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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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zu rächen. Ich führte ihr einen jungen Mann aus
Strasburg zu, der kurz vorher bei Ihnen gewesen war;
sie fragte höflich nach seinem Namen, noch eh' er sich
nennen konnte, sagte ich: der Herr heißt Schneegans,
hat Ihren Herrn Sohn in Weimar besucht und bringt
Ihr viele Grüße von ihm. Sie sah mich verächtlich
an und fragte: darf ich um Ihren werthen Namen
bitten? Aber noch ehe er sich legitimiren konnte, hatte
ich schon wieder den famösen Namen Schneegans
ausgesprochen; ganz ergrimmt über mein grobes Verfah-
ren, den fremden Herrn eine Schneegans zu schimpfen,
bat sie ihn um Verzeihung und daß mein Muthwill keine
Grenzen habe und manchmal sogar in's Alberne spiele;
ich sagte: der Herr heißt aber doch Schneegans. O
schweig, rief sie, wo kann ein vernünftiger Mensch
Schneegans heißen! Wie nun der Herr endlich zu
Wort kam und bekannte, daß er wirklich die Fatalität
habe so zu heißen, da war es sehr ergötzlich die Ent-
schuldigungen und Betheuerungen von Hochachtung ge-
genseitig anzuhören; sie amüsirten sich vortrefflich mit
einander, als hätten sie sich Jahre lang gekannt, und
bei'm Abschied sagte die Mutter mit einem heroischen
Anlauf: leben Sie recht wohl Herr von Schneegans,

zu rächen. Ich führte ihr einen jungen Mann aus
Strasburg zu, der kurz vorher bei Ihnen geweſen war;
ſie fragte höflich nach ſeinem Namen, noch eh' er ſich
nennen konnte, ſagte ich: der Herr heißt Schneegans,
hat Ihren Herrn Sohn in Weimar beſucht und bringt
Ihr viele Grüße von ihm. Sie ſah mich verächtlich
an und fragte: darf ich um Ihren werthen Namen
bitten? Aber noch ehe er ſich legitimiren konnte, hatte
ich ſchon wieder den famöſen Namen Schneegans
ausgeſprochen; ganz ergrimmt über mein grobes Verfah-
ren, den fremden Herrn eine Schneegans zu ſchimpfen,
bat ſie ihn um Verzeihung und daß mein Muthwill keine
Grenzen habe und manchmal ſogar in's Alberne ſpiele;
ich ſagte: der Herr heißt aber doch Schneegans. O
ſchweig, rief ſie, wo kann ein vernünftiger Menſch
Schneegans heißen! Wie nun der Herr endlich zu
Wort kam und bekannte, daß er wirklich die Fatalität
habe ſo zu heißen, da war es ſehr ergötzlich die Ent-
ſchuldigungen und Betheuerungen von Hochachtung ge-
genſeitig anzuhören; ſie amüſirten ſich vortrefflich mit
einander, als hätten ſie ſich Jahre lang gekannt, und
bei'm Abſchied ſagte die Mutter mit einem heroiſchen
Anlauf: leben Sie recht wohl Herr von Schneegans,

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[124/0156] zu rächen. Ich führte ihr einen jungen Mann aus Strasburg zu, der kurz vorher bei Ihnen geweſen war; ſie fragte höflich nach ſeinem Namen, noch eh' er ſich nennen konnte, ſagte ich: der Herr heißt Schneegans, hat Ihren Herrn Sohn in Weimar beſucht und bringt Ihr viele Grüße von ihm. Sie ſah mich verächtlich an und fragte: darf ich um Ihren werthen Namen bitten? Aber noch ehe er ſich legitimiren konnte, hatte ich ſchon wieder den famöſen Namen Schneegans ausgeſprochen; ganz ergrimmt über mein grobes Verfah- ren, den fremden Herrn eine Schneegans zu ſchimpfen, bat ſie ihn um Verzeihung und daß mein Muthwill keine Grenzen habe und manchmal ſogar in's Alberne ſpiele; ich ſagte: der Herr heißt aber doch Schneegans. O ſchweig, rief ſie, wo kann ein vernünftiger Menſch Schneegans heißen! Wie nun der Herr endlich zu Wort kam und bekannte, daß er wirklich die Fatalität habe ſo zu heißen, da war es ſehr ergötzlich die Ent- ſchuldigungen und Betheuerungen von Hochachtung ge- genſeitig anzuhören; ſie amüſirten ſich vortrefflich mit einander, als hätten ſie ſich Jahre lang gekannt, und bei'm Abſchied ſagte die Mutter mit einem heroiſchen Anlauf: leben Sie recht wohl Herr von Schneegans,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/156>, abgerufen am 26.04.2024.