Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sittenlehre
nach voriger Erfahrung zu vergnügen pflegen.
Setze dieses Hülfsmittel fort, wenn es auch an-
fangs nichts oder wenig zu wirken scheinet. Wenn
du ohne eine Ursache zu wissen, traurig und beäng-
stigt bist, so ist der Grund in dem Körper und eine
Krankheit. Gieb dir alsdann nicht die Mühe,
andre Ursachen aufzusuchen; sondern verbessere
deine Diät, und schaffe durch Aderlaß oder Arzney
dasjenige aus dem Körper, wodurch die Beängsti-
gung verursacht wird.

Fünftens, vermeide alle Gefahren des Lebens,
der Gesundheit, des Beyfalls, der Gunst und der
Güther, so oft du nach den Regeln der Weisheit
und Tugend sie vermeiden darfst. Ersinne vorher
die besten Gegenmittel wider die wahrscheinlichen
und möglichen Gefahren; und suche vorher, sie in
deiner Gewalt zu haben. Denn in den Gefahren
selbst wird durch die Furcht eine Verwirrung ver-
ursacht, in welcher die glückliche Ueberlegung
schwer ist. Auch ist es alsdann oft zu spät, zu
überlegen und Mittel zu suchen. Diese Furcht vor
der mißlingenden Wahl der Gegenmittel, mehret
die Furcht vor den Gefahren selbst, und macht
das Uebel ärger.

Sechstens, geh an die möglichen Gefahren mit
der weisen Unterwerfung unter Gott: HErr,
dein guter Wille geschehe.

Sie-

Die Sittenlehre
nach voriger Erfahrung zu vergnuͤgen pflegen.
Setze dieſes Huͤlfsmittel fort, wenn es auch an-
fangs nichts oder wenig zu wirken ſcheinet. Wenn
du ohne eine Urſache zu wiſſen, traurig und beaͤng-
ſtigt biſt, ſo iſt der Grund in dem Koͤrper und eine
Krankheit. Gieb dir alsdann nicht die Muͤhe,
andre Urſachen aufzuſuchen; ſondern verbeſſere
deine Diaͤt, und ſchaffe durch Aderlaß oder Arzney
dasjenige aus dem Koͤrper, wodurch die Beaͤngſti-
gung verurſacht wird.

Fuͤnftens, vermeide alle Gefahren des Lebens,
der Geſundheit, des Beyfalls, der Gunſt und der
Guͤther, ſo oft du nach den Regeln der Weisheit
und Tugend ſie vermeiden darfſt. Erſinne vorher
die beſten Gegenmittel wider die wahrſcheinlichen
und moͤglichen Gefahren; und ſuche vorher, ſie in
deiner Gewalt zu haben. Denn in den Gefahren
ſelbſt wird durch die Furcht eine Verwirrung ver-
urſacht, in welcher die gluͤckliche Ueberlegung
ſchwer iſt. Auch iſt es alsdann oft zu ſpaͤt, zu
uͤberlegen und Mittel zu ſuchen. Dieſe Furcht vor
der mißlingenden Wahl der Gegenmittel, mehret
die Furcht vor den Gefahren ſelbſt, und macht
das Uebel aͤrger.

Sechſtens, geh an die moͤglichen Gefahren mit
der weiſen Unterwerfung unter Gott: HErr,
dein guter Wille geſchehe.

