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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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Da kam der Herr von der Weissenburg
Mit seinen Winden so kühn.

"Willkommen Herr von der Weissenburg,
"Gott geb euch guten Muth,
"Ihr sollt nicht länger leben,
"Denn heut diesen halben Tag."
"Soll ich nicht länger leben,
"Denn diesen halben Tag,
"So klag ichs Christo vom Himmel,
"Der all Ding wenden mag."
Sie kamen hart zusammen,
Mit Wort und Zorn so groß,
Daß einer zu dem andern
Sein Armbrust abe schoß.
Er sprach zu seinem Knechte:
"Nun spann dein Armbrust ein,
"Und schieß den Herrn von der Weissenburg,
"Zur linken Seiten ein."
"Warum soll ich ihn schießen,
"Und morden auf dem Plan,
"Hat er mir doch sein Lebelang,
"Noch nie kein Leid gethan."
Da nahm Ludewig den Jägerspieß
Selber in seine Hand,
Durchrannt' den Pfalzgraf Friederich,
Unter der Linden zur Hand.

Da kam der Herr von der Weiſſenburg
Mit ſeinen Winden ſo kuͤhn.

„Willkommen Herr von der Weiſſenburg,
„Gott geb euch guten Muth,
„Ihr ſollt nicht laͤnger leben,
„Denn heut dieſen halben Tag.“
„Soll ich nicht laͤnger leben,
„Denn dieſen halben Tag,
„So klag ichs Chriſto vom Himmel,
„Der all Ding wenden mag.“
Sie kamen hart zuſammen,
Mit Wort und Zorn ſo groß,
Daß einer zu dem andern
Sein Armbruſt abe ſchoß.
Er ſprach zu ſeinem Knechte:
„Nun ſpann dein Armbruſt ein,
„Und ſchieß den Herrn von der Weiſſenburg,
„Zur linken Seiten ein.“
„Warum ſoll ich ihn ſchießen,
„Und morden auf dem Plan,
„Hat er mir doch ſein Lebelang,
„Noch nie kein Leid gethan.“
Da nahm Ludewig den Jaͤgerſpieß
Selber in ſeine Hand,
Durchrannt' den Pfalzgraf Friederich,
Unter der Linden zur Hand.

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[243/0252] Da kam der Herr von der Weiſſenburg Mit ſeinen Winden ſo kuͤhn. „Willkommen Herr von der Weiſſenburg, „Gott geb euch guten Muth, „Ihr ſollt nicht laͤnger leben, „Denn heut dieſen halben Tag.“ „Soll ich nicht laͤnger leben, „Denn dieſen halben Tag, „So klag ichs Chriſto vom Himmel, „Der all Ding wenden mag.“ Sie kamen hart zuſammen, Mit Wort und Zorn ſo groß, Daß einer zu dem andern Sein Armbruſt abe ſchoß. Er ſprach zu ſeinem Knechte: „Nun ſpann dein Armbruſt ein, „Und ſchieß den Herrn von der Weiſſenburg, „Zur linken Seiten ein.“ „Warum ſoll ich ihn ſchießen, „Und morden auf dem Plan, „Hat er mir doch ſein Lebelang, „Noch nie kein Leid gethan.“ Da nahm Ludewig den Jaͤgerſpieß Selber in ſeine Hand, Durchrannt' den Pfalzgraf Friederich, Unter der Linden zur Hand.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/252>, abgerufen am 26.04.2024.