bovillard.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ah, Dero Herren Söhne &#x2014; &#x017F;pielen Ritter&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Pa&#x017F;&#x017F;ion i&#x017F;t vorbei, &#x017F;ie wollen nichts als<lb/>
Men&#x017F;chen, Urmen&#x017F;chen &#x017F;ein. Na, Jean Jacques,<lb/>
&#x017F;agt, was wollt Ihr denn von uns?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jean Jacques! Sind ihnen ihre Taufnamen<lb/>
Hugo und Bu&#x017F;&#x017F;o nicht urmen&#x017F;chlich genug?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Pa&#x017F;&#x017F;ion meiner Frau.&#x201C; Der Mini&#x017F;ter<lb/>
verneigte &#x017F;ich: &#x201E;Al&#x017F;o Ihr großmächtigen Herren<lb/>
der In&#x017F;el und Gebietiger des Waldes, was for¬<lb/>
dert Ihr von uns armen Men&#x017F;chenkindern, damit<lb/>
wir unter Eurer Gnade einen ungehinderten Durch¬<lb/>
weg haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Während die Knaben dies &#x201E;freche An&#x017F;innen,&#x201C;<lb/>
wie &#x017F;ie es nannten, in Ueberlegung ziehen wollten,<lb/>
und dazu der eine Waldmen&#x017F;ch vom Baume herab¬<lb/>
rut&#x017F;chte, hatte Bovillard Zeit die In&#x017F;el zu betrachten,<lb/>
von deren Exi&#x017F;tenz er noch nichts wußte. Sie war<lb/>
&#x017F;ichtlich er&#x017F;t vor kurzem gegraben, &#x017F;o wie die kün&#x017F;<lb/>
liche Höhle aufge&#x017F;chüttet von Erdreich, Ae&#x017F;ten und<lb/>
Moos mit rohem Ti&#x017F;ch und Bänken, und ein &#x017F;chad¬<lb/>
haftes Bärenfell, das am Eingang hing, verrieth<lb/>
an &#x017F;einer Furnitur, daß es von irgend einem Lieb¬<lb/>
habertheater &#x017F;tammte.</p><lb/>
        <p>Der Rie&#x017F;e, indem er den Blätterkranz auf der<lb/>
Stirn zurecht rückte, während der Andere das Bären¬<lb/>
fell auf die Erde breitete und &#x017F;ich in maleri&#x017F;cher Po¬<lb/>
&#x017F;ition hinwarf, &#x017F;tellte nun in einer &#x017F;chwul&#x017F;tigen Knaben¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0245] „Da werden wir wohl unterhandeln müſſen, lieber Bovillard.“ „Ah, Dero Herren Söhne — ſpielen Ritter“ „Die Paſſion iſt vorbei, ſie wollen nichts als Menſchen, Urmenſchen ſein. Na, Jean Jacques, ſagt, was wollt Ihr denn von uns?“ „Jean Jacques! Sind ihnen ihre Taufnamen Hugo und Buſſo nicht urmenſchlich genug?“ „Eine Paſſion meiner Frau.“ Der Miniſter verneigte ſich: „Alſo Ihr großmächtigen Herren der Inſel und Gebietiger des Waldes, was for¬ dert Ihr von uns armen Menſchenkindern, damit wir unter Eurer Gnade einen ungehinderten Durch¬ weg haben.“ Während die Knaben dies „freche Anſinnen,“ wie ſie es nannten, in Ueberlegung ziehen wollten, und dazu der eine Waldmenſch vom Baume herab¬ rutſchte, hatte Bovillard Zeit die Inſel zu betrachten, von deren Exiſtenz er noch nichts wußte. Sie war ſichtlich erſt vor kurzem gegraben, ſo wie die künſt¬ liche Höhle aufgeſchüttet von Erdreich, Aeſten und Moos mit rohem Tiſch und Bänken, und ein ſchad¬ haftes Bärenfell, das am Eingang hing, verrieth an ſeiner Furnitur, daß es von irgend einem Lieb¬ habertheater ſtammte. Der Rieſe, indem er den Blätterkranz auf der Stirn zurecht rückte, während der Andere das Bären¬ fell auf die Erde breitete und ſich in maleriſcher Po¬ ſition hinwarf, ſtellte nun in einer ſchwulſtigen Knaben¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/245
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/245>, abgerufen am 26.04.2024.