Sie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="110"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Sittenlehre</hi></fw><lb/>
nach voriger Erfahrung zu vergnu&#x0364;gen pflegen.<lb/>
Setze die&#x017F;es Hu&#x0364;lfsmittel fort, wenn es auch an-<lb/>
fangs nichts oder wenig zu wirken &#x017F;cheinet. Wenn<lb/>
du ohne eine Ur&#x017F;ache zu wi&#x017F;&#x017F;en, traurig und bea&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;tigt bi&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t der Grund in dem Ko&#x0364;rper und eine<lb/>
Krankheit. Gieb dir alsdann nicht die Mu&#x0364;he,<lb/>
andre Ur&#x017F;achen aufzu&#x017F;uchen; &#x017F;ondern verbe&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
deine Dia&#x0364;t, und &#x017F;chaffe durch Aderlaß oder Arzney<lb/>
dasjenige aus dem Ko&#x0364;rper, wodurch die Bea&#x0364;ng&#x017F;ti-<lb/>
gung verur&#x017F;acht wird.</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;nftens, vermeide alle Gefahren des Lebens,<lb/>
der Ge&#x017F;undheit, des Beyfalls, der Gun&#x017F;t und der<lb/>
Gu&#x0364;ther, &#x017F;o oft du nach den Regeln der Weisheit<lb/>
und Tugend &#x017F;ie vermeiden darf&#x017F;t. Er&#x017F;inne vorher<lb/>
die be&#x017F;ten Gegenmittel wider die wahr&#x017F;cheinlichen<lb/>
und mo&#x0364;glichen Gefahren; und &#x017F;uche vorher, &#x017F;ie in<lb/>
deiner Gewalt zu haben. Denn in den Gefahren<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wird durch die Furcht eine Verwirrung ver-<lb/>
ur&#x017F;acht, in welcher die glu&#x0364;ckliche Ueberlegung<lb/>
&#x017F;chwer i&#x017F;t. Auch i&#x017F;t es alsdann oft zu &#x017F;pa&#x0364;t, zu<lb/>
u&#x0364;berlegen und Mittel zu &#x017F;uchen. Die&#x017F;e Furcht vor<lb/>
der mißlingenden Wahl der Gegenmittel, mehret<lb/>
die Furcht vor den Gefahren &#x017F;elb&#x017F;t, und macht<lb/>
das Uebel a&#x0364;rger.</p><lb/>
          <p>Sech&#x017F;tens, geh an die mo&#x0364;glichen Gefahren mit<lb/>
der wei&#x017F;en Unterwerfung unter Gott: <hi rendition="#fr">HErr,<lb/>
dein guter Wille ge&#x017F;chehe.</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0134] Die Sittenlehre nach voriger Erfahrung zu vergnuͤgen pflegen. Setze dieſes Huͤlfsmittel fort, wenn es auch an- fangs nichts oder wenig zu wirken ſcheinet. Wenn du ohne eine Urſache zu wiſſen, traurig und beaͤng- ſtigt biſt, ſo iſt der Grund in dem Koͤrper und eine Krankheit. Gieb dir alsdann nicht die Muͤhe, andre Urſachen aufzuſuchen; ſondern verbeſſere deine Diaͤt, und ſchaffe durch Aderlaß oder Arzney dasjenige aus dem Koͤrper, wodurch die Beaͤngſti- gung verurſacht wird. Fuͤnftens, vermeide alle Gefahren des Lebens, der Geſundheit, des Beyfalls, der Gunſt und der Guͤther, ſo oft du nach den Regeln der Weisheit und Tugend ſie vermeiden darfſt. Erſinne vorher die beſten Gegenmittel wider die wahrſcheinlichen und moͤglichen Gefahren; und ſuche vorher, ſie in deiner Gewalt zu haben. Denn in den Gefahren ſelbſt wird durch die Furcht eine Verwirrung ver- urſacht, in welcher die gluͤckliche Ueberlegung ſchwer iſt. Auch iſt es alsdann oft zu ſpaͤt, zu uͤberlegen und Mittel zu ſuchen. Dieſe Furcht vor der mißlingenden Wahl der Gegenmittel, mehret die Furcht vor den Gefahren ſelbſt, und macht das Uebel aͤrger. Sechſtens, geh an die moͤglichen Gefahren mit der weiſen Unterwerfung unter Gott: HErr, dein guter Wille geſchehe. Sie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/134
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/134>, abgerufen am 26.04.2024.