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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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sich auf ihre Staatshaube zu setzen, und dort die Blu-
men und Federn anzubeißen. Vor ein paar Tagen ist
ging ich Abends noch hin, die Jungfer ließ mich
ein, mit dem Bedeuten, sie sei noch nicht zu Hause,
müsse aber gleich kommen. Im Zimmer war's dunkel,
ich setzte mich an's Fenster und sah hinaus auf den Platz.
Da war's, als wenn was knisterte, -- ich lauschte und
glaubte athmen zu hören; -- mir ward unheimlich, ich
hörte wieder etwas sich bewegen, und fragte, weil ich's
gern auf's Eichhörnchen geschoben hätte: Hänschen bist
Du es? sehr unerwartet und für meinen Muth sehr
niederschlagend, antwortet eine sonore Baßstimme aus
dem Hintergrund: Hänschen ist's nicht, es ist Hans,
und dabei räuspert sich der ubeque malus Spiritus. Voll
Ehrfurcht wag' ich mich nicht aus der Stelle, der Geist
läßt sich auch nur noch durch Athmen und einmaliges
Niesen vernehmen; -- da hör' ich die Mutter, sie schrei-
tet voran, die kaum angebrannte, noch nicht vollleuch-
tende Kerze hinter drein, von Jungfer Lieschen getragen.
Bist Du da? fragte die Mutter, in dem sie ihre Haube
abnimmt, um sie auf ihren nächtlichen Stammhalter,
eine grüne Bouteille, zu hängen; ja, rufen wir beide,
und aus dem Dunkel tritt ein besternter Mann hervor
und fragt: Fr. Rath, werd' ich heut' Abend mit Ihnen

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ſich auf ihre Staatshaube zu ſetzen, und dort die Blu-
men und Federn anzubeißen. Vor ein paar Tagen iſt
ging ich Abends noch hin, die Jungfer ließ mich
ein, mit dem Bedeuten, ſie ſei noch nicht zu Hauſe,
müſſe aber gleich kommen. Im Zimmer war's dunkel,
ich ſetzte mich an's Fenſter und ſah hinaus auf den Platz.
Da war's, als wenn was kniſterte, — ich lauſchte und
glaubte athmen zu hören; — mir ward unheimlich, ich
hörte wieder etwas ſich bewegen, und fragte, weil ich's
gern auf's Eichhörnchen geſchoben hätte: Hänschen biſt
Du es? ſehr unerwartet und für meinen Muth ſehr
niederſchlagend, antwortet eine ſonore Baßſtimme aus
dem Hintergrund: Hänschen iſt's nicht, es iſt Hans,
und dabei räuſpert ſich der ubeque malus Spiritus. Voll
Ehrfurcht wag' ich mich nicht aus der Stelle, der Geiſt
läßt ſich auch nur noch durch Athmen und einmaliges
Nieſen vernehmen; — da hör' ich die Mutter, ſie ſchrei-
tet voran, die kaum angebrannte, noch nicht vollleuch-
tende Kerze hinter drein, von Jungfer Lieschen getragen.
Biſt Du da? fragte die Mutter, in dem ſie ihre Haube
abnimmt, um ſie auf ihren nächtlichen Stammhalter,
eine grüne Bouteille, zu hängen; ja, rufen wir beide,
und aus dem Dunkel tritt ein beſternter Mann hervor
und fragt: Fr. Rath, werd' ich heut' Abend mit Ihnen

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[195/0227] ſich auf ihre Staatshaube zu ſetzen, und dort die Blu- men und Federn anzubeißen. Vor ein paar Tagen iſt ging ich Abends noch hin, die Jungfer ließ mich ein, mit dem Bedeuten, ſie ſei noch nicht zu Hauſe, müſſe aber gleich kommen. Im Zimmer war's dunkel, ich ſetzte mich an's Fenſter und ſah hinaus auf den Platz. Da war's, als wenn was kniſterte, — ich lauſchte und glaubte athmen zu hören; — mir ward unheimlich, ich hörte wieder etwas ſich bewegen, und fragte, weil ich's gern auf's Eichhörnchen geſchoben hätte: Hänschen biſt Du es? ſehr unerwartet und für meinen Muth ſehr niederſchlagend, antwortet eine ſonore Baßſtimme aus dem Hintergrund: Hänschen iſt's nicht, es iſt Hans, und dabei räuſpert ſich der ubeque malus Spiritus. Voll Ehrfurcht wag' ich mich nicht aus der Stelle, der Geiſt läßt ſich auch nur noch durch Athmen und einmaliges Nieſen vernehmen; — da hör' ich die Mutter, ſie ſchrei- tet voran, die kaum angebrannte, noch nicht vollleuch- tende Kerze hinter drein, von Jungfer Lieschen getragen. Biſt Du da? fragte die Mutter, in dem ſie ihre Haube abnimmt, um ſie auf ihren nächtlichen Stammhalter, eine grüne Bouteille, zu hängen; ja, rufen wir beide, und aus dem Dunkel tritt ein beſternter Mann hervor und fragt: Fr. Rath, werd' ich heut' Abend mit Ihnen 9*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/227>, abgerufen am 26.04.2024.