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Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

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Unterlehrer.
gleich jetzund schliessen kann, daß es ihm am Triebe
zur Arbeitsamkeit nicht gefehlt, und daß er, eben
so wenig damals als jetzund, an gewöhnlichen Na-
turgaben einen Mangel gehabt habe. Er begab
sich also zur Kaufmannschaft, bis seine Lehrjahre
1772 um Michaelis geendigt waren. Unterdessen
setzte er einige Uebungen in der Geographie fort,
weil er dazu Lust hatte, erwarb sich auch so viel
Fertigkeit in der französichen Sprache, um Bücher
verstehen zu können. Aber das Latein hatte er
so sehr vergessen, daß weder Etwas von Vocabeln
noch von Declination oder Conjugation übrig war.
Und von der Weisheit des Cornelius konnte wahr-
lich nichts übrig seyn, da man, nach der gewöhn-
lichen Lehrart, Nichts davon zu begreifen pflegt.
Jnzwischen war durch diese und jene Veranlassung
ein neues Verlangen in ihm rege geworden, nach
Möglichkeit zu mehr Wissenschaften zu gelangen.
Darum begab er sich vor zwey Jahren zu mir als
ein Schreiber und Famulus. Jn dem ersten
Jahre aber war ich so beschäftigt, daß ich auf seine
Vervollkommnung nicht weiter denken durfte, als
was nöthig war, um ihn zum Dictiren meiner
Schriften gebrauchen zu können. Jn einem
Dutzend Lectionen, zwischen welchen Wiederholun-
gen und Uebungen vorgenommen werden mußten,
lehrte ich ihn die teutsche Sprachkunst in solchem
Grade, daß er die Correctur des Drucks aller
meiner Schriften besorgen konnte, ohne, wenn
Sprachfehler vorkamen, das Manuscript nachzu-
sehen. Und beym Dictiren der Mathematik fiel

zu-

Unterlehrer.
gleich jetzund ſchlieſſen kann, daß es ihm am Triebe
zur Arbeitſamkeit nicht gefehlt, und daß er, eben
ſo wenig damals als jetzund, an gewoͤhnlichen Na-
turgaben einen Mangel gehabt habe. Er begab
ſich alſo zur Kaufmannſchaft, bis ſeine Lehrjahre
1772 um Michaelis geendigt waren. Unterdeſſen
ſetzte er einige Uebungen in der Geographie fort,
weil er dazu Luſt hatte, erwarb ſich auch ſo viel
Fertigkeit in der franzoͤſichen Sprache, um Buͤcher
verſtehen zu koͤnnen. Aber das Latein hatte er
ſo ſehr vergeſſen, daß weder Etwas von Vocabeln
noch von Declination oder Conjugation uͤbrig war.
Und von der Weisheit des Cornelius konnte wahr-
lich nichts uͤbrig ſeyn, da man, nach der gewoͤhn-
lichen Lehrart, Nichts davon zu begreifen pflegt.
Jnzwiſchen war durch dieſe und jene Veranlaſſung
ein neues Verlangen in ihm rege geworden, nach
Moͤglichkeit zu mehr Wiſſenſchaften zu gelangen.
Darum begab er ſich vor zwey Jahren zu mir als
ein Schreiber und Famulus. Jn dem erſten
Jahre aber war ich ſo beſchaͤftigt, daß ich auf ſeine
Vervollkommnung nicht weiter denken durfte, als
was noͤthig war, um ihn zum Dictiren meiner
Schriften gebrauchen zu koͤnnen. Jn einem
Dutzend Lectionen, zwiſchen welchen Wiederholun-
gen und Uebungen vorgenommen werden mußten,
lehrte ich ihn die teutſche Sprachkunſt in ſolchem
Grade, daß er die Correctur des Drucks aller
meiner Schriften beſorgen konnte, ohne, wenn
Sprachfehler vorkamen, das Manuſcript nachzu-
ſehen. Und beym Dictiren der Mathematik fiel

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[59/0095] Unterlehrer. gleich jetzund ſchlieſſen kann, daß es ihm am Triebe zur Arbeitſamkeit nicht gefehlt, und daß er, eben ſo wenig damals als jetzund, an gewoͤhnlichen Na- turgaben einen Mangel gehabt habe. Er begab ſich alſo zur Kaufmannſchaft, bis ſeine Lehrjahre 1772 um Michaelis geendigt waren. Unterdeſſen ſetzte er einige Uebungen in der Geographie fort, weil er dazu Luſt hatte, erwarb ſich auch ſo viel Fertigkeit in der franzoͤſichen Sprache, um Buͤcher verſtehen zu koͤnnen. Aber das Latein hatte er ſo ſehr vergeſſen, daß weder Etwas von Vocabeln noch von Declination oder Conjugation uͤbrig war. Und von der Weisheit des Cornelius konnte wahr- lich nichts uͤbrig ſeyn, da man, nach der gewoͤhn- lichen Lehrart, Nichts davon zu begreifen pflegt. Jnzwiſchen war durch dieſe und jene Veranlaſſung ein neues Verlangen in ihm rege geworden, nach Moͤglichkeit zu mehr Wiſſenſchaften zu gelangen. Darum begab er ſich vor zwey Jahren zu mir als ein Schreiber und Famulus. Jn dem erſten Jahre aber war ich ſo beſchaͤftigt, daß ich auf ſeine Vervollkommnung nicht weiter denken durfte, als was noͤthig war, um ihn zum Dictiren meiner Schriften gebrauchen zu koͤnnen. Jn einem Dutzend Lectionen, zwiſchen welchen Wiederholun- gen und Uebungen vorgenommen werden mußten, lehrte ich ihn die teutſche Sprachkunſt in ſolchem Grade, daß er die Correctur des Drucks aller meiner Schriften beſorgen konnte, ohne, wenn Sprachfehler vorkamen, das Manuſcript nachzu- ſehen. Und beym Dictiren der Mathematik fiel zu-

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/95>, abgerufen am 27.04.2024.